
Oslo, September 2021. Norwegisches Know-how wird maßgeblich dazu beitragen, die grüne Wasserstoff-Revolution im maritimen Sektor Wirklichkeit werden zu lassen.
Große Seeschiffe wie Fracht- und Kreuzfahrtschiffe werden traditionell mit Schweröl und anderen umweltschädlichen Kraftstoffen betrieben. Daran hat sich in den vergangenen Jahren nichts geändert – im Gegenteil: Die Entwicklung geht in die falsche Richtung. Die Treibhausgasemissionen der Schifffahrtsindustrie stiegen von 2012 bis 2018 um fast zehn Prozent und machten 2019 fast drei Prozent der weltweiten Gesamtemissionen aus. Darüber hinaus ist die Industrie ein großer Emittent von schwarzen Rußpartikeln, die zum Schmelzen des arktischen Meereises beitragen. Das wiederum beschleunigt die globale Erwärmung.
Die Emissionen des maritimen Sektors lassen sich jedoch sehr schwer reduzieren. Während der Landverkehr in großem Umfang elektrifiziert werden kann, sind viele Seeschiffe zu groß und müssen zu weite Strecken zurücklegen, um mit der aktuell verfügbaren Batterietechnologie betrieben werden zu können. Grüner Wasserstoff ist die einzige Möglichkeit, die Emissionen im maritimen Sektor auf Null zu senken.
Beide Seiten müssen befriedigt werden: das Angebot und die Nachfrage nach maritimem Wasserstoff
Als Heimat einer der größten Fischerei- und Aquakulturindustrien der Welt sowie einer beachtlichen Handelsflotte ist und war Norwegen schon immer eine Meeresnation. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass das Land bereits erste Schritte zur Dekarbonisierung seines maritimen Sektors unternommen hat. So sollen alle 200 Fähren, die gegenwärtig die norwegischen Fjorde überqueren, bis 2025 emissionsfrei sein. Die erste mit Wasserstoff betriebene Fähre soll im nächsten Jahr ihren Betrieb aufnehmen.
Ingunn Øvereng Iveland, Business Developer bei Norwegian Hydrogen, sieht in der Umstellung des Fährbetriebes den Katalysator für eine Wasserstoff-Transformation auf See. „Batteriebetriebene Fähren und Boote können in einigen Teilen Norwegens nicht eingesetzt werden, weil die Fahrtstrecken zu lang sind und auch das Stromnetz nicht überall die notwendige Leistung bietet. Mit Wasserstoff betriebene Schiffe sind jedoch die perfekte Lösung für diese Herausforderung“,erklärt Iveland.
Der von Norwegian Hydrogen betriebene Hellesylt Hydrogen Hub entwickelt und implementiert derzeit eine komplette Infrastruktur für grünen komprimierten Wasserstoff an der Nordwestküste Norwegens. Dies wird den Übergang zu emissionsfreien, wasserstoffbetriebenen Fähren, Kreuzfahrtschiffen, Schnellbooten und anderen Verkehrsträgern in der Region ermöglichen.
Allerdings hätten Wasserstoff-Projekte in der Regel ein Henne-Ei-Problem, erklärt Iveland. Reeder verlangen vor dem Bau der Schiffe eine funktionierende Wasserstoffinfrastruktur – die Errichter der Wasserstoffinfrastrukur brauchen die Reeder als Kunden, bevor sie investieren. Iveland glaubt, dass das Konsortium Hellesylt Hydrogen Hub einen Weg gefunden hat, dieses Paradoxon zu lösen. Mit einem Pilotprojekt will Hellesylt Hydrogen Hub unter anderem Wasserstoff für Fähren und Kreuzfahrtschiffe zuliefern, die in den Geirangerfjord einfahren. Der Wasserstoff wird vor Ort in Hellesylt mit dem Strom erzeugt, den das dortige Wasserkraftwerk erzeugt. Das Projekt startete im Januar 2020 und soll bis 2023 grünen Wasserstoff herstellen, unter anderem für die Fähren auf der Strecke Hellesylt-Geiranger, die durch den Geirangerfjord fahren.
