Die Zukunft lockt

Energiemesse ONS 2022 in Stavanger mit Aussteller- und Besucherrekord/ Elon Musk als Stargast/ 21 deutsche Mittelständler im Deutschen Pavillon

An der Transformation des Energiesektors in Norwegen wollen Unternehmen weltweit teilhaben. Die ONS 2022 gab dazu Gelegenheit©BPN

Stavanger, 1. September 2022. Die Offshore Northern Seas ONS ist eine der weltweit größten Energiemessen. Sie fand in diesem Jahr vom 29. August bis zum 1. September statt. Namhafte Öl- und Gaskonzerne wie Shell, BP, TotalEnergies, Baker Hughes, Conoco Philipps oder Equinor belegten mit ihren großen, farbintensiven Ständen die vorderen Hallen gleich hinter dem Haupteingang. Insgesamt war das Ausstellungsgelände belegt wie nie zuvor. Die Transformation der Energiebranche speziell in Norwegen will niemand verpassen. Die anstehenden Veränderungen lockten zahlreiche Unternehmen in die Ölmetropole Stavanger.

Der Energiekonzern Wintershall Dea, der sich nach der Fusion von Wintershall und Dea vor drei Jahren nun nahezu auf Augenhöhe mit den Großen der Branche sieht, hatte seine Zelte in  Halle 7 aufgeschlagen. Weniger grell als Shell, BP & Co gefiel der Messestand mit seinen in Regalen drapierten exotischen Topfpflanzen rund um die Lounge auch der Jury, die den Stand des Unternehmens – so wie bereits vor vier Jahren – zum besten Messestand der ONS kürte. “Ein gut gestalteter und multifunktionaler Stand, der Geschäft und Vergnügen verbindet, unter dem Motto ‘Minds of Engineers – Pioneers at Heart’. Ein geschmackvoller Material- und Farbmix – und ein guter Ort der Begegnung”, so das Urteil der Jury. 

Der schönste Messestand der ONS 2022 von Wintershall Dea.©BPN

Die Wintershall Dea GmbH glänzte aber nicht nur mit einem außerordentlichen Design, sondern auch mit Neuigkeiten. Gleich am ersten Tag demonstrierte das Unternehmen, wie es neue Geschäftsfelder erschließen werde – im Sinne des Klimaschutzes. Mit dem norwegische Energiekonzern Equinor unterzeichnete Wintershall Dea eine Vereinbarung zum Bau einer 900-Kilometer langen Pipeline für den Transport von Kohlendioxid von Deutschland nach Norwegen. Beide Unternehmen wollen eine länderübergreifende CCS-Wertschöpfungskette in Europa aufbauen und mit den Regierungen an der Gestaltung entsprechender regulatorischen Rahmenbedingungen arbeiten. Auf einer Pressekonferenz hat CEO Mario Mehren einmal mehr seine Bekenntnis zu den Aktivitäten in Norwegen bekräftigt. „Norwegen steht im Mittelpunkt unserer Aktivitäten: heute für unser E&P-Geschäft, morgen für unser wachsendes Carbon Management- und Wasserstoffgeschäft“, sagte Mehren. Im Juli hat das Unternehmen die Produktion aus dem eigenoperierten Nova-Feld in der norwegischen Nordsee erfolgreich aufgenommen. Neben dem Nova-Ölfeld sollen bis Ende dieses Jahres die Entwicklungsprojekte Dvalin und Njord in Betrieb genommen werden.

„Wir sind auf dem besten Weg, unser Ziel einer Tagesproduktion von bis zu 200.000 boe/d in Norwegen bis Ende des Jahres zu erreichen, wovon der Großteil auf Gas entfallen wird“, sagte Chief Operating Officer Dawn Summers. Norwegen ist für den Öl- und Gaskonzern um so wichtiger, da das Unternehmen wegen der EU-Sanktionen keine Investitionen mehr in Russland tätigen wird.

Mario Mehren war auch einer von drei deutschen Spitzenmanagern, die als Diskussionsteilnehmer auf großer Bühne eingeladen waren. 

Elon Musk als Stargast

Insgesamt wird auf der ONS getalkt, was das Zeug hält. Über eintausend Redner präsentierten sich auf zahlreichen Bühnen und Foren und taten ihr Wissen über Energiesicherheit, erneuerbare Energien, Öl & Gas, Politik und den Weg zur emissionsfreien Gesellschaft kund. Und wenn die Messe um 18.00 Uhr ihre Tore schloss, wurde an den lauwarmen Abenden im Hafen von Stavanger auf 34 Yachten und Ausflugsdampfern weiter diskutiert – und gefeiert.

