Eisenbahnverbände: Norwegische Regierung bricht Wahlversprechen zur Eisenbahnreform

Flytoget soll in Zukunft nicht mehr auf die Strecke von Oslo Gardermoen nach Drammen beschränkt bleiben. Dafür bricht die Regierung nach Meinung der zwei großen norwegischen Eisenbahnverbände ihr Wahlversprechen zur Eisenbahnreform.©Øyvind Svärd

Oslo, 25. August 2022. Die norwegische Mitte-links-Regierung hatte vor dem Regierungswechsel im Jahr 2021 versprochen, die Eisenbahnreform der konservativen Regierung von Erna Solberg nicht weiterzuführen. Die ehemaligen Norges Statsbaner (NSB) wurden in zehn Gesellschaften aufgesplittert. Der Betrieb auf den meisten Strecken ist ausgeschrieben und an die schwedische SJ Nord und die englische Go Ahead vergeben worden. Die norwegische Vy als ehemalige NSB gewann mit der Bergensbanen eine einzige Ausschreibung. 

Doch die Regierung des Sozialdemokraten Jonas Gahr Støre hält sich nicht an das gegebene Wahlversprechen. Zwar werden die noch bei Vy verbliebenen Strecken im Süden des Landes nicht wie mit den bisherigen „Jernbanepakke“ international ausgeschrieben, worauf sich jede Eisenbahngesellschaft (EVU) bewerben könnte. Sondern Vy als heutige Betreiberin und neu die Flytoget AS sind vom Jernbanedirektorat im Auftrag des Verkehrsministeriums verpflichtet worden, sich beide für die Verkehrsabwicklung der heute noch von Vy betriebenen Strecken (außer Bergensbanen) zu bewerben. Es wird mit Østlandet 1 und Østlandet 2 zwei Netzaufteilungen geben. Damit sollen zwei staatliche norwegische Eisenbahngesellschaften gegeneinander antreten. Die norwegische Eisenbahndirektion strebt den Abschluss der Verhandlungen bis Ende Juni 2023 an. Die Verkehrsverträge besitzen eine Laufzeit von acht Jahren mit der Möglichkeit der Verlängerung um zwei Jahre. Es ist voraussehbar, dass Vy und Flytoget je eine Ausschreibung gewinnen werden. Seit längerer Zeit ist bekannt, dass Flytoget mehr möchte als wie bisher die Strecke von Oslo Gardermoen über Oslo nach Drammen. Nun hat die Gesellschaft in der Regierung offensichtlich Gehör gefunden. 

Die Strecken der Østlandet 2 (rot), die bisher von Vy betrieben wurden, sollen nun an Flytoget gehen.©Norwegische Eisenbahndirektion
 

Østlandet  1 besteht aus den Linien Spikkestad/Asker – Lillestrøm, Stabekk/Oslo S – Ski, Oslo S – Hakadal/Jaren, Stabekk – Moss, Oslo S – Mysen/ Rakkestad, Oslo S – Ski, Oslo S – Halden und Oslo S – Gjøvik.

Østlandet 2 wurde von der Solberg-Regierung noch Trafikkpakke 5 genannt und umfasst die Linien Skien – Eidsvoll, Drammen – Lillehammer, Kongsberg – Eidsvoll, Drammen – Dal, Asker – Kongsvinger und Notodden – Porsgrunn.

Auf den ausgeschriebenen Strecken werden auch künftig die gleichen Züge mit teilweise neuen Klebefolien und das gleiche Personal mit teilweise neuen Uniformen fahren. Die beiden großen Eisenbahnerverbände, der Norsk Jernbaneforbund und Norsk Lokomotivmannsforbund, stehen der Aufteilung im Zugverkehr seit jeher skeptisch gegenüber. Sie sind der Meinung, dass die Fortsetzung der Ausschreibungen einen Verstoß gegen das Versprechen vor den Wahlen bedeutet. Eine weitere Aufspaltung erfordere mehr Züge, mehr Mitarbeiter und bringe mehr Schnittstellen und Abklärungen zwischen den Akteuren mit sich. Vy schreibt in einer Pressemitteilung, dass durch die Aufspaltung bisherige Einsparnisse beim flexiblen Einsatz von Zügen und Personal von bis zu zwei Milliarden Kronen verloren gehen würden. Der Süden von Norwegen werde zwei staatliche Eisenbahngesellschaften bekommen, die jedoch beide zu klein sind, um die Vorteile eines gesamthaften Bahnbetriebes zu nutzen.

Jürg Streuli, Fachjournalist
juerg.streuli@swissonline.ch

Finden Sie hier die Pressemitteilung der Eisenbahndirektion zur Zuweisung des Zugangebotes in Ostnorwegen.

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