Wirtschaftsbeziehungen Norwegens zu Russland und zur Ukraine

Im Norden Europas haben Russland und Norwegen eine gemeinsame Grenze. Die russische Stadt Murmansk und der norwegische Ort Kirkenes liegen nur wenige Kilometer auseinander.©BPN

Berlin, 25. Februar 2022 (aktualisiert am 5. März 2022). Der Überfall Russlands auf die Ukraine hat in vielfacher Hinsicht Auswirkungen auf Norwegen. Der Handel sowohl mit der Ukraine als auch mit Russland ist zwar gering. Ebenfalls halten sich die Investitionen in diesen Ländern in Grenzen. Die Volatilität der Aktienmärkte und die Preisentwicklungen von Öl und Gas, die der Krieg verursacht, können das Land jedoch hart treffen. 

Norwegen hat im vergangenen Jahr Waren im Wert von gerade 3,74 Milliarden NOK nach Russland geliefert, etwa 370 Millionen Euro. Die Importe aus Russland betrugen 21,81 Milliarden NOK. Damit liegt Russland auf Platz zwölf der wichtigsten Zulieferer. Die Handelsbilanz betrug 18 Milliarden NOK zugunsten Russlands.

Bis 2013 war Russland ein wichtiger Abnehmer norwegischer Fischereiprodukte. Nach der Annexion der Krim und den danach verhängten EU-Sanktionen schrumpften die Lieferung von 6,79 Milliarden NOK im Jahr 2013 auf 0,18 Milliarden NOK im Jahr 2015. Im vergangenen Jahr betrugen die Lieferungen 1,22 Milliarden NOK. Für 1,44 Milliarden NOK exportierte Norwegen Maschinen und Transportmittel nach Russland.

An erster Stelle der norwegischen Importe aus Russland standen 2021 verarbeitete Waren mit einem Importvolumen von 6,8 Milliarden NOK, gefolgt von Brennstoffen, Strom und Schmieröl in Höhe von 5,21 Milliarden NOK und chemischen Produkten. Strom bezieht Norwegen im äußersten Norden des Landes aus Russland zur Versorgung der Region um Kirkenes.

Der Handel mit der Ukraine betrug 2021 gerade 3,40 Milliarden NOK. Norwegen exportiert hauptsächlich Fischereiprodukte. 

Nach Angaben des norwegischen Statistikamtes SSB gab es 2020 50 norwegische Tochterunternehmen in Russland und 19 in der Ukraine. 

Die größten norwegischen Investoren in Russland sind der Energiekonzern Equinor ASA und der Farbenhersteller Jotun ASA. Equinor ist seit über 30 Jahren in Russland aktiv. Rosneft und Equinor sind langjährige Partner. 2012 unterzeichneten die Unternehmen eine strategische Kooperationsvereinbarung. Im Jahr 2017 gründeten sie das Joint Venture OOO SevKomNeftegaz, das die Erschließung des Severo-Komsomolskoe-Feldes betreibt. Im Dezember 2019 startete das Joint Venture mit der ersten Feldentwicklungsphase, und im Januar 2021 produzierte das Feld seine ersten Millionen Tonnen Öl und Kondensat.

Seit 2018 besteht zwischen den Unternehmen eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit in den Bereichen Arbeits- und Brandschutz, Arbeits- und Umweltschutz sowie Transportsicherheit bei der Umsetzung ihrer gemeinsamen Öl- und Gasprojekte.  2021 vereinbarten beide Unternehmen die Zusammenarbeit im CO2-Management.

Rosneft und Equinor sind seit Dezember 2020 Partner von OOO Angaraneft, an der das norwegische Unternehmen 49 Prozent hält. Angaraneft besitzt die Lizenz für das Danilovsky-Lizenzgebiet, in dem sich das Severo-Danilovskoe-Feld befindet. Im August 2021 überstieg die kumulierte Ölproduktion des Feldes eine Million Tonnen. Als Folge des Angriff Russlands auf die Ukraine hat Equinor am 28. Februar angekündigt, sich aus allen Joint Ventures in Russland zurückzuziehen und keine Investitionen mehr zu tätigen.

