Öl und Gas sind nicht genug – Norwegens Exportwirtschaft als Sorgenkind

Öl und Gas machen fast die Hälfte der norwegischen Exporte aus. Was passiert, wenn der Bedarf an diesen Rohstoffen sinkt? Im Bild: Europipe 2, mit einer Länge von 620 Kilometern die längste der drei Gaspipelines nach Deutschland, am Startpunkt in der Gasaufbereitungsanlage Kårstø ©Iljfa C. Hendel

Von Jutta Falkner
Herausgeberin des
BusinessPortal Norwegen

Berlin, 9. Oktober 2020. Norwegen ist eine Energienation. Es ist kein Geheimnis, dass der norwegische Staatshaushalt von steigenden Öl- und Gaseinnahmen profitiert. Jahr für Jahr gleicht die norwegische Regierung den Staatshaushalt, der ohne die Öl- und Gaseinnahmen im Minus stecken würde, mit der Entnahme von Geldern aus dem Government Pension Fund Global aus. Dieser größte Staatsfonds der Welt speist sich aus den Öl- und Gaseinnahmen sowie aus Anlagegewinnen in Aktien, Immobilien und Wertpapieren weltweit. 

Was passiert, wenn Öl und Gas nicht mehr strömen oder die fossilen Brennstoffe auf dem Weltmarkt nicht mehr gefragt sind?

Zeitalter der fossilen Brennstoffe geht zu Ende

Allen ist klar, dass das Zeitalter der fossilen Brennstoffe zu Ende geht. “Wir wussten seit langer Zeit, dass die Petroleumproduktion nach ihrem Höhepunkt eines Tages zurückgehen wird. Es gibt starke Indikatoren, dass wir diesen Punkt jetzt erreicht haben”, erklärte Erna Solberg, seit 2013 Ministerpräsidentin des Landes, bereits in ihrer Neujahrsansprache 2014/2015. 

Tatsächlich kann Öl und Gas in Norwegen dank neuer Technologien noch lange produziert werden. Bisher ist gerade die Hälfte der Ressourcen gefördert und verkauft. 30 Prozent sind nach Angaben des norwegischen Petroleumdirektorates noch nicht erschlossen. Davon wiederum liegt die Hälfte in der Barentssee. Gegenwärtig wird aus 87 Feldern produziert, 95 Entdeckungen warten darauf, in die Produktion zu gehen. Das Interesse nationaler und internationaler Energiefirmen an der Erkundung und Produktion von Öl- und Gas ist nach wie vor hoch. An der jüngsten Ausschreibungsrunde um Lizenzen zur Erkundung und Produktion von Öl- und Gasvorkommen auf dem norwegischen Festlandsockel beteiligten sich im September dieses Jahres 33 internationale Konzerne.

Erwartete Gasverkäufe aus norwegischen Feldern©The Norwegian Petroleum Dirctorate/Norwegian Petroleum

Die Ressourcen würden noch lange reichen, doch der Bedarf geht zurück. Egal, welches Prognoseinstitut man heranzieht – alle sind sich einig, dass Erdgas ab Mitte der 2030er Jahre weniger gefragt sein wird als heute. Das norwegische Petroleumdirektorat sieht einen Rückgang der norwegischen Erdgasverkäufe sogar noch vor 2025. 

Gas als fossiler Rohstoff hat ein schlechtes Image. Immerhin verursacht die norwegische Öl- und Gasindustrie zehn Prozent aller in Norwegen anfallenden CO2-Emission. Dabei werden das Öl und Gas auf dem norwegischen Festlandsockel so CO2-arm wie in keinem anderen Land aus dem Boden geholt. Bis 2025 sollen 50 Prozent der Förderanlagen mit Landstrom versorgt werden. Bisher sind acht Felder voll elektrifiziert, acht Felder werden gerade von Dieselmotoren befreit und auf Landstrom umgestellt. Doch alle Maßnahmen zum Schutz der Umwelt werden der Öl- und Gasindustrie nichts nutzen. Das Zeitalter der fossilen Brennstoffe geht vorüber. Früher hat man um Öl und Gas Kriege geführt, heute werden Pipelines bis vor die Haustür der Verbraucher gebaut, und niemand will die Rohstoffe haben. 