Elon Musk bedankt sich auf der ONS 2022 bei den Norwegern, dass sie so fleißig E-Autos kaufen. Trotz seines Traums einer emissionsfreien Zukunft geht er davon aus, dass fossile Rohstoffe noch lange gebraucht werden. Die Konferenzteilnehmer hörten das gern.©.ONS/KRAFFTWORK /Sehen Sie hier das Interview mit Elon Musk.

Höhepunkt des Kongress-Marathons war natürlich die Eröffnungsveranstaltung. So prominent sie mit Seiner Hoheit Kronprinz Haakon und dem norwegischen Premierminister Jonas Gahr Støre, dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der online zugeschaltet war, und dem Präsidenten der Internationalen Energie Agentur IEA Fatih Birol auch besetzt war – Elon Musk, der am ersten Tag mit seinem Privatjet nach Stavanger angereist war, stahl allen die Show. Die Medien hatten die Kameras und Mikrophone nur auf ihn gerichtet. Und was er auf der Bühne vor etwa 2.000 Gästen zu sagen hatte, brachte die Norweger fast um den Verstand. Nicht nur bedankte sich Elon Musk bei den Norwegern für die Nutzung von Elektroautos. Er bescheinigte dem Land auch die Richtigkeit der Entscheidung, mit der Produktion von Öl und Gas noch lange fortzufahren. “Fossile Brennstoffe werden noch lange gebraucht”, sagte er im Gespräch mit der Moderatorin Xenia Wickett. Wer würde sich besser als Fürsprecher der norwegischen Politik bezüglich der Öl- und Gasindustrie eignen als ein Unternehmer wie Elon Musk, der über jeden Zweifel erhaben ist, mit der Öl- und Gasindustrie zu paktieren. Schließlich entzieht der Visionär der Ölindustrie mit seinen Elektroautos sukzessive eine wichtige Geschäftsgrundlage. Dass er Norwegen liebt, wie er von der Bühne aus den Gästen zurief, ist nicht verwunderlich. Schließlich hat das Land dem Tesla-Chef zu einem einzigartigen Erfolg verholfen. Zum Partner der ONS 2022 hat es der Tesla-Gründer allerdings nicht geschafft. Die Prominenz wurde nicht mit Tesla-Limousinen, sondern mit den Elektromodellen von BMW chauffiert.

Nicht Tesla, sondern BMW wurde als offizieller Partner für den ONS-Fahrdienst ausgewählt.©BPN

Wanderung zum Preikestolen und Empfang im Hafen

21 deutsche Unternehmen stellten unter dem Dach der AHK Norwegen in Halle 3 im deutsche Pavillon aus. Das waren keine weltbekannten Namen. Das waren kleine und mittelständische Unternehmen, meist familiengeführt, die alle Produkte anbieten, die das Öl- und Gasgeschäft am Laufen hält. Manche Aussteller sind mit der Öl- und Gasbranche bereits gut im Geschäft, andere nahmen zum ersten Mal an der ONS teil. 

15 Aussteller gönnten sich vor der Messeeröffnung das Vergnügen, gemeinsam den Preikestolen, den berühmtesten Felsen Norwegens, in der Nähe von Stavanger zu erklimmen. 

Die AHK Norwegen, VNG und die Business-School BI hatten zum Empfang auf das elektrisch betriebene Ausflugsschiff  Brim Explorer/MS Bris eingeladen. Von links: Hans-Joachim Polk, Karen Spens, Präsidentin der BI, Michael Kern, Geschäftsführer AHK Norwegen, und Detlef Wächter, deutscher Botschafter in Norwegen.©AHK Norwegen

Am Eröffnungstag hatten die AHK Norwegen, der Gashandelskonzern VNG AG und die BI Norwegian Business School zum The German evening – VNGet Together eingeladen – auf das erste Elektro-Ausflugsschiff  Brim Explorer/MS Bris. 

