
Berlin, 30. November 2022. Enger können die Beziehungen zwischen zwei Ländern kaum sein. Beim Treffen zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und Norwegens Ministerpräsident Jonas Gahr Støre am 30. November in Berlin, bereits der dritten Zusammenkunft in diesem Jahr, hoben die beiden Regierungschefs immer wieder das Vertrauen und die Freundschaft hervor, die beide Länder verbinden. “Norwegen ist für Deutschland ein ganz besonderer Partner”, erklärte Scholz gleich zu Beginn der gemeinsamen Pressekonferenz. Støre gab das Kompliment zurück: ”Deutschland ist für Norwegen der wichtigste Partner in Europa.” Er dankte Scholz dafür, ein solider und verlässlicher Partner zu sein.
Die deutsch-norwegischen Beziehungen haben seit dem russischen Überfall auf die Ukraine und der damit verbundenen Gaskrise extrem an Dynamik gewonnen. Beim Besuch des norwegischen Ministerpräsidenten in Berlin wurden nun weitere Felder der Zusammenarbeit definiert.
Stand bei den vorherigen Treffen das Thema Carbon Capture Storage, die Abscheidung und Lagerung von Kohlendioxid, als Elefant im Raum, weil es in Deutschland dafür noch keine Rechtsgrundlage gibt und der Transport von Kohlendioxid ins Ausland noch verboten ist, so nannte Scholz die CCS-Technologie diesmal ausdrücklich als einen Bereich der Zusammenarbeit, der ausgebaut werden soll. Norwegen bietet deutschen Industrieunternehmen die Lagerung von CO2 unter dem Meeresboden an. Hier verfügt das Land über riesige Kapazitäten und hat zudem langjährige Erfahrung mit der CCS-Technologie. Außerdem wollen beide Länder bei der Windenergie auf See, der Wasserstoffwirtschaft, der Batterieindustrie und beim Ausbau der Infrastruktur der Erneuerbare Energieträger enger kooperieren. In all diesen Bereichen sei man auf einem guten gemeinsamen Weg, erklärte Scholz.

Im Bereich der militärischen Beschaffung sei eine Vertiefung der Kooperation denkbar. Scholz hob die U-Boot-Kooperation hervor. “Dass wir gerade in diesem sensiblen Bereich eng kooperieren, ist ein ganz besonderes Zeichen des gegenseitigen Vertrauens”, so Scholz. Auch im Bereich der Fregatten könne die strategischen Kooperation vertieft werden, ebenso bei den Landsystemen. Deutschland habe Norwegen mit dem neuen Kampfpanzer Leopard 2 A7 ein sehr substanzielles Angebot vorgelegt, erklärte Scholz. “Und wir haben uns viel Mühe dabei gegeben.”
Bei der Beschaffung von Verteidigungsgütern stimmen sich beide Länder ab, so bei den Kampfflugzeuge des Typs F35 und Aufklärungsflugzeugen vom Typ P8 Poseidon.
Zum Schutz der kritischen Infrastruktur unter Wasser haben die beiden Ministerpräsidenten eine informelle Initiative gestartet. Sie haben vorgeschlagen, ein NATO-Zentrum einzurichten, um Pipelines, Ölplattformen und Kommunikationskabel auf dem Meeresgrund vor Sabotageakten zu schützen. Støre und Scholz sind sich einig, dass ein solches Zentrum in Zusammenarbeit mit dem Privatsektor organisiert werden sollte, damit Pläne und Sicherheit koordiniert werden können, um zukünftige Sabotage wie bei Nord Stream zu verhindern. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der am zweiten Konferenztag der Berliner Sicherheitskonferenz in Berlin sprach, sagte Unterstützung zur Einrichtung eines NATO-Centers zur Überwachung der Off-Shore-Infrastrukturen zu. „Es ist in unserem vitalen Interesse, mehr zu tun, um diese Infrastruktur zu sichern und sie in der Zukunft vor Sabotageakten zu schützen“, sagte der NATO-Generalsekretär.
Im Bereich Gaslieferungen sind Norwegen und Deutschland langjährige Partner. Bis zum Stopp der russischen Gaslieferungen nach Deutschland war Norwegen der zweitgrößte Lieferant von Erdgas. Nun ist Norwegen der wichtigste Zulieferer. In diesem Jahr hat das Land seine Exporte nach Deutschland um acht Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum erhöht. Gegenwärtig deckt norwegisches Gas etwa die Hälfte des deutschen Gasverbrauchs. Damit komme Deutschland sicher durch den Winter, erklärte Scholz und bedankte sich bei Norwegen für das starke Engagement.
Støre lud in seiner Rede auf der Berliner Sicherheitskonferenz die Firmen der Welt ein, auf dem norwegischen Festlandsockel nach Gas zu suchen, betonte aber gleichzeitig, dass mehr Erneuerbare Energien gebraucht würden.
Auch bezüglich der Fortsetzung der Unterstützung der Ukraine sind sich beide Länder einig. War es bisher ein Grundsatz beider Länder, kein Kriegsmaterial in Krisengebiete zu liefern, so engagieren sie sich nun stark beim Export von Verteidigungsausrüstungen in die Ukraine und der Ausbildung von ukrainischen Soldaten. Norwegen hat zudem mit einer beträchtlichen Überweisung an die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sichergestellt, dass sich die Ukraine in diesem Winter mit Gas versorgen kann. Am 21. November hat Norwegens Finanzminister Trygve Slagsvold Vedum eine Vereinbarung unterzeichnet, wonach Norwegen der Ukraine zwei Milliarden NOK, etwa 200 Millionen Euro, für Gaskäufe über den Winter sicherstellt. Die norwegische Unterstützung wird von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) bereitgestellt. Im Juli hatte Støre angekündigt, dass die Regierung die Ukraine in den Jahren 2022 und 2023 mit insgesamt zehn Milliarden Kronen unterstützen werde.
Norwegen ist in diesem Jahr Partnerland der Berliner Sicherheitskonferenz.
Lesen Sie hier ein Interview mit Kapitän zur See Fredrik Bassøe Borgmann, Militärattaché der Königlich Norwegischen Botschaft in Berlin, zur Sicherheitspolitik Norwegens und die Verantwortung, die Norwegen innerhalb der NATO für die Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses im Norden übernommen hat.