
Oslo, 1. Februar 2023. In Norwegen gab es von Dienstag zu Mittwoch kräftige Preissprünge bei Lebensmitteln. Verschiedene Medien, unter anderen E24 und VG, berichten über Preissteigerungen über Nacht von bis zu zehn Prozent. Bei der Billigkette Kiwi blieben die Preise unverändert. Bei Rema 1000 stiegen die Preise im Warenkorb, den E24 und VG zum Test zusammenstellten, um 9,41 Prozent. Rema 1000 selbst gibt eine Preissteigerung von 4,8 Prozent an. Coop Extra legte elf Prozent drauf. Als Ursache der Preissteigerungen nennen die Lebensmittelketten die Erhöhungen der Preise der Lieferanten, da für diese Rohstoffe, Verpackungen, Energie und Transporte teurer geworden sind. Zweimal im Jahr, am 1. Februar und 1. Juli, dürfen Lieferanten wie Orkla, Tine, Nortura, Bama, Ringnes und den anderen Anbietern von Lebensmitteln und Getränken laut Wettbewerbsgesetz die erhöhten Kosten an die Lebensmittelketten weitergeben. Diese schlagen sie auf die Produkte in den Supermärkten auf.
Bereits im vergangenen Jahr wurde bei Lebensmitteln und alkoholfreien Getränken nach Angaben der Statistikbehörde SSB ein ungewöhnlich hoher und breiter Preisanstieg von 6,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr gemessen. Der Verbraucherpreisindex für Lebensmittel und alkoholfreie Getränke legte um 11,5 Prozent zu. Um herauszufinden, ob tatsächlich die gestiegene Preise für Rohstoffe, Düngemittel, Transport und Energie Ursache des starken Preisanstieges sind oder ob die norwegischen Lebensmittel-Gruppen die Chance nutzten, um höhere Margen zu erzielen, trafen sich Industrieminister Jan Christian Vestre und Landwirtschafts- und Ernährungsministerin Sandra Borch am 12. Januar mit den wichtigsten Akteuren der Lebensmittelbranche: Coop, NorgesGruppen, Reitangruppen, Orkla, Nortura, NHO Mat og drikke und den Verband der Lebensmittellieferanten (DLF) zum Thema Preiserhöhungen bei Lebensmitteln.
Industrieminister Vestre hält die Preise auch aufgrund zu geringer Konkurrenz in allen Bereichen für teuer. Norwegens Groß- und Einzelhandel teilen sich vier Gruppen: Norgesgruppen ASA, Reitangruppen ASA, Bunnpris und Coop. Coop ist eine Kooperative, hinter den anderen drei Unternehmen stecken die reichsten Familien des Landes. Odd Reitan, Gründer und Inhaber der Reitan-Gruppe, die Nummer zwei im norwegischen Lebensmittelmarkt, ist mit einem Vermögen von etwa 5,2 Milliarden Euro der drittreichste Norweger. Gleich dahinter folgt Johan Johannson als viertreichster Mann des Landes. Seiner Familie gehört mehrheitlich die große Lebensmittelkette Norgesgruppen. Nummer drei, Bunnpris, ist im Besitz des Familienunternehmens IK Lykke AS. Familienvorstand Christan Lykke schafft es immerhin auf Platz 354 der Liste der reichsten Norweger.
Norwegische Monopole trieben Lidl aus dem Markt
Die Familien lassen keinen Raum für ausländisches Engagement und damit für Wettbewerb. Der deutsche Discounter Lidl hatte beim Versuch, den norwegischen Markt zu erobern, die Macht der norwegischen Monopole zu spüren bekommen. Lidl trat im September 2004 in den Markt ein, nicht zuletzt angezogen von der hohen Kaufkraft der Norweger. Heimische Ketten hatten den Auftritt jedoch mit eigenen Tiefpreisen gekontert. Zudem begleiteten Norwegens Medien die Expansion mit zahlreichen Beiträgen über die angeblich verheerenden Zustände in deutschen Lidl-Filialen. Der deutsche Lebensmittelhändler kam über einen Marktanteil von zwei Prozent nicht hinaus. 2008 verkaufte Lidl seine 50 Filialen in Norwegen an einen norwegischen Wettbewerber. Seitdem hat kein deutscher Discounter mehr einen Fuß auf norwegischen Boden gesetzt.