Auch Norwegen nicht – zumindest nicht zur Beheizung und Stromerzeugung im eigenen Land. Das in Norwegen geförderte Erdgas wird fast vollständig exportiert. Und hier setzt die Kritik der Umweltschützer an. Norwegen würde sich selbst mit sauberer Energie aus Wasserkraft versorgen und Erdgas ins Ausland schaffen, wo es in Kraftwerken hohe CO2-Emissionen verursacht. Das stimmt. Allerdings sollte man beachten, dass norwegisches Erdgas in erster Linie per Pipelines in die EU geliefert wird und die Verarbeitung von Erdgas hier wesentlich klimafreundlicher erfolgt als in anderen Teilen der Welt.

Exporte von Öl, Gas und Gaskondensat©SSB, Norwegische Zentralbank

Die Bedeutung von Erdgas für die norwegische Exportwirtschaft ist enorm. Im vergangenen Jahr entfielen 47 Prozent aller norwegischen Exporte auf Erdgas, die Einnahmen aus den Exporten betrugen 424 Milliarden NOK. Die Branche erwirtschaftet etwa 25 Prozent des norwegischen BIP. 

Exporte als Indiz der Wettbewerbsfähigkeit

Bisher kennt Norwegen, ausgenommen eine kurze Phase in den 80er Jahren, nur positive Handelsbilanzen. Dank der Öl- und Gaslieferungen liegen die Exporte verlässlich über den Importen. Und Norwegen importiert viel, allen voran Autos und Maschinen. 

Wie schnell die Handelsbilanz aber von positiv auf negativ kippen kann, zeigte sich in diesem Jahr, da die Rohstoffpreise zeitweise in den Keller fielen. Im Juni überraschte Norwegen mit einem  Rekord-Handelsdefizit. 

Handelsbilanz mit und ohne Öl und Gas©Menon Economics, SSB

Angesichts der Tatsache, dass die Tage (oder Jahre) von Erdgas gezählt sind, stellt sich für Norwegen die Frage: “Was können wir außer Öl, Gas und anderen Rohstoffe exportieren? Was will die Welt aus Norwegen haben?” 

Die Antwort muss die sogenannte norwegische Festlandwirtschaft liefern, also die Branchen, die nicht mit der Öl- und Gasindustrie und mit der Lieferung von Plattformen verbunden sind. Diese Festlandwirtschaft taucht in allen Statistiken als eigene Kennziffer auf, auch bei den Exporten. Und es zeigt sich, dass der Anteil der Festlandwirtschaft an den Gesamtexporten in den vergangenen Jahren zwar leicht gewachsen ist – von einem dynamischen Wachstum, dass in Bälde die Exportlücke schließen muss, kann aber keine Rede sein. 

Nun stellt sich natürlich weiter die Frage, ob ein Land nicht auch ohne Exporte leben kann. Schließlich wird die Globalisierung mehr und mehr infrage gestellt. Protektionismus ist an der Tagesordnung. 

Tatsächlich sind hohe Exporte kein Ziel an sich. Sie sind nur ein Instrument, allerdings eines, das zum Wachstum des Wohlstandes beitragen kann. Warenlieferungen ins Ausland sind ein Indiz für die Wettbwerbsfähigkeit und Produktivität eines Landes. Wenn die Produkte im Ausland nicht begehrt sind, finden sie höchstwahrscheinlich auch im Inland nur schwer Abnehmer, und der Run auf Importwaren wächst. 