Hans-Joachim Polk, Vorstandsmitglied der VNG, begrüßte die Gäste und erläuterte die Ambitionen seines Unternehmen, schon bald ein großes Projekt mit Norwegen zu realisieren. Im Juli hatte VNG mit dem norwegische Energieunternehmen Equinor ASA vereinbart, ihre bestehende Zusammenarbeit im Gassektor auf die Bereiche CO2-armer Wasserstoff, CO2-armer Ammoniak sowie die Abscheidung, Nutzung und Offshore-Speicherung von CO2, CCUS, auszuweiten. Beide Partner prüfen außerdem die Herstellung von CO2-armen, sogenannten blauen Wasserstoff in Rostock. Dabei soll das CO2 vom Erdgas, das Equinor aus Norwegen liefert, in Rostock abgeschieden und nach Norwegen zurück zur Offshore-Speicherung unter dem norwegischen Festlandsockel transportiert oder an Industrieunternehmen zur Nutzung geliefert werden. Eine finale Investitionsentscheidung soll 2025/26 getroffen werden. Auf einen Messestand hat VNG in diesem Jahr verzichtet, dafür seine Partner gemeinsam mit der AHK Norwegen und der Norwegian Business School BI zum Empfang im Hafen eingeladen. 

Kleine Firmen – große Möglichkeiten

Am Messestand der Firma SORB®️XT aus Mönchengladbach ging wohl kaum ein Besucher achtlos vorbei. Verkaufsmitarbeiter Fabian Welters stand inmitten von Wannen, Säcken und Schläuchen.

Verkaufsmitarbeiter Fabian Welters zwischen Wannen und Säcken.©BPN

SORB®️ stellt biologische Bindemittel und -reiniger sowie ergänzende Produkte zur Leckagebekämpfung und Arbeitssicherheit her. Wo und wann immer es zu Unfällen mit Flüssigkeiten kommt, können die Produkte des Unternehmens den Schaden innerhalb kürzester Zeit und effizient begrenzen. Insofern sei die Ölindustrie für das Unternehmen natürlich interessant, erklärte Welters.

SORB®️ wird weltweit von vielen nennenswerten Öl- und Industriekonzernen angewendet. Da liege es nahe, auch in Norwegen an die Großen der Branche und die Pipelinebetreiber heranzutreten.  Einen Partner, der das Geschäft in Norwegen für das deutsche Mittelstandsunternehmen betreibt, ist bereits gefunden. Welters hält nach weiteren Verkäufern Ausschau. Insgesamt hätten die vielen Gespräche, die er auf der Messe führte, Grund zur Hoffnung gegeben, dass sich SORB®️-Produkte im norwegischen Markt etablieren werden. 

Auch das Schweizer Unternehmen Endress+Hauser AG stellt unter dem Dach des deutschen Pavillons aus. Der Anbieter von Messgeräten, Dienstleistungen und Lösungen für die industrielle Verfahrenstechnik verkauft seine Messinstrumente weltweit und branchenübergreifend. Das Unternehmen hat bereits ein Tochterunternehmen in Norwegen. Paul Bøe, Key Account Manager im Bereich Öl, Gas und Marine, sieht es als absolut unverzichtbar, auf der ONS vertreten zu sein – einmal zur Pflege der Altkunden, momentan aber vor allem, um neue Kunden in neuen Geschäftsfeldern zu erreichen, beispielsweise im Bereich Wasserstoffproduktion.  

Stand der Firma GISMA mit Vertriebsmanager Torben Meinsen©BPN

Für die GISMA Steckverbinder GmbH aus Neumünster wird 2022 das beste Jahr in seiner Geschichte. Das 1983 gegründete Familienunternehmen ist seit 30 Jahren auf dem norwegischen Markt und verkauft hier, wie in vielen anderen Ländern der Welt, Steckverbinder für Unterwasser-Geräte, für Signale, Pumpen und Boote. Der Anwendungsbereich ist riesig. 

Zum guten Ergebnis in diesem Jahr würden vor allem neue Projekte im Bereich Erneuerbare Energien beitragen, erklärt der Vertriebsmitarbeiter Torben Meinsen. Auch floriere das Geschäft, da momentan viel in Salzwasseraufbereitungsanlagen investiert werde. Norwegen hat einen Anteil am Verkauf von fünf bis zehn Prozent. 

