Interview mit Manuel Kliese, Direktor Deutschland, Schweiz und Österreich von Innovation Norway

Am 23. März unterzeichnete Norwegen mit den deutschen Beschaffungsorganisationen sowie der Werft ThyssenKrupp Marine Systems (tkms) die Vereinbarung über den gemeinsamen Kauf neuer, identischer U-Boote und den gemeinsamen Erwerb von Raketen sowie die gemeinsame Entwicklung der Future Naval Strike Missile. Eine umfangreiche deutsch-norwegische Industriekooperation ist Teil der Vereinbarung. BusinessPortal Norwegen sprach mit Manuel Kliese, Direktor Deutschland, Schweiz und Österreich von Innovation Norway, über das Projekt.
Herr Kliese, nach langjährigen Verhandlungen ist der deutsch-norwegische U-Boot-Deal nun unter Dach und Fach. Die Parlamente müssen noch zustimmen, im Sommer soll der Vertrag zwischen den Beschaffungsorganisationen und ThyssenKrupp Marine Systems( tkMS) unterzeichnet werden. Im November 2018 hatte das Unternehmen ein erstes Angebot bei den norwegischen und deutschen Beschaffungsämtern eingereicht. Warum haben die Verhandlungen so lange gedauert?
Betrachtet man die Komplexität des Vertrages, sind zweieinhalb Jahre keine so lange Zeit. Es geht schließlich um einen Lieferumfang von fast 4,5 Milliarden Euro. Der Vertrag beinhaltet die Entwicklung, den Bau und die Wartung von sechs identischen U-Booten, die Entwicklung und den Bau von Raketen und Raketensystemen und – das ist das Außergewöhnliche an diesem Vertrag – eine umfangreiche industrielle Kooperation.
Was heißt das genau?
Bei einem solch großen Auftrag wollte Norwegen von Anfang an nicht nur der Empfänger modernster Militärtechnik sein, sondern auch Nutzen für die eigene Industrie daraus ziehen. Ziel war es, kleine und mittlere Unternehmen in Norwegen in das Projekt einzubeziehen, um deren High-Tech-Kompetenzen und Exportpotenzial zu erhöhen. Konkret heißt das, dass sich Norwegen den Rückfluss der gesamten Summe von 4,5 Milliarden Euro zu einhundert Prozent in Form von Exporten gesichert hat. Letztlich war dieses Kompensationsgeschäft, das die Regierungen schon 2017 vereinbart haben, ausschlaggebend für die Vergabe des Auftrags an Deutschland.
Das heißt, die gesamte Kaufsumme von 4,4 Milliarden Euro fließt vollständig nach Norwegen zurück?
Ja, das ist der Plan: Das norwegische Parlament Storting hatte verlangt, dass die industrielle Zusammenarbeit beim U-Boot-Projekt dem Wert des Vertrags entsprechen und der Technologietransfer vor dem Abschluss des Vertrags sichergestellt sein muss.
Während der deutsch-norwegischen Kooperation beim Bau der Ula-U-Boote in den 1980er und 1990er Jahren war das nämlich nicht geschehen ist. Damals hat Norwegen einen Vertrag über den Kauf von U-Booten ohne ein so umfassendes verbindliches Abkommen über die industrielle Zusammenarbeit geschlossen. Weder erwartete wirtschaftliche Gewinne noch andere positive Effekte der Kooperation wurden wie vorgesehen realisiert. Daraus hat Norwegen gelernt und die Verhandlungen in der richtigen Reihenfolge geführt, nämlich erst die Vereinbarungen über die industrielle Zusammenarbeit abgeschlossen und dann den U-Boot-Liefervertrag.
Welche Firmen sind an dieser Industriekooperation beteiligt?
Der norwegische Technologiekonzern Kongsberg Gruppe und der Hersteller von Verteidigungsgütern Nammo AS sind die größten Partner für die deutsche Industrie. Daneben werden zahlreiche kleine und mittelständische Firmen in das Projekt eingebunden. In einer ersten Runde wurden knapp 300 norwegische Unternehmen ausgesucht. Nach einem gründlichen Check, ob sie den Anforderungen gerecht werden, sind nun circa 40 bis 60 Unternehmen als Lieferanten direkt oder indirekt in den U-Boot- und Raketenbau involviert. Die genaue Anzahl ermittelt sich im weiteren, langfristigen Projektverlauf. Allerdings handelt es sich nicht um eine einfaches Offset-Verpflichtung, wie das ja im Militärbereich sonst nicht unüblich ist. Diese Form der Zusammenarbeit soll vor allem für Norwegen ein Game Changer werden. Die Anforderungen zur Abnahme von Gütern und Dienstleistungen, die im Rüstungskontext funktionieren sollen, sind hoch. Wenn sich norwegische Unternehmen als Zulieferer im Militärbereich qualifizieren und zertifizieren lassen, ist das sozusagen ein Ritterschlag. Wer für so ein Projekt nach Deutschland liefern kann, dessen Produkte werden weltweit anerkannt – nicht nur im Militärbereich. Das ist eine wichtige Referenz.
Wie wollen die norwegischen Firmen diese Hürden nehmen?
Hier kommt zum Beispiel die Wirtschaftsförderagentur Innovation Norway ins Spiel. Wir haben seit 2017 als Teil des Team Norway gemeinsam mit der Norwegischen Botschaft und der Interessenorganisation für die Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie FSI und auch der AHK auf der deutschen Seite kleine und mittelständische norwegische Unternehmen unterstützt, die das entsprechende Potenzial als Zulieferer besitzen. Sie wurden nun entsprechend geschult, gezielt beraten und haben zum Teil auch Finanzierungen erhalten, um so schnell wie möglich die erforderlichen Qualitätskriterien zu erreichen und in dem Kontext der industriellen Zusammenarbeit funktionieren zu können und damit die norwegischen Exporte nach Deutschland zu sichern. Auch die Begleitung deutscher Investitionen in Norwegen im Zuge dieser industriellen Zusammenarbeit fällt darunter. Die deutsch-norwegische Zusammenarbeit wird mit dieser einmaligen Industriekooperation auf eine völlig neue Stufe gehoben.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Jutta Falkner.