„Neben der lokalen Elektrolyse, die grünen Wasserstoff liefert, arbeiten wir bei dem Projekt eng mit mehreren Akteuren zusammen, die planen, Schiffe und Fahrzeuge mit Wasserstoff zu betreiben. Da diese Vorhaben zeitgleich umgesetzt werden, sind sowohl der Aufbau der Infrastruktur gesichert als auch ein ständiger Zuwachs der Zahl der Schiffe, die Wasserstoff nutzen. Damit kann die Henne-Ei-Diskussion überwunden werden.“
Der Geirangerfjord ist UNESCO-Weltkulturerbe und ein sehr beliebtes Touristenziel. Derzeit sind Dieselfähren für fast ein Drittel der Luftverschmutzung der Region in Form von CO₂-, NOₓ- und SOₓ-Emissionen verantwortlich. Zwar schreite das Projekt voran, aber die Wasserstoff-Expertin sieht auch noch einige Hürden. „Eine verbleibende Herausforderung besteht darin, dass die entsprechenden Regeln und Vorschriften für wasserstoffbetriebene Schiffe noch nicht zu einhundert Prozent in Kraft sind.” Aber auch hier gebe es Bewegung.

Weltweit führendes Know-how bei maritimer Sicherheit
Im Gegensatz zu landgestützten Wasserstoff-Anwendungen für Fahrzeuge gibt es für die sichere Nutzung von Wasserstoff auf See noch keine internationalen Vorschriften. Das zum Antrieb von Schiffen benötigte Wasserstoffvolumen ist um ein Vielfaches größer als bei Landfahrzeugen und ein möglicher Unfall könnte weitreichende Folgen haben. Dieser Mangel an Vorschriften ist eines der Haupthindernisse für die Einführung von Wasserstoff in großem Maßstab, da die Schiffsbauer Klarheit benötigen, bevor sie sich auf eine neue Technologie festlegen.
Glücklicherweise werden jetzt Fortschritte in diesem Bereich gemacht – wieder mit einem norwegischen Akteur an der Spitze. „Aufgrund der Eigenschaften von Wasserstoff müssen wir beim Einsatz auf Schiffen mehr und andere Sicherheitsmaßnahmen ergreifen als auf Schiffen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Wir sind aber auf einem guten Weg”, erklärt Asmund Huser, Senior Principle Specialist der Zertifizierungs- und Klassifizierungsgesellschaft DNV.
DNV mit Hauptsitz in Oslo und Niederlassungen rund um den Globus ist die weltweit führende Klassifikationsgesellschaft, ein wichtiger Berater der maritimen Industrie und ein zentraler Akteur bei der Bewertung von Risikomanagement und Sicherheitsverfahren für die Anwendung von Wasserstoff in der Branche.
Ein Problem besteht bisher darin, dass nicht genügend Schiffe zur Verfügung stehen, um die Verfahren und die Technologie entsprechend zu entwickeln und zu testen. Aber die Situation ändert sich. DNV hat bereits ein Handbuch erstellt, „The Handbook for Hydrogen Fueled Vehicles“, das einen risikobasierten und effizienten Weg zur Zulassung von wasserstoffbetriebenen Schiffen skizziert.
„Wir sind derzeit an der Zulassung der weltweit ersten Wasserstoff-Autofähre beteiligt, bei der durch Modellierung und Erprobung nachgewiesen wird, dass die Sicherheitsverfahren und die Technik funktionieren. Außerdem haben wir mehrere weitere Schiffskonzepte auf dem Reißbrett“, erklärt Huser. “Mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen können Wasserstoff-Schiffe genauso sicher sein wie die heute existierenden Schiffe.“

Norwegisches Know-how und Geologie ermöglichen Wasserstoff-Speicherung
Trotz ihrer negativen Umweltauswirkungen besteht ein Vorteil fossiler Brennstoffe darin, dass man mit ihnen schnell auf den Energiebedarf reagieren kann: Die Förderung aus den riesigen unterirdischen Lagerstätten kann entsprechend der Nachfrage gesteigert oder verringert werden. Wasserstoff hingegen muss produziert und gespeichert werden. Mit zunehmender Produktion werden für die Lagerung immer komplexere und teurere Sicherheitsmaßnahmen erforderlich. Eine sichere und zugängliche Speicherung auf dem Niveau der heutigen fossilen Brennstoffe ist daher zentrale Herausforderung für einen breiten Einsatz von Wasserstoff.
