Interview mit Tom Jensen, CEO der FREYR Battery AS in Mo i Rana

Der Aufbau ausreichender Kapazitäten zur Speicherung Erneuerbarer Energie gehört zu den größten Herausforderung der grünen Transformation. Um sich vom asiatischen Markt, insbesondere von China, unabhängig zu machen, entstehen gegenwärtig in Europa zahlreichen Fabriken zur Herstellung von Batteriezellen. In Norwegen befinden sich drei Fabriken im Bau. BusinessPortal Norwegen sprach mit Tom Einar Jensen, CEO der FREYR Battery AS. Sein Unternehmen baut im Norden Norwegens, in Mo i Rana, eine Produktion für Batteriezellen auf. Export Finance Norway hat während der Vorstellung der norwegischen Batteriestrategie seine Bereitschaft bekundet, sich gemeinsam mit anderen Finanzierungsanbietern und Investoren an der Finanzierung des Projekts mit bis zu vier Milliarden Kronen zu beteiligen. Jensen ist überzeugt, dass Norwegen mit seiner hohen Verfügbarkeit an erneuerbarer Energie eine wichtige Rolle für Europas Speicherbedarf spielen wird.
Herr Jensen, es gibt in Europa jede Menge Bekenntnisse und auch Initiativen zum Aufbau einer eigenen Batterieindustrie. Wo steht Europa heute bezüglich der geplanten Unabhängigkeit in der Batterieproduktion?
Tom Jensen: Ich sehe hier drei Punkte als wesentlich an. Erstens: In Europa gibt es gegenwärtig etwa 55 Vorhaben zum Bau von Mega- und Giga-Batteriefabriken. Bei mehr als 80 Prozent handelt es sich um sogenannte Power Point Companies, die niemals gebaut werden. Einige von ihnen werden nicht überleben. Natürlich hoffe ich, dass sie es schaffen – aber alle kämpfen um die Aufmerksamkeit der selben Investoren, alle brauchen einen Finanzierung, staatliche Garantien, brauchen Fachkräfte und Kunden. Und die Kunden brauchen Sichtbarkeit und Sicherheit. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass das Unternehmen wirklich liefern wird. Sie fordern Beweise für die Machbarkeit der Projekte, bevor sie sich vertraglich binden. Die Konkurrenz untereinander ist sehr groß, der Raum für Batteriefabriken ist überfüllt, so dass wir eine Konsolidierung in der Industrie erleben werden. Aber niemand kann sagen, wann. Ich denke, es bleiben etwa zehn große Batteriefabriken in den nächsten zehn bis 15 Jahren übrig. Eine davon sind wir.
Zweitens sind sich die EU-Kommission und die Regierungen in Europa der Notwendigkeit der Energiewende bewusst, aber der gesetzliche Rahmen, in dem diese Umstellung erfolgen soll, ist noch nicht vollständig ausgearbeitet. Man braucht eine Regulierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette, vernünftige Umweltauflagen und Governance. Aber Mechanismen wie die Risikoregulierung, Finanzierungsinstrumente oder staatliche Garantien sind noch nicht im notwendigen Umfang implementiert. Wir, die Akteure, wollen keinesfalls weniger Regeln. Aber wir brauchen die Regeln jetzt. Die Prozesse vollziehen sich zu langsam. Das Tempo muss dramatisch erhöht werden, ohne die Qualität der Prozesse dabei zu mindern.

Die europäische Batterieindustrie bemüht sich seit 30 Jahren, zur asiatischen Entwicklung aufzuschließen und die asiatischen Zulieferungen abzulösen. Das erfordert auch ein erhöhtes Engagement der Regierungen, auch sie müssen ins Risiko gehen.
Drittens schließlich müssen die Unternehmen enger zusammenarbeiten. Die Industrie ist extrem kapitalintensiv, es braucht umfangreiche Investitionen, um all die geplanten Anlagen zu errichten. Wenn die Welt in Richtung Dekarbonisierung gehen und die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen will, müssen sehr viel mehr Batterien produziert werden, als viele Leute glauben. Das heißt nicht automatisch, dass die Nachfrage auf diesem Level liegen wird. Aber Batterien werden als Speicherlösungen immer mehr Bedeutung erlangen, nicht nur für Elektroautos, sondern auch für die dringende Dekarbonisierung der Energiesystems. Mehr Energie aus verschiedenen Quellen und Orten setzt das Energiesystem gewaltig unter Druck. Mehr Strom aus Sonne und Wind erfordert auch die Schaffung von mehr Ressourcen, die kontinuierlich zur Verfügung stehen und kontinuierlich in die Netze eingespeist werden können. Wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht bläst, brauchen wir gespeicherte Energie.
