Energiekommission gibt Marschbefehl an Norwegens Regierung: Mehr Sparen und mehr produzieren

Der Leiter der Energiekommission, Lars Sørgard, übergibt den Bericht der Energiekommission am 1. Februar 2023 an Öl- und Energieminister Terje Aasland.©Jo Henrik Jarstø / OED

Oslo, 1. Februar 2023. Vor einem Jahr hat die norwegische Regierung eine Energiekommission ernannt, die den Energiebedarf des Landes ermitteln und Vorschläge zur Erhöhung der Energieerzeugung unterbreiten soll. Jetzt legte die Kommission ihren ersten Bericht inklusive Handlungsempfehlungen vor. Der Bericht der Energiekommission macht deutlich, dass Norwegen seinen Energieausbau erheblich beschleunigen muss. Jetzt gehe es darum, ob Norwegen es schafft, dauerhaft hohe Strompreise zu vermeiden, ob es die Klimaziele erreicht und ob Norwegen als Industrienation in Zukunft erfolgreich sein wird, heißt es im Bericht.

„Dies ist ein Marschbefehl an die Regierung. Wir steuern 2026/27 auf ein Stromdefizit zu, also ist es jetzt an der Zeit, Maßnahmen zu ergreifen“, sagt Åslaug Haga, Geschäftsführerin des Bereiches Erneuerbares Norwegen, Fornybar Norge des Unternehmerverbandes NHO.

Wie die Mehrheit der Kommissionsmitglieder empfiehlt, muss die Stromerzeugung bis 2030 um mindestens 40 TWh steigen und der Energieverbrauch um mindestens 20 TWh zurückgehen. Um dieses Ziel zu erreichen, müsse das Tempo in der Energiepolitik angezogen werden, heißt es in dem Bericht. Unter anderem enthält der Bericht einen nationalen Aktionsplan für mehr Energieeffizienz in allen Sektoren mit überprüfbaren Maßnahmen und Zielen.

Norwegens Stromverbrauch wird in den kommenden Jahren aufgrund der umfassenden Elektrifizierungsvorhaben stark zunehmen. Der Netzbetreiber Statnett ASA prognostiziert für 2026/2027 ein Stromdefizit, sofern nicht mehr Strom produziert wird.

Wie Lars Sørgard, Professor des Bereiches Wirtschaft an der Norwegian School of Economics in Bergen und Vorsitzender der Energiekommission sagte, können die Herausforderungen nicht von einer Maßnahme allein gelöst werden. Mehr Sparen und mehr Produktion sollen in Zukunft für einen Stromüberschuss und wettbewerbsfähige Preise sorgen und nicht zuletzt zur Versorgungssicherheit des Landes beitragen.

Die Kommission schlägt eine Reihe verschiedener Maßnahmen für eine flexiblere und effizientere Energienutzung vor, darunter:

  • Erstellung eines nationalen Aktionsplan zur Energieeffizienz für alle Sektoren mit überprüfbaren Maßnahmen und Zielen;
  • Bessere Nutzung von Abwärme aus der Industrie;
  • Implementierung eines nationalen Impulses zur Reduzierung des Energieverbrauchs in Gebäuden;
  • Nutzung der Möglichkeiten zum verstärkten Einsatz von Fernwärme und Wärmepumpen.

Vorschläge zur Freisetzung des Potenzials für die Energieentwicklung, darunter:

  • Die Wasserkraft sollte modernisiert und ausgebaut werden, in Pumpstationen sollte investiert werden und es sollte geprüft werden, ob die Notwendigkeit eines verbesserten Hochwasserschutzes mit einer erhöhten Produktion kombiniert werden kann. Staat und Produzenten sollten freiwillige Vereinbarungen zum Ausbau von 7 TWh neuer Wasserkraft treffen;.
  • Der Ausbau der Windkraft an Land kann stärker angestoßen werden, indem die Kommunen stärker an der Wertschöpfung beteiligt werden;
  • Der Ausbau der Offshore-Windenergie muss schnell beginnen, eine frühzeitige Kartierung muss durchgeführt werden und sowohl für die Offshore-Windenergie als auch für das Hafennetz sollte eine langfristige und umfassende Planung erstellt werden. Zu Beginn soll der Staat langfristige Verträge mit den Entwicklern abschließen. Offshore-Wind sollte in der ersten Phase von 1,5 GW auf 3 GW ausgebaut werden;
  • Die Entwicklung der Solarenergie wird derzeit durch eine Reihe von Hindernissen gebremst, und es besteht die dringende Notwendigkeit, eine ganzheitlichere Regulierung zu entwickeln, die sowohl die Solarenergie auf Gebäuden als auch die Solarenergie auf dem Boden erleichtert. Antragsverfahren sollen vereinfacht werden.

„Die Energiekommission ist sich darüber im Klaren, dass mehr Strom, mehr Netze und eine effizientere Energienutzung die Lösung für die langfristigen Herausforderungen sind, vor denen wir in der norwegischen Stromversorgung stehen. Dies ist ein Verständnis der Situation, die von der Regierung geteilt wird. Wir werden nun zügig daran arbeiten, die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zu bewerten. Mit einigen der empfohlenen Maßnahmen sind wir bereits auf einem guten Weg, sowohl was die Versorgungssicherheit als auch die bessere lokale Verankerung der Windkraft an Land betrifft“, sagt Aasland.

