
Oslo, 30. Juni 2022. In den vergangenen 20 Jahren, 2002 bis 2021, lag der Füllstand der norwegischen Stauseen Ende Juni im Durchschnitt bei 63,7 Prozent. In diesem Jahr waren die Speicher zu diesem Zeitpunkt nur zu 53 Prozent gefüllt. Die norwegische Direktion für Wasserressourcen und Energie (NVE) hat den Netzbetreiber Statnett AS daher aufgefordert zu untersuchen, welche Maßnahmen im Falle einer sehr angespannten Situation der Stromversorgung in Kraft gesetzt werden müssen. Der Bericht soll im Oktober 2022 vorliegen.
„Wir haben eine Speicherfüllung nahe dem historischen Minimum, hohe Preise in der nordischen Region und hohe Gaspreise kennzeichnen den Strommarkt in Europa. Aus diesem Grund bitten wir Statnett jetzt, die Notwendigkeit zukünftiger Maßnahmen zur Bewältigung einer sehr angespannten Stromversorgungssituation zu untersuchen“, sagt Inga Nordberg, Direktorin der Energie- und Lizenzierungsabteilung bei NVE.
Allerdings könne man noch nicht einschätzen, ob es notwendig sein wird, die Maßnahmen umzusetzen. In den kommenden Monaten könne sich viel ändern. „Wir können im Sommer und Herbst viel Regen bekommen, und die Situation kann sich international normalisieren. Aber als Gesellschaft sollten wir auf ein Szenario vorbereitet sein, in dem das Gegenteil passieren kann“, so Nordberg.
Statnett hat bereits Studien zu Maßnahmen zur Stromversorgung erarbeitet, um auf anspruchsvolle Situationen vorbereitet zu sein. Als Ergebnis wurden im Jahr 2006 bereits zwei Notfall-Maßnahmen genehmigt: die Nutzung der Reservekraftwerke in Nyhamna und Tjeldbergodden und Energieoptionen beim Verbrauch. Im Jahr 2014 führte Statnett eine umfassende Bewertung des zukünftigen Bedarfs und der Effizienz von Notfall-Maßnahmen durch. Seit 2014 habe sich das Energiesystem in Norwegen und in den Nachbarländern stark verändert, teilt NVE mit. Im Energiesystem fänden große Veränderungen statt, gleichzeitig würden immer mehr Bereiche elektrifiziert. Die Länder um Norwegen herum hätten einen zunehmenden Anteil an unregulierter Stromerzeugung.
Aufgrund der aktuellen besonderen Stromsituation hat NVE nun eine erneute Überprüfung der Notwendigkeit zukünftiger SAKS-Maßnahmen angefordert.
In Südnorwegen herrschen derzeit hohe Strompreise. In Südwestnorwegen lag der Wochenpreis bei 222 Öre / kWh, was einer Steigerung von über 20 Prozent gegenüber der Vorwoche entspricht. Zu Beginn der Woche folgten die Strompreise im Südwesten Norwegens für mehrere Stunden den Preisen auf dem europäischen Kontinent. Am 27. Juni lag der Strompreis in Südwestnorwegen bei über 500 Öre/kWh. Dies geschah in Hochlaststunden mit geringer Solar- und Windstromproduktion in der nordischen Region und auf dem Kontinent. In Südost- und Westnorwegen lagen die Wochenpreise auf dem Niveau der Vorwoche und immer noch bei 160 Öre / kWh. Netzengpässe führten in Südost- und Westnorwegen zu niedrigeren Strompreisen als in Südwestnorwegen.
In Südnorwegen wurde in der vergangenen Woche in 162 von 168 Stunden Strom exportiert. Die hohen Preise auf dem Kontinent trugen zu einer erhöhten norwegischen Wasserkraftproduktion und den bisher zweithöchsten Nettoexporten über eine Woche aus Südnorwegen in diesem Jahr bei.
In Mittel- und Nordnorwegen sank der Wochenpreis um 20 Prozent auf 8 Öre / kWh. Es gibt mehrere Faktoren, die zu den niedrigen Preisen beitragen. Der Füllungsgrad der Wasserreservoirs liegt in diesen Preisgebieten über dem Median, und in diesen Gebieten lag in diesem Winter viel Schnee. Die hohen Temperaturen im Norden sorgen dafür, dass in kurzer Zeit viel Schnee schmelzen wird. Neben der guten Ressourcensituation stieg die Windstromproduktion gegenüber der Vorwoche. Es gibt auch reduzierte Exportmöglichkeiten aus Nordnorwegen aufgrund geplanter Wartungsarbeiten, was zu niedrigeren Strompreisen beiträgt.
Finden Sie hier Grafiken zum Füllstand der Stauseen in Norwegen.