
Oslo, 27. Mai 2021. Die umstrittene norwegische Eisenbahnreform fordert ein weiteres und diesmal mit der königlichen Familie ein sehr prominentes Opfer. Seit der Zerschlagung der Norges Statsbaner (NSB) im Jahr 2019 verkehren in Norwegen vier verschiedene Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU), und mit weiteren Ausschreibungen sollen es noch mehr werden. Die Fahrzeuge der ehemaligen NSB wurden in das Eigentum der eigens geschaffenen staatlichen Rollmaterialverwaltung Norske tog überführt. Diese vermietet die Lokomotiven, Triebzüge und Reisezugwagen an die Gewinner der jeweiligen Ausschreibungen. Alle Fahrzeuge? Nein, denn der Kongevogn, der Eisenbahnwagen der königlichen Familie, lässt sich als einzelnes Spezialfahrzeug an kein Eisenbahnverkehrsunternehmen vermieten.
Also blieb der königliche Salonwagen an Vy Tog als Nachfolgerin der ehemaligen NSB hängen. Diese möchte den Kongevogn jedoch loswerden. Denn Vy Tog hat von den Fernstrecken einzig die Ausschreibung für die Bergenbahn gewonnen. Wünschte die Königsfamilie mit ihrem Salonwagen andere Strecken zu bereisen, müssten stets Verhandlungen mit den jeweiligen EVU aufgenommen werden. Solchen Aufwand möchte Vy tog gerne vermeiden. Zudem arbeitet das für die Bedienung des Kongevogn instruierte Personal seit der Reform bei SJ Nord. Als „Lösung“ des Problems wird das edle Fahrzeug jetzt in das Eigentum des Eisenbahnmuseums in Hamar überführt. Damit ist Norwegen als ein Land, das sich gerne als besonders umweltfreundlich präsentiert, als Folge der Eisenbahnreform nicht mehr in der Lage, der Königsfamilie eine angemessene Reise auf der Schiene zu ermöglichen.
Der heutige Kongevogn wurde 1993 von ABB Strømen gefertigt. Erstmals reiste der König damit zur Winterolympiade in Lillehammer. Der Kongevogn bietet einen großzügigen Salon sowie ein Büro. Für den König und die Königin befinden sich im Fahrzeug zwei komfortable Schlafwagenabteile mit Toilette und Dusche. Für Gäste sind zwei weitere Abteile mit Betten vorhanden. Ebenso gehören eine Küche und ein Raum für die Leibwächter zur Ausstattung.
Jürg Streuli, Fachjournalist
juerg.streuli@swissonline.ch