
Hamburg, 15. Oktober 2021. Wer schon immer einmal im längsten und tiefsten Unterwassertunnel der Welt spazieren wollte, hatte auf dem ITS World Congress in Hamburg in dieser Woche dazu Gelegenheit. Am Gemeinschaftsstand der nordischen Länder Nordic+ lud das norwegische Unternehmen VIA Vital Infrastruktur Arena dazu ein, per 3D-Brille den digitalen Zwilling des Rogfast-Tunnels in der Region Stavanger zu besuchen. Allerdings war das kein Spaziergang. Wer die Tür zum Tunnel geöffnet hatte, sah sich einem brennenden Auto gegenüber. Nun galt es, den Brand zu löschen und gleichzeitig die Autos sicher aus dem Tunnel zu leiten.

Die VIA-Vital Infrastructure Arena ist das führende norwegische Cluster für sichere, intelligente und nachhaltige Verkehrsinfrastruktur. “Gemeinsam mit der Universität Stavanger haben wir einen digitalen Zwilling des längsten Unterwassertunnels der Welt, der in der Region Stavanger beheimatet ist, entwickelt. Ziel des Projekts war es, den Mitgliedsorganisationen, die ihre Mitarbeiter in Gefahrensituationen in Tunneln schulen müssen, bessere Sicherheitsschulungen zu ermöglichen”, erklärt Kommunikationsmanagerin Benedicte Titlestad.
Tina Ruohonen, Koordinatorin des EU-Projektes MOVE21, erläuterte das Vorhaben, europäische Städte und ihre Umgebung in intelligente, emissionsfreie Knotenpunkte für Mobilität und Logistik zu verwandeln. Mit der Umsetzung von 15 verkehrsbezogenen Innovationen sollen die Städte Oslo, Göteborg, Hamburg, München, Bologna und Rom ihre verkehrsbedingten Emissionen bis 2030 um 30 Prozent reduzieren. “Erste Überlegungen gibt es natürlich, aber wir haben noch keine Lösung, sondern brauchen weiter Unterstützung und Ideen, wie dieses Ziel erreicht werden kann”, sagt Ruohonen. Wichtig sei es zu identifizieren, welche Innovationen den größten Effekt zur Reduzierung der Treibhausgase haben.
Die Städte, die sich an dem Projekt beteiligen, bilden einen Nord-Süd-Korridor, in dem 20 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der EU erwirtschaftet werden. Lösungen zur Reduzierung des Transportes bringen hier entsprechend den größten Nutzen.
Über ein spannendes Projekt nördlich des Polarkreises berichtete Linn Terese Marken, Geschäftsführerin des Unternehmens Mobility Forus. Drei nordische Unternehmen haben sich zusammengeschlossen, um einen neuen autonomen öffentlichen Verkehrsdienst nördlich des Polarkreises bereitzustellen. Es sei das umfangreichste Pilotprojekt unter schwierigen Wetterbedingungen.

Das Projekt soll im Februar nächsten Jahres, im tiefsten Winter, starten. Der Februar ist der kälteste Monat des Jahres in Bodø, mit wechselnden Winden, durchschnittlich elf Tagen Schnee, sieben Tagen Regen und 6,5 Stunden Tageslicht. Zwei speziell angefertigte, vollelektrische Toyota Proaces werden ab diesem Zeitpunkt in der Stadt unterwegs sein. Der Dienst wird auf öffentlichen Straßen im Mischverkehr auf einer 3,6 Kilometer langen Strecke in der Innenstadt verkehren und den öffentlichen Personennahverkehr unterstützen. Drei der führenden Unternehmen im Bereich des autonomen Fahrens in Skandinavien arbeiten in dem Projekt zusammen: Norwegens Mobility Forus wird die Fahrzeuge mit der Allwetter-Selbstfahrsoftware des finnischen Technologieunternehmens Sensible 4 und der Daten- und Überwachungsplattform des dänischen Holo betreiben.

Olav Madland, CEO des norwegischen Unternehmens Applied Autonomy, Kongsberg, stellte in Hamburg die Mobility Services Platform vor, die Bewegungsdaten sammelt und verarbeitet und daraus Bewegungsmuster erstellt, mit denen Städte den öffentlichen Verkehr effizienter gestalten können. “Wir liefern die ganze Datenkette und ermitteln mit KI-Software Lösungen, mit denen Städte den Nahverkehr verbessern und so CO2 reduzieren können”, erklärt Madland. “Wir können simulieren, wie sich Leute von Tür zu Tür bewegen und geben den städtischen Behörden damit die Möglichkeit, vor allem für die letzte Meile des Transports das beste Verkehrsmittel zu finden.”

Applied Autonomy, gegründet 2017, liefert Lösungen und Dienstleistungen für nachhaltigen autonomen Verkehr. An der Entwicklung zahlreicher autonomer Fahrzeuge, die getestet werden oder bereits im Einsatz sind, ist das Unternehmen beteiligt.
Der ITS World Congress, der vom 11. bis 15. Oktober in Hamburg stattfand, ist der weltweit größte Kongress für intelligente Mobilität und autonome Verkehrsentwicklung. Der Kongress fand erstmals in Europa statt. Der Gemeinschaftsstand der nordischen Länder bot ein umfangreiches Informationsprogramm.
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