Mathias Stendtke (r.) und Jörg Sokat präsentieren eine neue Produktlinie.©BPN

Die Pflitsch GmbH & Co. KG aus Hückeswagen ist mit ihrem Produkt Kabelverschraubungen breit aufgestellt. “Wir haben keinen Branchenfokus”, sagt Mathias Stendtke, Geschäftsführender Gesellschafter. Der Maschinen- und Anlagenbau sei der wichtigste Bereich, aber ebenso verkaufe das Unternehmen an Energieunternehmen, Firmen aus dem Bereich Robotik und Automatisierung. In Stavanger präsentiert sich Pflitsch zum ersten Mal, insbesondere, um eine neue Produktlinie für explosionsgeschützte Verschraubungen vorzustellen, einen Vertriebspartner zu finden und sich den Markt im Norden genauer anzusehen. 

Den Industriegase-Hersteller Linde lockten neue Geschäftsfelder auf die ONS, beispielsweise die Wasserstoffproduktion.©BPN

Rund um den deutschen Pavillon hatten sich die größeren deutschen Unternehmen platziert. Linde Gas AS betreibt in Norwegen sein Hauptgeschäft – wie in anderen Ländern auch – mit  dem Verkauf von Industriegasen. Der besondere norwegische Touch: In Ålesund unterhält das Unternehmen ein Innovationszentrum für Aquakultur und Wasseraufbereitung, das Technologie, Lösungen und innovative Konzepte weltweit an den wachsenden Fischzuchtmarkt liefert. Es ist das einzige Gaseunternehmen, das sich auf dieses Know-how konzentriert. Konkret geht es um die Kontrolle der Konzentration des im Wasser gelösten Sauerstoffs für das Wohlergehen und Wachstum von Fischen, vor allem von Lachsen. Die richtige Sauerstoffversorgung des Wassers sei der Schlüsselfaktor für die moderne Aquakultur, erklärt Bjarte Krossøy, Verkaufsmanager Offshore.

Auf der ONS stellt Linde allerdings erstmals aus – mit Blick auf neue Geschäftsfelder wie die die Wasserstoff-Produktion. Wenn diese in Norwegen startet, wolle man gut platziert sein, so Krossøy.

Auch RWE lockt die Zukunft. Der deutsche Energieriese, der 18 Windanlagen weltweit betreibt und 18 gegenwärtig aufbaut, will natürlich dabei sein, wenn Norwegen in den nächsten Jahren seine gewaltigen Pläne zum Aufbau von Offshore-Windparks realisiert. Norwegens Regierung will bis 2040 Lizenzen für rund 30 Gigawatt Offshore-Windkraft vergeben. Ziel ist es, so viel Strom aus Offshore-Wind zu erzeugen wie heute insgesamt in Norwegen produziert wird.

Sven Utermöhlen, CEO von RWE Offshore Wind, sprach denn auch auf Einladung der Branchenorganisation Norwegian Energy Partners (NORWEP) über die Ambitionen des Unternehmens in der Nordsee und über Erfahrung beim Aufbau von Windparks in Polen. 

Erlend Ekvold, Lennart Baruschka und Volker Tetzlaff neben einem Umrichter am Siemens-Stand©BPN

Siemens ist in Norwegen bestens etabliert. 3.000 Mitarbeiter beschäftigt  das Unternehmen in Norwegen, davon 1.500 bei Siemens Energy.  Zur ONS präsentierte sich der Technologiekonzern auf einem großen Stand mit Antriebstechnik, Umrichtern und Motoren für die Elektrifizierung der norwegischen Öl- und Gaswirtschaft. Auch Siemens will, wie wohl alle Unternehmen, die sich in Stavanger trafen, von der grünen Transformation profitieren. Elektrolyse-Hersteller seien beispielsweise neue Kunden, denn die Wasserstoff-Wirtschaft werde mit der Solar- und Windenergie wachsen, ist Volker Tetzlaff, Corporate Vice President, Global Account Management der Siemens AG, überzeugt. 

So wundert es nicht, dass Christian Bruch, Präsident und CEO, Siemens Energy, als Teilnehmer einer Diskussion zu “Spielverändernden Unternehmensstrategien” eingeladen war. Letztlich steht jeder der Aussteller der ONS 2022 vor der Herausforderung, mit spielverändernden Konditionen fertig zu werden. Und weil es dafür Vertrauen braucht, hatten die Organisatoren der ONS für die  Messe in diesem Jahr mit dem Thema Trust voll ins Schwarze getroffen.

Jutta Falkner

Sehen Sie hier das Interview mit Elon Musk.

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