Die Heilsarmee fragt: Wer steht in Norwegen in den Schlangen zur Essensausgabe?

Die Schlangen an den Tafeln der Heilsarmee in Norwegen werden immer länger. ©Die Heilsarmee

Oslo, 15. Februar 2023. Die Schlangen vor den Essensausgaben der Heilsarmee in Norwegen werden immer länger. „Wir sehen, dass Städte wie Moss eine Verdopplung der Zahl der Essenswarteschlangen hatten. Im Januar 2022 lag der übliche Durchschnitt bei 60-70 Haushalten pro Verteilung – jetzt liegt die Norm bei fast 300 Haushalten pro Verteilung“, sagt Elin Herikstad, stellvertretende Sozialmanager der Heilsarmee. Daher hat die Non-Profit-Organisation dem Fafo-Institut für Arbeits- und Sozialforschung den Auftrag gegeben herauszufinden, wer konkret auf ihre Hilfe angewiesen ist. Die Forscher haben im November 2022 Wartende in Oslo, Drammen und Sarpsborgwer befragt.

Das sind die Ergebnisse:

  • Fast zwei Drittel der Empfänger von Nahrungsmittelhilfe sind Frauen.
  • Über die Hälfte der Befragten gibt an, mit Kindern zu leben. 85 Prozent davon leben mit Kindern im Vorschul- und/oder Grundschulalter zusammen.
  • Ein Drittel der Befragen lebt allein (32 Prozent).
  • Neun Prozent der Befragten geben an, einen Bezug zum Arbeitsleben zu haben. Nur zwei Personen geben an, Vollzeitbeschäftigte zu sein. 91 Prozent waren nicht erwerbstätig.
  • 84 Prozent derjenigen, die die Angebote der Heilsarmee nutzen, erhalten soziale Unterstützung der norwegischen Arbeits- und Wohlfahrtsbehörde NAV. Unter den Leistungsempfängern bekommen 42 Prozent eine dauerhafte Sozialversicherungsleistung (32 Prozent Erwerbsunfähigkeitsrentner und zehn Prozent Altersrentner). 13 Prozent erhalten eine zeitlich begrenzte Leistung. 41 Prozent beziehen Sozialhilfe, viele davon in Kombination mit einer der anderen Leistungen. Zusätzlich erhalten 29 Prozent Wohngeld.
  • Zwei Drittel der Befragten wurden in einem anderen Land als Norwegen geboren. Die meisten von ihnen kommen aus Afghanistan und Syrien, fast 25 Prozent aus Osteuropa, etwas mehr als zehn Prozent aus einem afrikanischen Land. Flüchtlinge aus der Ukraine machen acht Prozent der Befragten aus.
  • Mehr als ein Viertel (28 Prozent) der Befragten haben die Essensausgabe im vergangenen Jahr zum ersten Mal besucht. Etwas mehr als der Hälfte der Wartenden hat vor mehr als drei Jahre das Angebot erstmals in Anspruch genommen.

„Der Bericht hebt die Tatsache hervor, dass viele Schwierigkeiten haben, mit den Einnahmen aus öffentlichen Leistungen über die Runden zu kommen. Die erhöhten Kosten, die wir in Norwegen sehen, bekommen die Empfänger der Mindestleistungen am meisten zu spüren. Wir sehen einen starken Bedarf, die Leistungen zu erhöhen, sowohl beim Grundbetrag als auch bei der Sozialhilfe und nicht zuletzt beim Kindergeld“, so Herikstad.

Jeder fünfte Norweger hat jetzt nicht genug Geld, um die gestiegenen Kosten in der Gesellschaft zu decken. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Forschungsinstitut Ipsos AS für die Heilsarmee Anfang dieses Jahres.

Herikstad zeigt sich besorgt über den mangelnden Fokus auf Kinderrechte und die Perspektive der Kinder. „Wenn wir die schwerwiegenden Folgen des Aufwachsens von Kindern in Familien mit anhaltend niedrigem Einkommen kennen, müssen wir weiter gehen und uns mehr anstrengen.“ Mehrere Familien mit Kindern seien auch dazu verurteilt, Wohnungen von schlechter Qualität zu mieten, die oft gesundheitsschädlich sein können, weil sie sich nichts Anderes leisten könnten.

Mehrere Menschen gaben an, dass sie vom Sozialamt zu den Essensausgaben der Heilsarmee geschickt wurden. „Wir wollen eine Ergänzung zu NAV (dem Sozialamt) sein, aber es ist nicht beabsichtigt, NAV zu ersetzen. Wir würden gerne enger zusammenarbeiten und als Brückenbauer fungieren, aber NAV darf uns nicht als Ruhekissen benutzen“, sagt Herikstad.

In dem Fafo-Bericht heißt es: „Die Schwelle, Hilfe von NAV zu erhalten, wird von vielen als hoch empfunden. NAV steht in der Kritik, ein System mit eingeschränktem Ermessensspielraum, strengen Kriterien und Anforderungen an die Dokumentation zu sein. NAV wird auch für den Umgang der Mitarbeiter mit den Benutzern, für Routinen, Informationsverbreitung und Zugänglichkeit kritisiert.“

 „Wir glauben, dass der Bericht wichtige Erkenntnisse über die Situation der am stärksten Benachteiligten in der Gesellschaft liefert. Dieses Wissen bildet die Grundlage für eine Diskussion darüber, wie der öffentliche und der gemeinnützige Sektor zusammenwirken können und sollten, um die Lebenssituation der Menschen zu verbessern, sowohl in Krisenzeiten als auch in normalen Situationen, sagt Tone Fløtten, Geschäftsführer und Forschungsleiter von Fafo.

Laden Sie hier den Bericht herunter.

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