Experten des Norwegischen Forschungszentrums (NORCE), einem führenden Forschungsinstitut mit Spezialisierung auf Energie, Klima und Technologie, glauben, dass Norwegens einzigartige Expertise und die Meeresgeologie auf dem norwegischen Festlandsockel dazu beitragen können, dieses Problem zu lösen. „Es führt kein Weg an der Tatsache vorbei, dass wir viel Wasserstoff brauchen werden, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Aber sobald man über Wasserstoff-Speicherung in Größenordnungen von Hunderten von Kubikmetern spricht, stößt man bei konventionellen Speicherlösungen auf gravierende technische und sicherheitstechnische Probleme“, erklärt Nicole Dopffel, Senior Researcher bei NORCE. „Mit dem norwegischen Festlandsockel haben wir jedoch einen sicheren Speicher, der potenziell einsatzbereit ist.“
Die von NORCE durchgeführte Forschung zielt darauf ab, in nicht allzu ferner Zukunft ein Energiesystem zu etablieren, das Offshore-Windenergie und Elektrolyseure vor Ort nutzt, um kontinuierlich grünen Wasserstoff zu produzieren, der dann in Unterwasserformationen gespeichert wird.
Diese Speicherformationen können dann je nach Wasserstoffbedarf angezapft werden. Dies würde die gleiche Speichersicherheit und den gleichen Komfort bieten wie heutige fossile Brennstoffe, wobei ein Großteil der bereits in Norwegen vorhandenen Infrastruktur genutzt werden könnte. „Mit Hilfe bewährter Technologie in den Salzkavernen und porösen Formationen des norwegischen Festlandsockels untersuchen wir Wasserstoffspeicher in einer Größenordnung von Millionen Kubikmetern“, sagt Nicole Dopffel, Senior Researcher bei NORCE. „Dies ist im Wesentlichen die einzige Möglichkeit, die riesigen Mengen an Wasserstoff, die für die Erfüllung des Pariser Abkommens erforderlich sind, sicher und zugänglich zu speichern.“
Globale Wasserstoff-Wirtschaft benötigt norwegisches, maritimes Know-how
Mit einer grünen Wasserstoff-Revolution am Horizont wird Norwegens maritimes Know-how zunehmend nachgefragt. „Unser Wettbewerbsvorteil liegt darin, dass wir immer mehr Unternehmen eine Infrastruktur anbieten können, sei es im Seeverkehr, im Tourismus oder in der Aquakultur“, sagt Ingunn Øvereng Iveland von Norwegian Hydrogen.
„Unser Ziel ist es, unser Geschäft zu skalieren und dadurch unsere Lösungen und grünen komprimierten Wasserstoff in andere Märkte zu exportieren.“ Asmund Huser von DNV erwartet, dass die Arbeit seines Unternehmens zur Wasserstoff-Sicherheit die Grundlage für ein umfassendes Regelwerk sein wird, das schließlich von der International Maritime Organization (IMO) verabschiedet wird. Er ist überzeugt, dass sich DNV in diesem Bereich weiter stark engagieren wird.
„In Norwegen haben wir viel Erfahrung mit der Sicherheit der Gastechnik und dem Umgang mit Explosionsrisiken aus der Öl- und Gasindustrie gesammelt. Diese Erfahrungen lassen sich gut auf den Wasserstoff übertragen. Dementsprechend wird unsere Expertise weiterhin stark nachgefragt werden – umso mehr, wenn grüner Offshore-Wasserstoff auf die Agenda kommt.“
Auch Nicole Dopffel von NORCE geht davon aus, dass Norwegens Zukunft im Bereich des maritimen Wasserstoffs vielversprechend ist. Energie, Gas, maritimes Know-how und Infrastruktur – maritimer Wasserstoff baue perfekt auf Norwegens Kompetenz auf. „Norwegen IST Offshore“, so Dopffel.
Wenn Sie mehr über die Geschäftsmöglichkeiten im Bereich Wasserstoff in Norwegen erfahren wollen, wenden Sie sich an Innovation Norway.
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Gerda Geyer Senior Advisor, Innovation Norway
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