
Berlin, 12. September 2023. Am 12. und 13. September fand in Berlin die Herbsttagung der Deutsch-Norwegischen Handelskammer statt. Das Themenspektrum war breit, die Location außergewöhnlich und die Stimmung bestens. Wie immer bei diesen jährlich stattfindenden Events hatte die AHK Norwegen für die Teilnehmer Unternehmensbesuche organisiert. In diesem Jahr stand eine Besichtigung der Produktion von Elektrolyseuren bei Siemens Energy auf dem Plan sowie ein Vortrag an der Charité zur Strategie des Klinikums CHARITÉ 2030.

Zum Auftakt trafen sich die etwa 40 Teilnehmer in der Carl Fritz Boutique Location in Berlin Mitte, einer großzügigen Wohnung im Wohn- und Geschäftshaus Münzstraße 21-23, das 1891-1893 nach einem Entwurf der Architekten Poentsch & Bohnstedt errichtet wurde. Hier gab es beeindruckenden Stuck an den Decken, keine Konferenzbestuhlung, sondern Sessel, Sofas und Stehtische (und natürlich auch einige Stühle). Vier Räume für vier Workshops passten genau:
- Industrial Cyber Security
- ChatGPT, Bing Chat und die Herausforderungen mit dem Datenschutz
- Transport in Transition – the Energy Transition in the Transport Sector
- Deutsch-Norwegische Energiezusammenarbeit
Jan Lausch, Prinzipal Consultant des Zertifizierungs- und Klassifizierungsunternehmens DNV, sprach über Cybersicherheit in Industrieiunternehmen. Fanden Angriffe bisher eher zufällig mit automatisierten Tools statt und konnte jeden treffen, so gehen die Hacker heute sehr gezielt und professionell vor, erklärte der Sicherheitsspezialist. Die Tatsache, dass im Zeitalter des Internet of Things immer mehr Maschinen und Geräte in das Internet eingebunden sind, erhöhe das Risiko, da jetzt solche Industrieausrüstungen bedroht werden, bei denen ein Ausfall besonders viel Schaden anrichten kann.
Der Sicherheitsexperte empfiehlt daher dringend zu einer Risikoanalyse im Unternehmen „Was bin ich und was habe ich“ sollte die erste Frage bei jedem Sicherheitscheck sein. Es müssten die Objekte identifiziert werden, die wichtig für die Sicherheit des Unternehmens sind. Als vorbeugende Maßnahme sollte man die Datenflüsse im Unternehmen mittels spezieller Software beobachten. Sobald sich Änderungen ergeben, müssten die Ursachen gefunden werden. Oft sei ein anderes Verhalten auf einen Hackerangriff zurückzuführen.
Im Energie-Workshop präsentierten die Unternehmen Equinor ASA und VNG AG das H2G-Projekt Rostock. Beide Partner prüfen gegenwärtig die Herstellung von CO2-armen, sogenannten blauen Wasserstoff in Rostock. Dabei soll das CO2 vom Erdgas, das Equinor aus Norwegen liefert, in Rostock abgeschieden und nach Norwegen zurück zur Offshore-Speicherung unter dem norwegischen Festlandsockel transportiert oder an Industrieunternehmen zur Nutzung geliefert werden. Die Akteure gehen davon aus, dass das Kohlendioxid per Pipeline nach Norwegen geliefert wird. Die Erarbeitung einer entsprechenden Machbarkeitsstudie hat Vizekanzler Robert Habeck mit Öl- und Energieminister Terje Aasland bei seinem Besuch in Oslo Anfang dieses Jahre in einer Gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit im Bereich Wasserstoff in Aussicht gestellt. Die Ergebnisse sollten allerdings bereits im Frühjahr 2023 präsentiert werden, lassen aber immer noch auf sich warten.
Solange rechtliche Rahmenbedingungen nicht zur Verfügung stehen und der Zusatzartikel 6 des Londoner Protokolls, das den grenzüberschreitenden Transport von CO2 erlaubt, in Deutschland nicht ratifiziert ist, bleiben auch die Investitionsentscheidung solch großer deutsch-norwegischer Vorhaben im Bereich Wasserstoff und CCS aus. Für das geplante Werk in Rostock zur Herstellung von blauem Wasserstoff soll die Investitionsentscheidung 2026 fallen.

