
Oslo, 11. Januar 2023. 50 Prozent aller Fische, die die Menschheit heute verzehrt, stammen aus der Käfig-Produktion. Norwegen verfügt über eine der größten Aquakulturindustrien weltweit. Mit den Käfigen in den Fjorden erwirtschaften die Industriekonzerne heute dreimal so viel wie die Fischer mit ihren Booten. Jedoch gibt es ein Problem: Jährlich fliehen Tausende Fische aus den Käfigen und übertragen Krankheiten auf die Wildbestände. Die Ausreißer sind eine Bedrohung für die Wildfischpopulation. Bisher war vor allem der Lachs in großen Mengen aus den Käfigen entkommen. Im vergangenen Jahr nun steht erstmals der Kabeljau ganz oben auf der Rangliste der entflohenen Fischarten.
Wie die norwegische Fischereidirektion Fiskeridirektoratet mitteilt, betrafen 40 der insgesamt 103 gemeldeten Ausbrüche Kabeljau, auch Dorsch genannt, wobei die Fischereidirektion davon ausgeht, dass längst nicht alle Vorfälle gemeldet werden. Insgesamt sind 2022 160.000 Zuchtfische entflohen. Die Fischereibehörde weist aber darauf hin, dass die Zahlen, die in den Statistiken landen, Mindestzahlen sind und mit großen Vorsicht zu behandeln seien.
Der größte Kabeljau-Ausbruch ereignete sich im vergangenen Jahr im Voldsfjord in Møre og Romsdal, bei dem rund 87.000 Fische entkamen. Neben dieser Kabeljau-Flucht gab es einen Zwischenfall in Møre og Romsdal, bei dem etwa 11.000 Heilbutte entwischten. Davon wurden rund 8.500 wieder eingefangen, was eine sehr gute Fangrate darstellt.
Unter den Lachsausbrüchen sticht im Jahr 2022 besonders ein Vorfall im Sognefjord hervor. Das Unternehmen hat berichtet, dass bei diesem Vorfall rund 35.000 Lachse entkommen sind, mit einem Rückfang von rund 12.000. Das Besondere an diesem Ausbruch war, dass ein einziger Wasserlauf nach dem Vorfall eine ungewöhnlich große Menge ausgewachsener Zuchtfische erhielt. Dies erforderte umfangreiche Umweltmaßnahmen, die sowohl von dem Zuchtunternehmen als auch von freiwilligen Kräfte umgesetzt wurden.
Die meisten Ausbrüche gelingen den Fischen bei Arbeitseinsätzen insbesondere im Zusammenhang mit der Entfernung der Lachsläuse. „Vor diesem Hintergrund haben wir landesweit Inspektionen des Risikomanagements der Betriebe bei Entwurmungsoperationen durchgeführt. Dies war eine umfassende Investition, sagt Britt Leikvoll, Abteilungsleiterin der strategischen Aquakulturabteilung. „Die Ergebnisse der Inspektionskampagne zeigen, dass es einen Verbesserungsbedarf und eine erhöhte Kompetenz im Risikomanagement der Unternehmen gibt, und wir werden dies 2023 weiterverfolgen.“
Karte der Genehmigungen für Kabeljau-Aquakultur, Laichgründe und Laichgebiete

Positiv habe sich im Zeitraum 2014-2022 die Anzahl der Vorfälle als auch die Anzahl der gemeldeten entkommenen Fische im Zusammenhang mit Stürmen entwickelt. Im vergangenen Jahr seien als Folge von Stürmen keine Fluchten gemeldet worden.
Als neue Herausforderungen sieht die Behörde eine zunehmende Population von Makrelenstören, die in die Käfige eindringen, was die Fluchtwahrscheinlichkeit erhöht.
Die aktuellen Zahlen, insbesondere zu den Kabeljau-Ausbrüchen, haben in Norwegen eine Diskussion um die Vergabe von Lizenzen für die Kabeljauzucht in Gang gesetzt. Die Küstenumwelt könne noch mehr Belastung durch die Aquakulturindustrie nicht standhalten, argumentieren Vertreter verschiedener Parteien und Umweltverbänden. Da die industrielle Kabeljauzucht in Norwegen noch am Anfang steht, gibt es noch wenig Erfahrung mit den Fluchtursachen und dem Fluchtverhalten der Fische.
In letzter Zeit ist die Zahl der Neuanträge und erteilten Genehmigungen für die Aquakultur von Kabeljau gestiegen. Mehrere große Unternehmen wie Norcod, Statt Torsk und Gadus Group investieren jetzt stark in die Kabeljauzucht. Mit der Etablierung neuer landwirtschaftlicher Arten kämen auch neue Probleme im Zusammenhang mit Umweltauswirkungen und der Anpassung von Vorschriften, teilt die Fischereidirektion mit.
Das Norwegische Institut für Lebensmittelforschung Nofima beschäftigt sich unter anderem mit einem Kabeljau-Zuchtprogramm, das der Staat finanziell unterstützt.
Am Mittwoch eröffnete die Aquaculture Research Station RASforsk in Tromsø, eine der weltweit modernsten Forschungseinrichtungen für die Onshore-Fischzucht. 90 Millionen NOK wurden in die Anlage investiert, Troms und die Kreisgemeinde Finnmark haben 13,5 der Millionen beigesteuert.
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