
München, 6. Juli 2023. Wie kann norwegischer Wasserstoff dabei helfen, den Industriestandort Bayern mit klimafreundlicher und zugleich preiswerter Energie zu versorgen? Diese Frage stand im Mittelpunkt der jüngsten Veranstaltung des Skandinavisch-Baltischen Wirtschaftsforums SWIFOPlus, die am 6. Juli in München stattfand. Drei Keynotes gaben einen differenzierten und breiten Überblick zum Thema der Veranstaltung „Norwegen und Wasserstoff“. Als großzügige Gastgeberin hatte die BayWa AG in die 20. Etage der neu renovierten Zentrale am Arabellapark mit herrlichem Blick über die Landeshauptstadt eingeladen. Der norwegische Honorarkonsul Max Aschenbrenner und Peter Flierl, Leiter der Sparte Energie der BayWa AG, begrüßten die Teilnehmer. Der Konferenzraum war trotz besten Biergartenwetters und zahlreicher anderer „Konkurrenzveranstaltungen“ gut gefüllt. Spontan hatte sich sogar noch der Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern, Franz-Xaver Peteranderl, angemeldet.

Digital zugeschaltet war I. E. die norwegische Botschafterin Laila Stenseng. Klar und prägnant gab sie einen Überblick über die nun immer weiter zusammenwachsende Energiekooperation zwischen der Bundesrepublik und Norwegen, in der Wasserstoff zunehmend eine wichtige Rolle spielen wird. Dabei machte sie deutlich, welche Bedeutung sie dem Ausbau und der Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen zum wirtschaftlich starken Süddeutschland und damit zum weißblauen Freistaat innerhalb des deutsch-norwegischen Wirtschaftsverkehrs beimisst. Ihre charmante bayerische Sprachfärbung verriet zudem ihre enge persönliche Beziehung zu Bayern.
Von bayerischer Seite sprach zunächst Prof. Oliver Mayer, Leiter Energie und Cluster Energietechnik bei Bayern innovativ, der Bayerischen Gesellschaft für Innovation und Wissenstransfer. Mit seinem Beitrag „Technische und energiesystemische Perspektiven von Wasserstoff“ verschaffte er der Diskussion zunächst das Fundament an naturwissenschaftlichen und wirtschaftlichen Basisfakten. Mitreißend lebhaft führte er in die Thematik mit der Darstellung der Entwicklung ausgewählter Energieträger nach dem sogenannten Gartner Hype Cycle ein. Mit dieser Methode lässt sich ein „Hype“ im Sinn kühner Versprechungen über neue Technologien von dem unterscheiden, was kommerziell machbar ist. Technische Auslöser führen über einen „Gipfel überzogener Erwartungen“ in das „Tal der Enttäuschungen“ und münden schließlich in ein „Plateau der Produktivität“. Nach diesem Raster erläuterte er die Vor- und Nachteile der verschiedenen Transportmöglichkeiten von Wasserstoff, seine stoffliche Nutzung, die Eigenschaft von Wasserstoff als Energieträger und Fragen der Nachhaltigkeit.

Sein realistisches Fazit: Industrie ohne fossile Energien benötigt zwingend Wasserstoff. Dieser ist jedoch eine Energieform mit einem relativ geringen Wirkungsgrad und daher nicht unbedingt billig. Entscheidend ist dabei, den Wasserstoff nicht isoliert zu betrachten, sondern das Gesamtsystem und damit auch die Einflussfaktoren in der gesamten Energiekette im Blick zu behalten. Geeignet ist Wasserstoff also, weil insofern ohne Konkurrenz, bei der stofflichen Verwertung. Ebenso als Stromspeicher für die „Dunkelflaute“. Dagegen eignet er sich im Verkehr, und hier namentlich bei Pkws, eher nicht. Er ist in der Wärmeversorgung unverzichtbar für Hochtemperaturprozesse in der Industrie, hingegen weniger für Gebäudewärme.
Dies ergänzte Dr. Fabian Pfaffenberger, Geschäftsführer des Zentrum Wasserstoff.Bayern (H2.B). Das bayerische Wasserstoffzentrum soll als verlängerter Arm des Bayerischen Wirtschaftsministeriums die künftige Etablierung der Wasserstofftechnologie im Freistaat vorantreiben. In seinen Ausführungen „Potenziale einer norwegischer-bayerischen Wasserstoffkooperation“ gab der „Mister Wasserstoff von Bayern“ zunächst eine Einführung in die bayerische Wasserstoffstrategie. Diese sieht in diesem Energieträger einen wichtigen und unverzichtbaren Baustein des künftigen Energiesystems. Selbstversorgung wird zur Deckung des absehbar steigenden Bedarfs nicht ausreichen, Importe werden nicht zuletzt aus Norwegen folglich unumgänglich sein. Dazu wird die Wasserstofflogistik nach Bayern noch umfangreich ausgebaut werden müssen. Auf Bundesebene gibt es bereits eine strategische Energiekooperation mit Norwegen. Auf Landesebene läuft ein kontinuierlicher Austausch, zu dem unter anderem eine politischen Delegationsreise nach Oslo im Juni 2022 gehörte. Auf Operationsebene gibt es bereits eine strategische Kooperation zwischen dem bayerischen H2.B und dem Norsk Hydrogenforum. Im Januar 2023 besuchten Vertreter des Norsk Hydrogenforums die bayerische Hauptstadt, besichtigten Unternehmen und nahmen an einem Round Table in München statt. Eine entsprechende Delegationsreise aus Bayern nach Norwegen ist für das kommende Jahr geplant.

