DNV-Studie: Fähren besser für Norwegen als Brücken und Tunnel

Kleine, intelligent miteinander vernetzte Fähren sind konkurrenzfähig gegenüber Brücken und Tunneln.©D V

Oslo, 11. Mai 2022. Automatisierte Fähren, ausgestattet mit wenig Personal, sind eine Alternative zum Bau einer Brücke und eines Tunnels. Eine noch bessere Alternative zu teuren Brücken und Tunneln, deren Bau tief in die Natur eingreift. Das ist die wichtigsten Schlussfolgerungen einer Pilotstudie mit dem Titel Intelligente Fjord-Überquerung, die von der Klassifizierungs- und Zertifizierungsgesellschaft DNV erstellt und jetzt vorgestellt wurde.

Beteiligt an dem Projekt sind unter anderem das Green Shipping Program, das Norwegian Maritime Directorate, die drei größten Fährunternehmen Norwegens und einer Reihe von Akteuren aus der maritimen Industrie. Die norwegische öffentliche Straßenverwaltung Statens vegvesen ist ebenfalls involviert.

Derzeit gibt es in Norwegen etwa 130 Fährverbindungen, die von rund 200 Fähren bedient werden. Jährlich befördern diese Fähren rund 20 Millionen Fahrzeuge und 40 Millionen Passagiere. In den kommenden Jahren soll der Fährverkehr weiter zunehmen.  

2015 wurde die weltweit erste vollelektrische, emissionsfreie Fähre für die Überquerung des Sognefjords in Betrieb genommen. Mittlerweile sind auf den norwegischen Fährverbindungen mehr als 80 Fähren mit Batterien im Einsatz. Die CO2-Emissionen des norwegischen Fährverkehrs haben sich im Vergleich zu 2015 halbiert.

„Wir müssen weiterhin neu denken, innovativ sein, uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen, sondern die Chancen nutzen, die frühere Erfolgsgeschichten geschaffen haben. Das bedeutet, dass wir uns von der traditionellen Denkweise lösen müssen, wonach Brücken und Tunnel alle Verkehrsherausforderungen entlang der Küste lösen müssen“, sagt Pia Meling, Projektleiterin der Studie zum künftigen Verkehrsfluss entlang der Küste und Vizepräsident Vertrieb & Marketing von Massterly – einem Joint Venture zwischen der Wilhelmsen Gruppen und Kongsberg Maritime für den Betrieb von automatisierten Schiffen.

Mehr – nicht weniger Fähren

Heute werden Autos und Passagiere mit unabhängigen Einzelfähren über Fjorde und Meerengen transportiert. Eine andere, ebenfalls eigenständige Schwesterfähre fährt oft auf der gleichen Strecke, wenn der Fahrplan dies vorsieht. Und jenseits der benachbarten Meerenge liegt eine dritte Fähre, die einer anderen Reederei gehört und mit der sie nie kooperiert. Das ist schon lange so, muss aber nicht so bleiben.

Das Fazit der Studie: Unabhängige Einzelfähren werden durch eine Flotte von Schiffen ersetzt, mehrere, aber kleinere Fähren, die sich gegenseitig unterstützen und entsprechend der Echtzeitnachfrage verkehren, wo Autos und Fähren miteinander „reden“.

Mehr Fähren auf einer Verbindung sorgen für eine höhere Anlauffrequenz und einen besseren Verkehrsdienst für die Bevölkerung.

Die Lösung besteht laut Studie darin, eine Reihe von Fähren mit einer einfacheren Konfiguration zu bauen und mit weniger Besatzung an Bord zu betreiben, unterstützt von einem voll bemannten und fortschrittlicheren Mutterschiff, das ein lokales Sicherheitsnetz für die einfacheren Fähren bildet.

Eine Flotte, die aus einem Mutterschiff und mehreren kleineren Tochterschiffen besteht, kann zudem durch digitale Dienste und kompetente Ressourcen von einer Leitstelle an Land aus unterstützt werden.

Kleinere Fähren sind kostengünstiger. Sie können elektrifiziert werden und auch die Energieeinsparungen sind groß, da in verkehrsarmen Zeiten nur eine einzige kleine Fähre unterwegs ist. Heute steht unabhängig von der Nachfrage eine relativ große Fähre auf dem Fahrplan, oft mit wenigen Autos und Passagieren an Bord.

Die heutigen Fähren

Der Fährbetrieb ist heute von viel Handarbeit geprägt. Das Zählen der Passagiere ist zeitaufwändig. Das Car-Routing erfolgt manuell. Die Bedienung von Bugbügel, Antriebsbrücke und Antriebsluke erfolgt ebenfalls manuell. Das Navigieren und Manövrieren der Fähre, was oft eine einfache und sehr repetitive Aufgabe ist, bindet Personal auf der Brücke.

In diesem Pilotprojekt werden die Interaktion zwischen Mensch und Technik und der Grad des Technikeinsatzes durch die Zuordnung von Funktionen für alle Betriebsphasen erfasst. Insgesamt sind 45 Funktionen, aufgeteilt in sechs Betriebsphasen, definiert.

Laden Sie hier die Studie herunter.

Mehrere unterschiedliche Szenarien wurden definiert und analysiert – im Hinblick auf Überfahrtszeit, Verkehrsaufkommen und Verkehrsschwankungen. Allen gemeinsam war, dass keine Fähren völlig unbemannt sein sollten. Auf allen Fähren wird es eine Besatzung geben, um die Sicherheit der Passagiere zu gewährleisten.

„Nur wenn wir ein solches Verkehrssystem in seiner Gesamtheit neu denken: werden Fährsysteme mit Brücken und Tunneln konkurrenzfähiger werden“, Meling. Solche Lösungen könnten auch exportiert werden. Hier habe Norwegen eine lange Traditionen. Hier könne es weiteres Wachstum generieren, neue Werte schaffen und neue Arbeitsplätze in Bereichen schaffen, in denen Norwegen einen Kompetenzvorsprung hat.

Entwicklungsverträge – ein Muss

Auftraggeber für die Fährverbindungen in Norwegen sind die Norwegische Straßenverwaltung und die Kreisverwaltungen. Durch die Nutzung von Entwicklungsverträgen in den kommenden Jahren könne es möglich sein, die Implementierung und Entwicklung von grüner Autonomietechnologie im Fährsektor zu beschleunigen, heißt es in der Studie.

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