Welche Technologien sind dafür notwendig? Bisher müssen andere Gas- und Kohlekraftwerke einspringen, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht.
Tom Jensen: Mit unserer industrialisierten 24M Semi-Solid-Technologie bieten wir eine äußerst wettbewerbsfähige halbfeste Lithium-Ionen-Batterie für die Speicherung erneuerbarer Energie. Mit ihr können wir einen vollständig erneuerbaren Wind-Solar-Speicher schaffen, der auf dem Batteriesystem basiert. Wir nutzen dabei einen Mix an Speicherung aus Wind und Sonne und das damit einhergehende System der negativen Korrelation, also wenn der Windanteil steigt, fällt der Sonnenanteil und umgekehrt. 24M ist eine revolutionäre Technologie und die Lithium-Ionen-Batterie die sich am schnellsten entwickelnde und wettbewerbsfähigste Lösung im Markt. Sie kann überall eingesetzt werden – vorausgesetzt, die Lieferkette und alles andere sind vorhanden.
Die Technologie allein garantiert aber sicher noch nicht den Erfolg im gegenwärtigen Wettbewerb der Batterieprojekte. Warum, glauben Sie, wird FREYR überleben?
Tom Jensen: Zuerst: Wir sind an der New Yorker Börse gelistet und haben mehr als 700 Millionen US-Dollars eingesammelt. Zum 31. März 2022 verfügte FREYR Battery über Barmittel in Höhe von 524,6 Millionen US-Dollar. Diese Finanzierungsbasis ist schon einmal eine gute Voraussetzung. Sie gibt uns die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit auf uns zu lenken, Kunden zu akquirieren, die Organisation aufzubauen und immer stärker zu werden. Aber das ist nicht genug um dort zu sein, wo wir hinwollen. Andere Unternehmen sind auch auf dem Weg, aber in einem sehr herausfordernden Marktumfeld für Risikokapital. Die zweite Sache, die uns optimistisch in die Zukunft schauen lässt, sind unsere hervorragenden Mitarbeiter. Wir konnten viele Leute aus der norwegischen Öl- und Gasindustrie und der Aluminium- und Prozessindustrie gewinnen, die über jahrzehntelange Erfahrungen beim Aufbau, der Ausweitung und im Betrieb von Lösungen energieintensiver Prozesse haben. Mit diesem Schatz können wir unsere Versprechen gegenüber unseren Investoren einhalten und sind in der Lage, mehr Kapital für weiteres Wachstum zu akquirieren.
Die Aktienmärkte sind momentan sehr volatil. Ist das ein Problem für FREYR?
Tom Jensen: Nein. Wir haben große Aktionäre und damit eine starke Investorenbasis und sind von der Volatilität relativ wenig betroffen. Aber natürlich ist die Kapitalbeschaffung über die Börse insgesamt eine herausfordernde Angelegenheit.
Ihr Unternehmen plant den Bau von Produktionsstätten in Norwegen, Finnland und in den USA. In Mo i Rana, im Norden Norwegens, will FREYR bis 2025 in zwei Ausbaustufen eine Produktionskapazität von bis zu 43 GWh für Batteriezellen entwickeln und das Unternehmen damit als einen der größten Lieferanten von Batteriezellen in Europa positionieren. Warum haben Sie für Ihre Giga-Fabriken einen Standort am Rande Europas gewählt?
Tom Jensen: Wir bauen in Norden Norwegens, weil wir hier ausreichend erneuerbare Energie zur Verfügung haben und die niedrigsten Energiekosten, sehr viel niedrigere als in Südnorwegen oder anderen Standorten in Europa. Zwar gibt es im Süden Norwegens auch genug Energie, aber der Strom ist zehnmal so teuer wie im Norden. Das schmälert die Profitabilität natürlich beträchtlich, und langfristige Verträge für die Stromzulieferung, so wie wir sie bereits unterzeichnet haben, lassen sich nicht so leicht realisieren.
Die EU hat mehrere Initiativen und Förderprogramme zum Aufbau der europäischen Batterieindustrie gestartet. Wie sind norwegische Unternehmen in diese Programme eingebunden?