Der norwegische Spezialfarbenhersteller Jotun Jotun ist seit 1989 in Russland präsent und stellt seit 2017 in einem Werk nahe St. Petersburg Schiffs-und Schutzfarben her. Hier arbeiten mehr als 300 Mitarbeiter, der Umsatz in Russland macht zwischen zwei und drei Prozent des Gesamtumsatzes von Jotun aus.

Aufgrund des anhaltenden Konflikts zwischen Russland und der Ukraine sowie der verhängten Sanktionen hat auch Jotun beschlossen, seine Aktivitäten in Russland bis auf weiteres einzustellen. „Wir sind schon lange in Russland tätig. Wir haben dort ein gutes Team und eine moderne Produktionsstätte. Aber nach einer Gesamtbetrachtung halten wir es jetzt für richtig und notwendig, zu schließen“, erklärt Morten Fon, President und CEO von Jotun.

In der Ukraine hat Jotun kein Unternehmen, jedoch sind vier Mitarbeiter im Land beschäftigt.

Norwegische und russische Unternehmen haben auch eine gemeinsame Handelskammer, die ​​Norwegian-Russian Chamber of Commerce mit Sitz in Lysaker.

Der norwegische Staatsfonds Government Pension Fund Global ist an 51 russischen Firmen beteiligt. Ende 2021 hatten die Investitionen einen Wert von 27,4 Milliarden NOK, das sind 0,2 Prozent aller Investitionen des Fonds. Die größte Einzelinvestitionen mit 8,21 Milliarden NOK tätigte der Fonds bei der Gazprom PJSC. Damit gehörten den Norwegern 0,86 Prozent des staatlichen russischen Gaskonzerns. Allein im Jahr 2021 hatte der Fond seine Beteiligung um 4,23 Milliarden NOK aufgestockt. Wie Premierminister Jonas Gahr Støre während einer Pressekonferenz am 27. Februar erklärte, wird Norwegen die Investitionen des Staatsfonds in Russland einfrieren und die Beteiligungen abbauen.

Investitionen des norwegischen Staatsfonds in Russland

in Mrd. NOK©NBIM

In der Ukraine hat der Staatsfonds gerade drei Investments in Höhe von 238 Millionen NOK.

Die starken Kursschwankungen an den Börsen weltweit nach dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine nach Norwegen zog auch die Osloer Börse nach unten. Einzelne Unternehmen aber wie Equinor, Aker BP, DNO und Norsk Hydro konnten aufgrund des Preissprungs von Rohstoffen wie Öl, Gas und Aluminium starke Kurszuwächse erzielen.

Insgesamt hat die Instabilität, die der Krieg in der Ukraine mit sich bringt, für alle Volkswirtschaften negative Auswirkungen. Russland und die Ukraine sind große Weizenexporteure, und unmittelbar nach dem Einmarsch der russischen Armee stiegen die Preise stark an. Auch die Strompreise werden langfristig hoch bleiben, wovon sowohl norwegische Unternehmen als auch Haushalte betroffen sind.

Als direkte Nachbarländer mit einer gemeinsamen Grenze im hohen Norden arbeiten Norwegen und Russland vor allem im Bereich Meereswirtschaft und Fischerei eng zusammen. Jährlich werden Fischereiabkommen geschlossen. Das Abkommen mit Russland ist für Norwegen das wichtigste und größte bilaterale Fischereiabkommen. Norwegische und russische Forscher kooperieren zudem in der Barentssee im Umweltbereich. Das Ministerium für Klima und Umwelt gewährte auch im vergangenen Jahr finanzielle Unterstützung für Umweltprojekte mit Russland. Auch gibt es ein Abkommen über die Sammlung seismischer Daten bis zur und entlang der Grenzlinie auf dem Festlandsockel in der Barentssee und dem Arktischen Ozean.

Bis zur Annexion der Krim unterhielten Russland und Norwegen intensive politische Kontakte. 

Am 4. Juni 2013 führten Jens Stoltenberg und Dmitri Medwedew nach dem Barentsgipfel in Kirkenes bilaterale Verhandlungen und nahmen an einer symbolischen Grenzübertrittszeremonie zwischen Norwegen und Russland teil. 