CCS war auch das Thema, das Olaf in der Beck, klimapolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, in seiner Keynote in den Mittelpunkt stellte. Bei der Kooperation zwischen Norwegen und Deutschland im Energiebereich gehe es nicht nur um die Lieferung von Energieträgern, sondern auch um der Einspeisung von CO2, ein Gebiet, bei dem Norwegen bereits jetzt internationaler Vorreiter sei. „Als klimapolitischer Sprecher und als AG-Vorsitzender für Klima und Energie der FDP-Fraktion sage ich ganz deutlich: Wenn wir effizient Klimaschutz betreiben wollen, und unsere selbst gestellten Ziele erreichen wollen, muss uns egal sein, wie wir CO2 einsparen. Denkverbote und ideologische Scheuklappen müssen verschwinden“, sagte in der Beck. Northern Lights sei ein Leuchtturmprojekt, von dem auch Deutschland maßgeblich profitieren könne. Eine mögliche Pipeline für CO2 von Deutschland nach Norwegen wäre der konsequente Schritt, um den Handel deutlich zu intensivieren. Hier sei noch Überzeugungsarbeit zu leisten, sagte der Politiker. Aber er gehe fest davon aus, dass sich die Regierungsparteien in den nächsten Monaten nach der Veröffentlichung der Carbon Management Strategie der Regierung im September oder Oktober mit dem gesetzgeberischen Weg beschäftigen werden, um Hemmnisse aus dem Weg zu schaffen.
Bei den Klimapolitikern im Ausschuss gebe es ein gemeinsames Verständnis darüber, dass CCS notwendig werden muss. Allerdings gebe es auch noch Vorbehalte. Seine Rolle sieht in der Beck darin, einen Kompromiss zu finden.
Wie der klimapolitische Sprecher mitteilte, hätten sowohl Wirtschaftsminister Habeck als auch Umweltministerin Lemke in ihren Ressorts zugesagt, das Londoner Protokoll noch in diesem Jahr zu unterschreiben. Dann sei man schon einen Schritt weiter – dann könne aus Deutschland CO2 exportiert werden, so in der Beck.
Welchen Herausforderungen ein Klinikum in der heutigen Zeit gegenübersteht, erfuhren die Teilnehmer der AHK-Herbsttagung beim Besuch des Klinikums Charité, konkret des Charité Campus Mitte. Nachdem Professor Ulrich Frei, ehemaliger Ärztlicher Direktor und Vorstand Krankenversorgung der Charité, einen kurzen Überblick über die Geschichte des berühmten Klinikums gegeben hatte, gewährte Dr. Jens Steinbrink, Leiter des Geschäftsbereich Strategische Entwicklung der Charité, einen Blick in die Zukunft.

Die Charité zählt mit 3.000 Betten, 21.556 Mitarbeitern, einhundert Kliniken und einem Umsatz von 2,3 Milliarden Euro zu den größten Kliniken Europas. Sie ist die gemeinsame medizinische Fakultät von Freier Universität Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin und untersteht dem Senat von Berlin. Sie kommt im aktuellen Newsweek-Ranking zu den besten Kliniken weltweit in vier Fachgebieten unter die weltweiten TOP 10.
Als Herausforderung der kommenden Jahre nannte Steinbrink den demographischen Wandel, die Digitalisierung und den medizinischen Fortschritt. Dabei müssten nicht die Krankenhäuser, sondern das Gesundheitssystem insgesamt verbessert werden. Deutschland habe doppelt so viele Krankenhausbetten wie die meisten OECD-Länder. Ziel des Unternehmens sei es, künftig noch spezialisierter zu arbeiten, nur die schweren Fälle zu behandeln und leichte Fälle abzugeben. Die Abrechnung der Leistungen sollten künftig nicht mehr nach Fallpauschalen oder anderen Kriterien erfolgen, sondern sich am Erfolg der Behandlung ausrichten. So sollte der Patient künftig stärker im Mittelpunkt stehen.
Die Inflation habe auch den Kostendruck auf die Charité stark erhöht. Da Personal fehle, könnten auch nicht alle Betten genutzt werden. Als kommunale Einrichtung, die dem Land Berlin untersteht, sei das strategische Ziel nicht auf Profit ausgerichtet. Aber ohne die entsprechenden finanziellen Mittel gestalte sich in der jetzigen Krise die Umsetzung der Strategie 2030 als schwierig.
Zum gemeinsamen Ausklang der Herbsttagung besuchten die Teilnehmer die aktuelle Show im Chamäleon in den Hackeschen Höfen.
J. Falkner