Schlechte Noten für Norwegens Exportförderung

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Oslo, 12. August 2020. Ein Bericht über den Zustand der norwegischen Exportwirtschaft bewegt in Norwegen die Gemüter. Die von der Consulting-Firma Menon Economics im Auftrag der Kreditversicherung Eksportkreditt erstellte Analyse stellt fest: “Kaum ein OECD-Land hat in den letzten 25 Jahren eine schwächere Exportentwicklung verzeichnet als Norwegen.” Während Schweden und Dänemark den Anteil der Exporte am BIP seit der Finanzkrise erhöhen konnten, ist das in Norwegen nicht gelungen.

Der Bericht untersucht die wichtigsten Förderinstrumente der norwegischen Exportwirtschaft und die Entwicklung der Exporte im Vergleich zu anderen nordeuropäischen Ländern, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf Schweden und Dänemark liegt.

Um ein hohes Wachstum aufrechtzuerhalten, müssten Exportunternehmen ihren Fokus zunehmend von bekannten und gut regulierte Märkte im Westen zu unsichereren und weniger regulierten Märkten im Osten und Süden verlagern. Gegenwärtig gehen die Exporte Norwegens zu 77 Prozent in die EU/EWR-Länder. 

Dänemark und Schweden hätten aus den veränderten globalen Bedingungen die Konsequenzen gezogen und ihre Exportförderaktivität im Zuge der Finanzkrise erheblich verändert. Die Länder hätten die Notwendigkeit eines Wandels erkannt, um die Exporte in Märkte mit stärkerem Wachstum, aber schwierigeren Marktbedingungen zu steigern.

Der Bericht enthält unter anderem Interviews mit 30 Akteuren, die alle daran mitwirken, die Exportinteressen des Landes zu fördern. Sie wurden gebeten, die in Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland, dem Vereinigten Königreich, Deutschland und den Niederlanden unternommenen Anstrengungen zur internationalen Förderung ihres eigenen Geschäfts zu bewerten. Norwegen liegt auf dem letzten Platz. Auf einer Skala von 1 bis 6 (wobei 6 am besten ist) erhält Norwegen eine Durchschnittsnote von 2,2. Die anderen Länder liegen zwischen 4,1 und 4,8. Dänemark liegt mit 4,8 an der Spitze, Schweden erreicht 4,3. Dies spiegele sowohl die schwache als auch die kritische Entwicklung Norwegens im Vergleich zu den Nachbarländern wider.

Das deutlich schwächere Ranking Norwegens gegenüber Schweden und Dänemark führen die Befragten auf folgende Faktoren zurück:
1) Viele verschiedene Exportförderungsorganisationen mit überlappenden Mandaten;
2) Offensichtlich geringere politische Priorisierung der Exportförderung, insbesondere im Außenministerium;
3) Zu schwache Verzahnung auf Botschaftsebene und zu geringe Nutzung der Möglichkeiten einer Vernetzung mit den Botschaften;
4) Weniger umfangreiche Finanzierungsprogramme für Exporte, insbesondere im Zusammenhang mit dem Aufbau von Skalierungskapazitäten für den Export;
5) Zu schwache Kompetenz in der Business-Entwicklung und Skalierung. Die Ergebnisse der Bereichsüberprüfung bestätigen eine schwache Kompetenz insbesondere bei Innovation Norway.

Eine mangelnde Proaktivität sieht der Bericht darin, dass Norwegens Gesamtstrategie für die Exportförderung weniger richtungsweisend und verbindlich und in geringerem Maße als dänische und schwedische Strategien auf bestimmte Instrumente und bestimmte geografische Märkte ausgerichtet ist.

“Norwegen wird an allen Punkten geschlachtet”, betitelt die Plattform Børsen einen Artikel zum Menon-Bericht. “Der Menon-Bericht ist nicht gnädig, wenn es um Instrumente und politische Maßnahmen geht. Der Bericht scheint ein direktes Gemetzel der Bemühungen Norwegens zu sein, den Export norwegischer Waren zu fördern”, heißt es in dem Artikel.

“Norwegen scheint in diesem Bereich ein Entwicklungsland zu sein”, erklärt der wirtschaftspolitische Sprecher der Labour Party, Terje Aasland gegenüber Børsen. “Der Bericht zeichnet ein Bild einer dramatischen Situation. Es ist lange her, dass ich etwas so Trostloses gelesen habe. Wir sind nicht in der Lage, die norwegische Geschäftswelt international zu fördern. Es stellt uns vor große Herausforderungen in einer Zeit, in der wir uns von Öl und Gas anpassen müssen….Wir sind nicht nur ölabhängig geworden, wir sind auch ölfaul geworden. Und mit jedem Tag riskieren wir, Chancen zu verlieren. Dies gilt insbesondere für die aufstrebenden Märkte in Asien.“

Otto Søberg, CEO von Eksportkreditt, hält den Bericht für alarmierend. “Es besteht eindeutig die Notwendigkeit einer scharfen Kursänderung. Norwegen braucht eine klare und konkrete Strategie, wie wir mit der zukünftigen Geschäfts- und Exportentwicklung erfolgreich sein können. Ab Mitte der 2020er Jahre werden die Einnahmen aus Öl und Gas voraussichtlich sinken. Also wird es eng”, so Søberg.