Tom Jensen: Bisher gab es nicht viele Interaktionen zwischen EU-Förderinstrumenten und norwegischen Unternehmen. Aber wir denken, dass sich das jetzt ändern wird. Öffentliche Gelder spielen eine wichtige Rolle zur Risikominderung – egal ob in Form von Garantien, Zuwendungen oder der Kreditvergabe. Staatliche Kreditversicherungen, multilaterale Institutionen, Banken wie die Europäische Investitionsbank oder die nordische Investitionsbank oder Wirtschaftsförderagenturen müssen schnell langfristiges, kostengünstiges Kapital zur Verfügung stellen oder Garantien übernehmen, damit die Batterieindustrie erfolgreich privates Kapital akquirieren kann. Alles das passiert gerade.
Was unser Unternehmen betrifft: Wir fragen nicht nach direkten Zuwendungen oder Geschenken. Wir brauchen auch keine Extrabehandlung gegenüber unseren Wettbewerbern in der EU. Aber wir fordern die selben Bedingungen.
Wie unterstützt der norwegische Staat die Batterieprojekte im Land?
Tom Jensen: Die norwegische Regierung hat Ende Juni ihre Batterie-Strategie vorgelegt. Norwegen will eine führende Rolle in der Energietransformation spielen – unter Einbeziehung der Batterieproduktion im Lande. Eine Frage dabei wird sein, wie Norwegen seine finanzielle Stärke nutzt. Wir sind in einer guten Position, denn wir verfügen über einen Ölfonds im Umfang von 1,2 bis 1,3 Billionen Euro.
Norwegens ist der bedeutendste Produzent Erneuerbarer Energien in Europa und ein bedeutender Stromexporteur. Angesichts der ambitionierten Elektrifizierungsvorhaben und des hohen Bedarfs an sauberer Energie wird aber auch in Norwegen bis 2030 die Energie knapp, wie die Norwegische Direktion für Wasserressourcen und Energie (NVE) kürzlich warnte. Denken Sie, dass Norwegens natürliche Vorteile in der Energieproduktion auch in einigen Jahren noch Bestand haben werden?
Tom Jensen: Vor einigen Wochen hat die norwegische Regierung ein großes neues Windprojekt vorgestellt. Ziel ist es, so viel Strom aus Offshore-Wind zu erzeugen wie heute insgesamt in Norwegen produziert wird.
Norwegen wird seine Ambitionen und die Geschwindigkeit der grünen Transformation weiter erhöhen. Die grüne Natur der Energie bleibt ein Vorteil für Jahrzehnte und mehr.
Aber jeder will jetzt grüne Energie einsetzen und jeder muss die Transformation beschleunigen. Was ich den Politikern in Norwegen immer sage: Wir müssen in der Lage sein, sowohl Energie zu exportieren, was wir seit vielen Jahren auf verschiedene Weise tun, als auch die Vorteile für den Aufbau einer energieintensiven Industrie in Norwegen nutzen.
Energie ist unsere Kernkompetenz, die industrielle DNA Norwegens. Wir wissen, wie man Energie managt, wie man sie exportiert, wie man damit handelt und wie man sie für die Gesellschaft nutzt. Vielleicht macht uns unser Ölfonds ein bisschen faul. Momentan brauchen wir nicht dringend neue Windanlagen, wir haben heute einen Energieüberschuss in Norwegen. Und wenn die Leute heute sagen: Bitte kein Windrad in meinem Garten – ich verstehe das. Aber gleichzeitig müssen die Politiker Kompromisse eingehen und Lösungen für die nächste Generation finden.
Können Sie auch ein bisschen faul sein? Ein Großteil der Produktion der neuen Fabrik, die es noch gar nicht gibt, ist bereits verkauft.
Tom Jensen: Ja, tatsächlich sind 90 Prozent der Produktion unserer Giga-Fabrik der ersten Ausbaustufe bereits verkauft. Das verleitet uns aber nicht dazu, uns zurückzulehnen. Im Gegenteil. Es bringt uns dazu, den Aufbau neuer Kapazitäten zu beschleunigen. Wir werden weiterhin ein bisschen früher aufstehen als andere.
Welche Beziehungen haben Sie zu deutschen Unternehmen, insbesondere aus der Automobilindustrie?
Tom Jensen: Es gibt noch keine Verträge mit deutschen Firmen, aber wir sind im Dialog. Interessant für uns sind nicht nur die Automobilkonzerne, sondern auch Zulieferer, Maschinenausrüster, Energiespeicher-Firmen und Start-ups, die neue Lösungen beispielsweise im Bereich Mobilität anbieten.
Deutschland hat ein starkes industrielles Rückgrat. Manche deutsche Firmen sind vielleicht ein bisschen langsam, aber ich gehe davon aus, dass sie sofort aufwachen, wenn sie herausgefordert werden. Tesla hat die ganze Kfz-Industrie verändert. Volkswagen, BMW oder Daimler wären heute nicht dort, wo sie sind, wenn sie die Entwicklung der Elektromobilität nicht so hart getroffen hätte. Das ist faszinierend.
