
Die AHK Norwegen, die norwegische Botschaft und Invest in Norway hatten den Gemeinschaftsstand organisiert und zu Matchmakings und Gesprächsrunden eingeladen.©BPN
Hannover, 21. April 2023. Was auch immer Norweger der Welt zu zeigen haben – auf Holz wollen sie dabei nicht verzichten. Auch in diesem Jahr zeigte ein großes Holzgerüst in Halle 13 schon von weitem, wo sich der Pavillon der norwegischen Unternehmen befindet. 15 Firmen präsentierten sich rund um den Bau. Damit war Norwegen der größte Aussteller der Fachausstellung Hydrogen+Fuel Cells EUROPE auf der Hannover Messe. Alles, was in der Wasserstoffbranche Rang und Namen hat, war vertreten. An Norwegen soll beim Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur in Europa kein Unternehmen und keine Regierung vorbeikommen.
Norwegen hat bereits im Juni 2020 eine Wasserstoff-Strategie vorgelegt. Das war nicht der große Wurf, gab aber den Auftakt zur Förderung einzelner Pilot- und Demonstrationsprojekte, damit diese zur Entwicklung und Vermarktung von Technologien beitragen. Zu diesem Zeitpunkt waren die ersten norwegischen Unternehmen schon über die Phase der Prototypen und Tests hinaus. Einzelne Unternehmen wie zum Beispiel der Hersteller von Elektrolyseuren Nel ASA boten bereits spezielle Technologien und Produkte an. Die norwegische Wasserstoffstrategie enthielt keine konkreten Maßnahmen für internationale Partnerschaften. Dafür stellte die AHK Norwegen schon 2020 in einem Positionspapier klar, wer die bevorzugten Partner für norwegische und für deutsche Unternehmen beim Aufbau einer Wertschöpfungskette für Wasserstoff sein sollten.
Inzwischen hat dieses Thema Eingang in verschiedene deutsch-norwegische politische Erklärungen gefunden. Während des Besuchs von Wirtschaftsminister Robert Habeck in Oslo Anfang dieses Jahres bekräftigten beide Seiten die gemeinsame Absicht, “bis 2030 eine großflächige Wasserstoffversorgung mit der notwendigen Infrastruktur von Norwegen nach Deutschland sicherzustellen”. Eine Machbarkeitsstudie wurde in Auftrag gegeben, um den groß angelegten Transport von Wasserstoff von Norwegen nach Deutschland zu bewerten. Sie sollte im Frühjahr erscheinen. Jetzt ist sie für den Sommer angekündigt.
Norwegischer Wasserstoff ist in Deutschland erwünscht – wenn er denn zur Verfügung steht. Die weltweit erste Wasserstofffähre, die kürzlich in Norwegen in Betrieb genommen wurde, wird aus Deutschland beliefert. Flüssiger Wasserstoff wird nur in Deutschland und Frankreich produziert. Schon bald soll eine zweite Fähre auf norwegischen Fjorden schippern. Woher der Wasserstoff kommt ist noch unklar.

Teilnehmer aus Norwegen zum Matchmaking, v.r.: Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer und Andreas Bjelland Eriksen, Staatssekretär im norwegischen Energieministerium©BPNV
Zum Matchmaking mit niedersächsischen Unternehmen und während einer Gesprächsrunde deutscher und norwegischer Unternehmer und Politiker wurde klar, dass noch viel Wasser von norwegischen Bergen herabfließen wird, bis norwegischer Wasserstoff zu Dekarbonisierung der Industrie, insbesondere grüner Wasserstoff, tatsächlich deutschen Boden erreicht. Andreas Bjelland Eriksen, Staatssekretär im norwegischen Energieministerium, sieht als konkreteste Maßnahme für die deutsch-norwegische Partnerschaft im Bereich Wasserstoff den Bau einer Wasserstoff-Pipeline. Ingeborg Telnes Wilhelmsen, Generalsekretärin des Norwegen Hydrogen Forum, wies darauf hin, dass den jetzt bestehenden Erdgas-Pipelines bereits 20 Prozent Wasserstoff beigemischt werden kann. Auch kämen sie vollständig für den Transport von Wasserstoff infrage. Eine eigene Pipeline für Wasserstoff sei natürlich die beste Lösung, so Wilhelmsen. 30 Unternehmen hätten bereits Interesse an der Nutzung einer solchen Verbindung gezeigt. “Viele Firmen wollen investieren”, sagte Wilhelmsen. Aber es bestehe viel Unsicherheit bezüglich des Marktes und der Preise.