Um die Wettbewerbsbedingungen in der Lebensmittelindustrie zu verbessern und zu einer besseren Auswahl und niedrigeren Preisen für die Verbraucher beizutragen, hat Norwegens Regierung einen 10-Punkte-Plan vorgelegt.
1. Die Regierung wird herausfinden, wohin das Geld fließt: Warum ist der Preisanstieg bestimmter Lebensmittel für den Verbraucher höher als für diejenigen, die die Lebensmittel herstellen und liefern? Wer profitiert von den Preiserhöhungen?
2. Preissignalisierung untersuchen: Bevor die Preiserhöhungen tatsächlich stattfinden, wird dies über die Medien kommuniziert. Wenn Akteur A sagt, dass er die Preise ab einem bestimmten Datum um 10 Prozent erhöhen wird, warum sollte Akteur B nicht genau dasselbe tun? Eine solche Benachrichtigung kann die Preisgestaltung der anderen Spieler beeinflussen und im schlimmsten Fall an illegale Preisabsprachen grenzen.
3. Die Regierung wird untersuchen, wie Preise entstehen: In Norwegen werden Lebensmittelpreise zweimal im Jahr mit Wirkung vom 1. Februar und 1. Juli ausgehandelt. Trägt diese „steifbeinige“ Verhandlungsweise zu einem schlechteren Wettbewerb bei, nicht zuletzt bei gleichzeitiger Preissignalisierung?
4. Verbot der Preisdiskriminierung: Bei den Einkaufspreisen der Lebensmittelketten gibt es zum Teil große Unterschiede. Das kann es Neueinsteigern erschweren, sich zu etablieren. Wir haben zwei Vorschläge zur Vernehmlassung eingereicht, um dies zu regeln.
5. Reichweite und Wirkung von Eigenmarken: Die Ketten führen immer mehr Eigenprodukte ein, die in Konkurrenz zu den traditionellen Marken stehen. Beispiele sind First Price, Ånglamark und Kolonihagen. Das kann der Auswahl gut tun, aber auch dazu beitragen, dass die Ketten mehr Macht über den Warenkorb gewinnen, sodass die Verbraucher am Ende zu viel bezahlen.
6. Umfang und Auswirkungen des gleichen Akteurs am gleichen Tisch: Den Filialisten gehören nicht mehr nur die Filialen, sondern zunehmend auch die Bereiche Großhandel, Logistik, Produkt und Produktion. Wenn es dieselben Eigentümer sind, die die Produkte herstellen, die Produkte transportieren, die Produkte verkaufen und entscheiden, welche Produkte wo in den Verkaufsregalen ausgestellt werden sollen, kann dies nachteilige Auswirkungen auf den Wettbewerb haben. Sitzt man in der Praxis am ganzen Tisch und kontrolliert einen großen Teil der Wertschöpfungskette, kann dies negative Auswirkungen auf den Wettbewerb haben.
7. Verbot, Konkurrenten daran zu hindern, Ladenlokale zu nutzen: Es gibt viele Beispiele dafür, dass ein Laden aus einem Ladenlokal auszieht und dafür sorgt, dass ein anderes Geschäft nicht dasselbe Ladenlokal nutzen kann. Dies erschwert es Wettbewerbern, sich zu etablieren.
8. Stärkung der norwegischen Wettbewerbsbehörde: Wir werden der norwegischen Wettbewerbsbehörde die Möglichkeit geben, früher und umfassender einzugreifen, wenn sie Wettbewerbsprobleme sieht.
9. Senkung Schwelle, wann ein Akteur marktbeherrschend ist: Wir werden die Schwelle absenken, wenn ein Akteur marktbeherrschend ist, damit es einfacher wird, jene Akteure zu verfolgen, die zu viel Macht auf dem Markt haben.
10. Mehr Geld für die norwegische Behörde für Lebensmittelsicherheit : Wir haben die Zuweisungen um 50 Prozent erhöht, um die Arbeit zu intensivieren, damit die Verbraucher eine bessere Auswahl und niedrigere Preise erhalten.
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