Nach der Übernahme der Krim durch Russland besuchte Außenminister Sergej Lawrow am 24. und 25. Oktober 2014  anlässlich des 70. Jahrestag der Befreiung Nordnorwegens durch die Rote Armee den Ort Kirkenes. An der Veranstaltung von norwegischer Seite nahmen König Harald V., Premierministerin Erna Solberg und Außenminister Børge Brende teil, mit denen Lawrow ebenfalls Gespräche führte.

Einen besonderen Platz in den bilateralen Beziehungen nimmt die Frage der russischen Präsenz auf Spitzbergen ein. Russland unterhält auf der norwegischen Insel Svalbard (Spitzbergen) eine Polarstation und die Siedlung Barentsburg, zu der eine Kohlegrube gehört.  Seit April 2007 arbeitet die russische Regierungskommission auf Svalbard, um die Präsenz Russlands auf dem Archipel zu sichern. Am 2. September 2014 unterzeichnete der Präsident der russischen Regierung, Dmitri Medwedew, eine Verordnung zur Errichtung des russischen Wissenschaftszentrums auf Spitzbergen.

Am 29. September 2917 wurde die Europastraße E105 zwischen Kirkenes und Murmansk eröffnet. Gleichzeitig wurde damit die Stahlbaubrücke, die von der SCHACHTBAU Nordhausen GmbH gebaut und in einer spektakulären Aktion als Ganzes von Deutschland in den äußersten Norden Norwegens auf einem Schiff über 3.000 Kilometer transportiert wurde, ihrer Bestimmung übergeben.©SD/Henrik Jonassen
Segnung der neuen Straßenverbindung zwischen Kirkenes und Murmansk©SD/Henrik Jonassen 

Am 8. Februar 2019 ist das im September 2018 unterzeichnete neue Grenzabkommen zwischen Norwegen und Russland in Kraft getreten. Die Vereinbarung enthält eine aktualisierte und detaillierte Beschreibung über den Verlauf der Grenze zu Russland. Die norwegisch-russische Staatsgrenze ist 197,7 Kilometer lang.

Die Zusammenarbeit von Mensch zu Mensch über die Grenze im Norden hinweg sei aufgrund der stark autoritären Entwicklung in Russland seit langem eine Herausforderung. Die Situation für die Zivilgesellschaft sei jetzt sehr anspruchsvoll, teilte die norwegische Regierung am 5. März mit. Gleichzeitig erschwere die aus Russlands Feindseligkeiten resultierende Unsicherheit den Aufbau einer guten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Dies werde leider lokal und insbesondere von der Bevölkerung im Norden zu spüren sein. Die Regierung werde weiterhin die Zusammenarbeit und den Kontakt zwischen den Menschen unterstützen. Das Barents-Sekretariat in Kirkenes und eine Reihe norwegischer Organisationen stehen im Mittelpunkt dieser Arbeit.

„Sitzungsaktivitäten sowohl im Arktischen Rat als auch im Barentsrat werden bis auf weiteres verschoben. Wir werden diskutieren, wie die Zusammenarbeit in Zukunft weitergeführt werden kann und soll“, sagt Außenminister Huitfeldt.

Der Nordische Ministerrat friert die Zusammenarbeit mit Russland und Belarus ein. Dänemark, Estland, Finnland, Island, Lettland, Litauen, Norwegen, Polen, Schweden, Deutschland und die EU haben beschlossen, Russland vom Baltischen Rat auszuschließen. Belarus wird von seiner Rolle als Beobachterland im Baltischen Rat suspendiert.

„Wir bedauern, dass Russland eine Situation geschaffen hat, in der wir anderen elf Mitglieder keine Möglichkeit mehr finden, mit Russland im Ostseerat zusammenzuarbeiten. Russland ist einer der Gründer des Rates und bisher ein aktiver Teilnehmer“, erklärt Huitfeldt, der aufgrund der norwegischen Präsidentschaft seit Juli 2021 derzeit die Zusammenarbeit im Ostseerat leitet.

Der notwendige Regierungskontakt mit Russland bezüglich kritischer gesellschaftlicher Funktionen und nachhaltiger Ressourcenbewirtschaftung im Norden werde bis auf weiteres fortgesetzt.

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