Die norwegische Perspektive der deutsch-norwegischen Zusammenarbeit im Bereich Wasserstoff erläuterte Michael Kern, Geschäftsführer der AHK Norwegen, der eigens zu dieser Veranstaltung nach München gereist war. Das Thema seines Vortrages lautete „Was kann Norwegen zur Wasserstoffversorgung vom Bayern beitragen (und was nicht)?-Ausblick auf Geschäftsmöglichkeiten“. Damit gab er spiegelbildlich einen Einblick, wie sich Norwegen auf das neue Thema Wasserstoff einstellt, in welchen Zeiträumen und Mengen realistischerweise geliefert werden kann und welche Geschäftsmöglichkeiten sich ergeben. Michael Kern zeigte plastisch und kenntnisreich das erhebliche Potenzial auf, das für Norwegen mittel-und langfristig in der Wasserstofftechnologie liegt. Mit gleicher Klarheit wies er aber auch Illusionen zurück, Norwegen könnte kurzfristig in erheblichen Umfang „grünen“ Wasserstoff nach Deutschland liefern. Norwegen benötigt regenerative Energie aus Wasser und Windkraft in zunehmendem Umfang für den eigenen Bedarf, Kapazitäten für die Gewinnung erneuerbarer Energien für den Export müssen erst noch zusätzlich geschaffen werden. Das wird mit Entwicklung und Installation einige Zeit dauern und erfordert aus norwegischer Sicht vor allem auch Planungssicherheit hinsichtlich der Abnahme solcher grüner Energie. Darüber hinaus wird sich die Frage stellen, ob es wirtschaftlicher ist, in der Zukunft klimaneutral erzeugte Energie als Molekül oder als Elektron zu exportieren. In beiden Fällen erfordere dies den weiteren Ausbau einer entsprechenden Infrastruktur, namentlich in Deutschland. Die Deutsch-Norwegische Handelskammer ist bekanntlich Dreh und Angelpunkt im bilateralen Wirtschaftsverkehr. Michael Kern konnte an vielen Beispielen zeigen, in welch dichter Folge sich deutsche Politiker und Wirtschaftsvertreter in Norwegen die Klinke in die Hand geben, um sich über norwegische Wasserstoffprojekte zu informieren.
Die BayWa präsentierte sich abschließend noch mit einem eigenen Wasserstoffprojekt. Als Mitgesellschafterin der Hy2 B Wasserstoff GmbH baut sie eine Wasserstoff-Entsorgungsanlage in Pfeffenhausen in der Nähe von München auf. Bei dem Projekt, vorgestellt von Lennard Radtke, wird gerade ein 5 MW Elektrolyseur errichtet, der zwei Tankstellen betreiben wird, die ab dem vierten Quartal 2025 Busse des ÖPVN versorgen sollen.
Alle Referenten des Abends stellten sich abschließend vom Podium aus noch den vielen Fragen aus dem Publikum. Die Initiatoren des SWIFOPlus bedanken sich bei den Referenten für die spannenden Beiträge und in gleicher Weise auch für die Gastfreundschaft der BayWa.
Der Abend klang – kulinarisch bestens versorgt – mit vielen Gesprächen der Teilnehmer untereinander aus. Auch das eine oder andere konkrete Projekt wurde besprochen, was der Kernidee des skandinavischen baltischen Wirtschaftsforums entspricht. Das SWIFO wurde vor über zehn Jahren aus einer gemeinsamen Initiative der nordischen Konsulate in Bayern entwickelt und später um die baltischen Länder verstärkt. SWIFOPlus versteht sich als Brückenbauer zwischen dem Freistaat Bayern und dem Norden.
Die nächste Veranstaltung wird im November 2023 stattfinden sich voraussichtlich mit dem Thema „Cyber Security“ befassen.
Max Aschenbrenner, Königlich Norwegischer Honorarkonsul für Bayern
Finden Sie hier weitere Informationen zum SWIFOPlus, unter anderem von der Veranstaltung „Zeitenwende“ mit General Dr. Naumann im März 2023.