Teilnehmer des Matchmaking aus Niedersachsen.©BPN
Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Liese unterstrich, dass Norwegen eine wichtige Rolle als Partner beim Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur spielen werde. Während in Halle 13 die deutschen und norwegischen Manager miteinander diskutierten, übergaben Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil der Salzgitter AG den Förderbescheid über eine Milliarde Euro für das Transformationsprogramm SALCOS® – Salzgitter Low CO2 Steelmaking.
Einen Tag zuvor hatten die Salzgitter AG und das Energieunternehmen VNG, Leipzig, vereinbart, gemeinsam eine Studie zu Wasserstoffversorgungsoptionen für den Industriestandort Salzgitter zu erstellen. In die Analyse sollen neben der Anbindung an ein Wasserstoffnetz – so es vorhanden sein wird – Optionen einer Elektrolyse am Standort und eine Versorgung über nicht-leitungsgebundene Wasserstoffderivate wie Ammoniak oder Methanol (z.B. über den Schienenverkehr) einbezogen werden. Welche Rolle Norwegen in diesem Projekt spielen wird, ist noch unklar. Die Unternehmen bringen sich aber bereits in Position. Im Mai wird Ministerpräsident Stephan Weil mit einer Unternehmerdelegation nach Norwegen reisen. Norwegische Unternehmen erhoffen sich dann mehr Klarheit. Jon Hansen, Ministerrat und Leiter des Bereiches Wirtschafts- und Industrieförderung der norwegischen Botschaft in Berlin, unterstrich die gute Partnerschaft mit Niedersachsen, das sich zum Hub für Erneuerbare Energien in Deutschland und Europa entwickeln will. Er nannte auch die Herausforderungen, denen beide Länder beim Aufbau einer Wertschöpfungskette gegenüberstehen: Ganz oben stünden die Etablierung eines Marktes und die Schaffung regulatorische Rahmenbedingungen.
Trotz aller Schwierigkeiten sind norwegische Unternehmen fleißig dabei, Teile einer Wasserstoff-Infrastruktur Stück für Stück zusammenzusetzen – nicht nur mit Deutschland als künftigen Markt im Blick. TECO 2030 ASA mit Hauptsitz in Lysaker präsentierte in Hannover “Europas erste Giga-Fabrik für Brennstoffzellen-Motoren für die Produktion von Marine-Wasserstoff-Technologien in Narvik. Im Dezember 2022 hat das Unternehmen, das mehrheitlich der TECO-Group gehört, eine Vereinbarung mit der thyssenkrupp Automation Engineering GmbH zur Lieferung der Ausrüstung für die Brennstoffzellen-Produktionslinie unterzeichnet. Im Mai dieses Jahres soll die Produktion im kleinen, manuellen Maßstab starten und bis 2025 eine Jahresleistung von 400 MW und bis 2030 eine Jahresleistung von 1.600 MW Brennstoffzellen erreichen. Für ein Demonstrationsprojekt HyEkoTank für die Entwicklung einer Containerlösung mit sechs 400-kW-Brennstoffzellenmodulen, das gemeinsam mit dem Energiekonzern Shell umgesetzt wird, erhielt das Unternehmen im Februar 2023 aus dem EU-Fördertopf Horizon Europe fünf Millionen Euro.
Im großen Maßstab will auch das Cluster Powered by Telemark in die Wasserstoff-Wertschöpfungskette einsteigen. Im Industriepark Herøya sind zahlreiche Unternehmen angesiedelt, die sich mit den verschiedenen Facetten der Wasserstoff-Produktion beschäftigen. Auf dem Messestand warben Asgeir Knutsen, Business Development Manager, und Arne Nicander, Projektdirektor, für ihre 25-MW-Testanlage rund um den Wasserstoff, die gegenwärtig im Industriepark entsteht. Im Dezember vergangenen Jahres kam der weltweit größte Elektrolyseur in Industriepark an, um getestet zu werden. Er war von HydrogenPro in Tianjin, China, hergestellt worden, hat einen Durchmesser von über zwei Metern und ein Nettogewicht von über 80 Tonnen. Er ist für einen HydrogenPro-Kunden in Utah (USA) bestimmt, wo er in einer Produktionsanlage eingesetzt wird, die aus erneuerbarer Überschussenergie grünen Wasserstoff herstellt.
Von der Messeteilnahme erhofften sich Asgeir Knutsen und Arne Nicander neue Kunden, die Anlagen und Technologien im Bereich Wasserstoff testen müssen, aber auch neue Partner. Mit einem Partnerunternehmen in der EU könne man auch EU-Fördergelder erhalten, erklärt Knutsen – auch das ein starkes Argument für eine deutsch-norwegische Zusammenarbeit. Jutta Falkner