Norwegens Exporte hatten 2019 ein Volumen von rund 1.300 Milliarden NOK. Davon entfielen knapp 500 Milliarden NOK auf Exporte von
Öl und Gas, rund 450 Milliarden auf Warenexporte rund 400 Milliarden auf Dienstleistungen. In Norwegen wie in in fast allen OECD-Ländern nehmen die Dienstleistungsexporte am stärksten zu.
Gleichzeitig konzentrieren sich die norwegischen Exporte auf einige wenige Branchen. 66 Prozent der Exporte sind mit dem maritimen Bereich verbunden: Öl und Gas, Schiffbau, Zulieferindustrie sowie sowie Aquakultur. Die Exporte konzentrieren sich nicht nur auf einige wenige Branchen, sondern auch auf die größten Unternehmen. In Norwegen realisiert ein Prozent der Unternehmen 70 Prozent der Exporte (ohne Öl und Gas). Dies liegt weit über dem globalen Durchschnitt von 56 Prozent und ist vielleicht der höchste der Welt., heißt es im Menon-Bericht. In der maritimen und Offshore-Zulieferindustrie, Norwegens zweitwichtigster Exportindustrie, machen die fünf größten Exporteure 40 Prozent des Exportwerts aus. In der Gesundheitsbranche tätigen die 15 größten Unternehmen 92 Prozent der norwegischen Exporte.

Die Öl- und Gasindustrie hat in den letzten Jahrzehnten die norwegischen Exporte dominiert. Im vergangenen Jahr machten die gesamten norwegischen Exporte 37 Prozent des norwegischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus, die Exporte ohne Öl und Gas 28 Prozent des BIP. Im Vergleich dazu beträgt der Exportanteil in Schweden und Deutschland 47 Prozent des BIP, in Dänemark 56 Prozent und in den Niederlanden 80 Prozent.

Dem Bericht zufolge hat in den letzten 20 Jahren kein anderes OECD-Land und keine andere aufstrebende Volkswirtschaft größere Marktanteile auf den Exportmärkten verloren als Norwegen.

Die Auswirkungen der Corona-Krise und der Rückgang der Ölpreise würden exportorientierte Unternehmen besonders hart treffen. Um den Trend umzukehren, sollte Norwegen die Exportförderung und die Exportfinanzierung auf das Niveau der Konkurrenten bringen. Um wettbewerbsfähig zu sein, müssten die norwegischen Investitionen zukunftsorientierter sein und konkrete Ziele festgelegt werden.

Als Antwort auf die Frage, wie die Exportlücke des Landes geschlossen werden kann, geben die Autoren eher allgemeine Antworten: Durch ehrgeizigere und konkretere Ambitionen, gute Rahmenbedingungen und Finanzierungsmöglichkeiten wie in anderen Ländern, stärkere Nutzung der einzigartigen Positionen der Botschaften und eine Konsolidierung des Netzwerkes der Institutionen, die in die Exportförderung einbezogen sind.

Welche Rolle die norwegischen Unternehmen selbst zur Erhöhung der Exporte beitragen können, wird in dem Bericht nicht beleuchtet. Auch spielt keine Rolle, welche Ambitionen sie bei der Erschließung neuer Märkte haben (oder auch nicht). Ebenfalls unbeantwortet bleibt die Frage, wie Marketinginstrumente wie Messeteilnahmen oder Geschäftsreisen sowie die Selbstorganisation der norwegischen Wirtschaft auf Auslandsmärkten zur Exportförderung beitragen können. Insofern ist der Bericht der Menon Economics eine interessante Analyse der Ist-Situation der norwegischen Exportwirtschaft – brauchbare Antworten, wie die Exporte erhöht werden können, gibt er nicht. Jutta Falkner

Im Oktober will Norwegens Regierung einen Exportaktionsplan vorlegen.

Der Unternehmerverband NHO veröffentlichte im Mai “Zehn Ambitionen für Norwegen”, in denen unter anderem eine “Außenwirtschaft im Gleichgewicht” angemahnt wird. Gemeinsam mit 15 Partnern hat der Verband im Projekt “Grüne elektrische Wertschöpfungsketten” untersucht, wie das Tempo der exportorientierten Wertschöpfung innerhalb der Elektrifizierung erhöht werden kann. In der Studie wurden unter anderem sechs Bereiche mit 30 Möglichkeiten definiert, die hohes Exportpotenzial haben: Erneuerbare Energien, Offshore-Wind, Batterien, Wasserstoff, der Bau von Spezialschiffen, das Laden von Elektroautos und der Betrieb digitaler Stromversorgungssysteme.

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