Volkswagen hat sich an die Spitze der Bewegung gesetzt. Wir sind strategische Partner bezüglich der Entwicklung und des Einsatzes der 24M Technologie. FREYR hat von 24M Technologies, Inc., die erste Lizenz zur Herstellung von Lithium-Ionen-EV-Batterien unter Verwendung der SemiSolid™-Plattform erhalten, VW die zweite.
Sie haben auch gute Beziehungen zu Siemens.
Tom Jensen: Siemens bietet einen Großteil der Ausrüstungen und Lösungen für unsere erste Fabrik, die als Pilotprojekt für unsere Kunden dienen soll und die noch in diesem Jahr eröffnet wird. Im Bereich Speicheranwendungen und -lösungen arbeiten wir eng mit Siemens Energy zusammen. Beide Firmen sind für uns wichtig, sowohl als Zulieferer von Lösungen für Ausrüstungen als auch in der Diskussion mit den Kunden im Bereich der Batteriespeicherung.
Woher beziehen Sie die Rohstoffe? Haben Sie Bedenken bezüglich der Verfügbarkeit und der Preisentwicklung?
Tom Jensen: Der Planet hat mehr als genug Mineralien und Metalle, um die chemische Industrie und andere Bereiche zu versorgen. Es gibt immer wieder Flaschenhälse, und wir sehen, dass die Preise für Lithiumkarbonat und Lithiumhydroxid dramatisch gestiegen sind. Aber wir haben sichere Verträge für alle unsere Rohmaterialien und diskutieren jetzt Preise und Umfang der Lieferungen.
Die Verfügbarkeit der Rohstoffe sehen wir nicht als Problem, weil wir diese Materialien lokalisieren werden, entweder als Partner, Lizenznehmer oder im Joint Venture mit den Herstellern. Sie sollen in unmittelbarer Nähe unserer Produktionsstandorte hergestellt werden. Das müssen wir auch tun, weil die Käufer unserer Batteriezellen grüne Materialien als Basis fordern. Und dazu braucht man erneuerbare Energien, die es in der nordischen Region zur Genüge gibt. Daher erwarten wir auch einen Zustrom ausländischer Unternehmen nach Norwegen.
Wir sind momentan im Gespräch mit dem taiwanesischen Hersteller von Batteriematerialien Aleees über die Gründung eines Joint Ventures zur Produktion von Lithiumeisenphosphat, das Kathodenmaterial für Batterien, in Mo i Rana. Das Unternehmen würde die weltweit erste LFP-Kathodenanlage im Giga-Maßstab außerhalb des chinesischen Festlandes bauen und betreiben. 2024 soll die Produktion starten, zeitgleich mit unserer Batterieproduktion.
Sie haben in den vergangenen Jahren in verschiedenen Unternehmen sehr verschiedene Positionen begleitet. Was hat Sie zur Batterieindustrie getrieben?
Tom Jensen: Der Einsatz von Batterien als Energiespeicher ist der schnellste Weg zur Dekarbonisierung. Ich habe mir die Frage gestellt, was ich meinen Kindern in zehn Jahren antworte, wenn sie fragen, welchen Beitrag ich geleistet habe, um die Klimaziele zu erreichen. Mit dem Aufbau einer Batteriefabrik fällt der Beitrag nicht ganz klein aus.
Hinzu kommt, dass die FREYR-Familie aus Leuten besteht, die sich sehr für den Klimawandel engagieren, aber gleichzeitig auch verstehen, dass wir den Klimawandel nur im großen industriellen Maßstab bekämpfen können.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Jutta Falkner.
Zur Person
Tom Einar Jensen ist Chief Executive Officer von des norwegischen Unternehmens FREYR AS, das gegenwärtig in Mo i Rana eine Batteriezellenfabrik errichtet.
Jensen war Mitbegründer und Partner von EDGE Global LLC. Zuvor war er in mehreren Positionen tätig, zuletzt als Partner und Senior Advisor bei SYSTEMIQ Ltd.
Jensen arbeitete außerdem als Executive Vice President bei Joule Unlimited und war Chief Executive Officer bei Agrinos AS. Bei Norsk Hydro begleitete Jensen Führungspositionen in den Bereichen Finanzen, Strategie und Geschäftsentwicklung.
Er hat einen M.Sc. in Finanzen und Wirtschaft von der Norwegian School of Economics.