Parallel zur Arbeit der Energiekommission hat die Regierung kürzlich angekündigt, dass sie einen Managementmechanismus einführen wird, der dazu beitragen soll, die Versorgungssicherheit mit Strom zu gewährleisten. Damit soll die Produktion von Wasserkraft besser geregelt werden. Außerdem will die Regierung eine bessere lokale Verankerung in Sachen Windkraft an Land erreichen. Die Regierung hat vorgeschlagen, die Planung und den Bau von Windkraftanlagen in das Planungs- und Baugesetz aufzunehmen. Mit einer vorgeschlagenen Grundrentensteuer für Windkraftanlagen an Land sollen die geschaffenen Werte stärker lokalen Gemeinschaften, Kommunen und der Gemeinschaft insgesamt zugute kommen.

Verstärkten Handlungsbedarf sieht die Kommission ebenso in der Entwicklung der Solarenergie und deren ganzheitlichen Regulierung. Zusätzlich sollen Maßnahmen zur Erhöhung der Netzkapazität ergriffen werden: Der Netzausbau soll stärker als bisher priorisiert werden, um den höheren Stromverbrauch überhaupt zu ermöglichen.

Durch die schrittweise Einführung von Solar- und Windenergie soll eine flexible und effiziente Energienutzung unterstützt werden. Gegenwärtig stammen 90 Prozent des in Norwegen produzierten Stroms aus Wasserkraft.

Die Energiekommission empfiehlt, den Stromhandel mit anderen Ländern beizubehalten. Ende Januar hatte die norwegische Regierung Maßnahmen zur Sicherung der Stromversorgung präsentiert, die unter anderem die Begrenzung der Stromexporte im Notfall vorsehen. Der Bericht schlägt Regeln zum Stromhandel mit dem Ausland vor. Zum einen soll nach Ablauf der Konzessionsdauer für die Unterseekabel die Verlängerung genauso beurteilt werden wie bei neuen Kabelanschlüssen. Zum anderen solle Norwegen laut der Kommission mehr Handlungsspielraum erhalten, um die eigene Versorgungssicherheit zu gewährleisten, wenn sich die Energiespeicher leeren. Es müsse geklärt werden, wie Exporte ggf. begrenzt werden könnten, um die Versorgungssicherheit in Extremsituationen zu gewährleisten. Trotzdem müsse eine gute Zusammenarbeit mit den Nachbarländern und die Versorgungssicherheit aller gewährleistet sein.

Lars Sørgard und Åslaug Haga während der Präsentation des Berichts der Energiekommission. 
©Erneuerbares Norwegen

„Die Kommission macht gute Vorschläge. Wir würden gerne noch konkretere Maßnahmen sehen, aber die Politiker haben eine Richtung vorgegeben, wie sie die Politik organisieren sollen, damit wir, die wir dazu beitragen werden, den gesamten Strombedarf des Landes in Zukunft zu bauen, unsere Arbeit tun können. Wir verlangen kein Geld, wir brauchen keine Karotten – wir brauchen nur die Politik, damit sie uns nicht in die Quere kommt“, sagt Haga.

Weiter beschreibt der Bericht die Notwendigkeit stabiler Rahmenbedingungen für den Aufbau erneuerbarer Energien. Die Unternehmen sehen die Tatsache, dass die Kommission eine Überprüfung der Änderungen des Stromsteuerregimes vom vergangenen Herbst wünscht, als absolut entscheidend an, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen. 

„Das heutige Steuersystem, in dem Wasserkraft höher besteuert wird als Öl, ist eines der größten Hindernisse für mehr erneuerbare Energieerzeugung. 200 bis 300 Milliarden NOK müssen investiert werden, um die neue Energie aufzubauen, die wir brauchen. Dieses Geld wird nicht ohne ein vorhersehbares Steuersystem kommen, das Investitionen anregt“, sagt Haga. 

Haga hofft, dass die Debatte darüber, ob wir überhaupt neue Stromerzeugung brauchen, nun beendet ist. Es gehe um das Klima, es gehe um die Zukunft der Wirtschaft und nicht zuletzt um etwas so Grundlegendes wie den Zugang der Norweger zu Strom aus der Steckdose.

Die Deutsch-Norwegische Handelskammer begrüßt den Maßnahmen-Katalog der Energiekommission und sieht Potenzial für die deutsch-norwegischen Beziehungen. „Aus unserer Sicht spiegelt der Bericht die Notwendigkeit einer schnellen Umstellung und grünen Wende wider sowie den Bedarf von mehr Versorgungssicherheit“, so Michael Kern, Geschäftsführer der Deutsch-Norwegischen Handelskammer in Oslo. Von einem Ausbau der norwegischen Energieinfrastruktur könnten auch deutsche Unternehmen und Zulieferer profitieren, sofern die Zusammenarbeit beider Länder im Energiebereich noch enger wird.

Finden Sie hier den Bericht in norwegischer Sprache.

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