
Berlin, 14. Juni 2021. Die Bundesregierung will den Transport von Kohlendioxid ins Ausland und die Speicherung unter dem Meeresboden im Ausland ermöglichen. „Mit Blick auf Transport und Speicherung von CO2 ins Ausland plant die Bundesregierung als Mitgliedsstaates des London-Protokolls die Ratifikation des von der entsprechenden Vertragsstaatenkonferenz geänderten Artikel 6 des London-Protokolls, der den grenzüberschreitenden CO2-Transport zwecks Speicherung im tiefen Untergrund unter dem Meeresboden ermöglicht“, heißt es in einer Stellungnahme des Bundesumweltministeriums BMU.
Das London-Übereinkommen ist eines der ersten weltweiten Übereinkommen für den Schutz der Meeresumwelt vor den Aktivitäten des Menschen. Es ist seit 1975 in Kraft. Im Jahr 1996 wurde das Übereinkommen mit der Unterzeichnung des London Protocol modernisiert und ersetzt den älteren Vertrag. Es trat 2006 in Kraft. Der Zweck des Protokolls ist dem des Übereinkommens ähnlich, das Protokoll ist jedoch restriktiver. Nach Artikel 6 des London-Protokolls ist es den Vertragsparteien nicht erlaubt, Abfällen oder anderen Stoffen in andere Länder zur Deponierung oder Verbrennung auf See zu exportieren.
Im Jahr 2006 haben die Vertragsparteien des London-Protokoll Änderungen des Anhangs I des Protokolls zur Regulierung des Transports und der Lagerung von CO2 unter dem Meeresboden beschlossen. Durch diese Änderungen wurde eine Rechtsgrundlage im internationalen Umweltrecht geschaffen, um die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung in geologischen Formationen unter dem Meeresboden zur dauerhaften Isolierung zu regeln. Diese Praxis gilt für große punktuelle Quellen von CO2-Emissionen, darunter Kraftwerke und Zementwerke, schließt jedoch die Verwendung solcher CO2-Abfallströme für eine verbesserte Ölgewinnung aus.
Im Jahr 2009 änderten die Vertragsparteien Artikel 6 des London-Protokoll über die Ausfuhr von Abfällen zu Deponierungszwecken, um es den Vertragsparteien zu ermöglichen, grenzüberschreitende geologische Formationen unter dem Meeresboden für Sequestrierungsprojekte zu teilen, sofern die Schutzstandards des London-Protokoll vollständig erfüllt werden.

Nach der Ratifizierung des neu gefassten Artikels 6 seien zum Zwecke der CO2-Deponierung im Ausland allerdings weitere Vereinbarungen notwendig, teilt das Bundesumweltministerium mit. „Die grenzüberschreitende Kooperation zum CO2-Transport und zur CO2-Speicherung mit Nordseeanrainern setzt nach Ansicht der Bundesregierung bilaterale oder multilaterale Vereinbarungen zu solchen Fragen voraus, die in der EU-Richtlinie 2009/31/EG zur geologischen Speicherung von Kohlendioxid (CCS-Richtlinie) derzeit nicht abgedeckt sind.“ Das seien bei grenzüberschreitenden Projekten vor allem Regelungen zur Zuständigkeit der beteiligten Länder für die Erteilung von Genehmigungen, für die Überwachung und die Zuständigkeiten bei Unregelmäßigkeiten oder Leckagen der Transport- und Speicherinfrastruktur.
Das BMU weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass im EU-Klimaschutzprogramm 2030 vereinbart wurde, dass CCS insbesondere für unvermeidbare prozessbedingte Treibhausgasemissionen aus der Grundstoffindustrie zum Einsatz kommen soll. Daran habe sich mit dem neuen Ziel, Klimaneutralität bereits 2045 zu erreichen, nichts geändert. In der Energiewirtschaft sei der Einsatz von CCS allerdings nicht sinnvoll, da es hier mit den Erneuerbaren Energien deutlich günstigere und nachhaltigere Alternativen gebe, um den künftigen Strombedarf zu decken.
Die Europäische Kommission werde bei der Umsetzung des Fit-For-55-Pakets auch eine Neubewertung der Bedeutung von CCS vornehmen. Die Bundesregierung werde sich in diese Diskussion bezüglich der nicht vermeidbaren Prozessemissionen im Industriesektor einbringen. Aus Sicht des BMU bestehe kein Bedarf, im Vorgriff auf diese EU-Regelungen den nationalen Rechtsrahmen zu verändern. Insgesamt gebe es vor diesem Hintergrund also keinen Anlass, das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz zu novellieren.
Norwegen und weitere Länder praktizieren die Verpressung von CO2 aus der Öl- und Gasförderung unter dem Meeresboden seit langer Zeit. Gegenwärtig realisiert Norwegen ein Demonstrationsprojekt unter dem Namen Langskip, an dem auch die norwegische Tochter des deutschen Zementherstellers HeidelbergCement beteiligt ist. In Slite auf der schwedischen Insel Gotland will Heidelberg Cement sein Werk zum ersten klimaneutralen Zementwerk der Welt ausbauen, indem die CO2-Emissionen abgeschieden und unter dem Meeresboden gelagert werden.
HeidelbergCement baut derzeit im norwegischen Zementwerk Brevik die weltweit erste großtechnische Anlage zur CO2-Abscheidung, mit der ab 2024 jährlich 400.000 Tonnen bzw. 50 Prozent der Emissionen des Werks abgeschieden werden sollen. „Aufgrund der positiven Zusammenarbeit mit der norwegischen Regierung und anderen Partnern an unserem Standort in Brevik haben wir uns mit dem Bau einer viermal so großen Anlage zur CO2-Abscheidung in Schweden für ein noch deutlich ehrgeizigeres Projekt entschlossen,“ sagte Giv Brantenberg, General Manager von HeidelbergCement Northern Europe. Die Planung für die Anlage in Slite wird erheblich von den in Brevik gewonnenen Erfahrungen profitieren.