Entwicklung der norwegischen Exporte, blau-Exporte ohne Öl und Gas, orange-Öl und Gas– ©Menon Economics, SSB

Bezüglich der Wettbewerbsfähigkeit ist es um Norwegen nicht gut bestellt. Im Global Competitive Index des World Economic Forum 2020 lag Norwegen 2019 auf Platz 17. Im  Jahr zuvor belegte das Land noch Platz 11. Und tatsächlich konnten Produkte Made in Norway vom Wachstum des globalen Handels in den vergangenen Jahren nicht profitieren. Dass vor allem Schwellenländer wie China, Indien, Litauen, Bulgarien, die Slowakei oder Polen seit 1997 erhebliche Anteile am Welthandel zugewonnen haben, erstaunt nicht. Aber auch Deutschland, Spanien, die Niederlande, Portugal, Dänemark, die USA oder Schweden schlugen sich besser als Norwegen (mit und ohne Öl und Gas). Gegenüber 2010 hatten norwegische Waren einen immer geringeren Anteil an den Importen von Großbritannien, Deutschland, der USA, Dänemark, Frankreich oder Japan. “Kaum ein OECD-Land hat in den letzten 25 Jahren eine schwächere Exportentwicklung verzeichnet als Norwegen”, heißt es in dem im September 2020 veröffentlichten Bericht der Unternehmensberatung Menon Economics zum Zustand der norwegischen Exportwirtschaft.

Lediglich Fisch und Meeresfrüchte gehören zu den Gewinnern. Die Lieferungen ins Ausland haben sich seit 2010 fast verdoppelt. Auch chemische Produkte und Industriemaschinen konnten ihre Anteile an den norwegischen Exporten (ohne Öl und Gas) seit 2010 erhöhen. 

Exportentwicklung von Fisch und Meeresfrüchten in Milliarden NOK©Norwegian Seafood Council

Wenig Engagement in Schwellenländern

Norwegen liefert heute 77 Prozent seiner Waren in die EU, zehn Prozent nach Asien, acht Prozent nach Nordamerika und zwei Prozent nach Südamerika. Man bleibt also eher im sicheren Hafen, dort, wo die rechtlichen Rahmenbedingungen stabil und verlässlich sind. An der Erschließung der Wachstumsmärkte in Ost- und Mitteleuropa Anfang der 1990er Jahre hat sich Norwegen kaum beteiligt – ausgenommen das Telekom-Unternehmen Telenor, das sich früh in Ungarn, Bulgarien, Montenegro und Serbien engagierte, sich 2018 aber von seinen Unternehmungen in der Region getrennt hat.

Der riesige chinesische Markt war für Norwegen in den vergangenen Jahren schwer zugänglich. Als 2010 der Friedensnobelpreis an den Menschenrechtler Liu Xiaobo verliehen wurde, machte die chinesische Regierung Norwegen dafür verantwortlich. Das hatte eine Eiszeit zur Folge. Erst nach einem Staatsbesuch von Ministerpräsidentin Erna Solberg im Jahr 2016 haben sich die Beziehungen normalisiert. Jetzt florieren die norwegischen Exporte von Fisch und Meeresfrüchten in das Reich der Mitte. Beide Staaten verhandeln über ein Freihandelsabkommen. Es wird erwartet, dass dieses noch in diesem Jahr unterzeichnet wird. Dann, so erklärte Handels- und Industrieministerin Iselin Nybø kürzlich, würden die Exporte in die Höhe schnellen. Im vergangenen Jahr lieferte Norwegen Waren, vor allem Fisch und Meeresfrüchte, für 25 Milliarden NOK nach China. Dreimal so viel aber lieferte China nach Norwegen, nämlich Waren für 76 Milliarden NOK. Drei von vier importierten Mobiltelefonen und 90 Prozent aller importierten Laptops kamen aus der Volksrepublik. Der Tag, da China Deutschland als zweitwichtigstes Lieferland Norwegens überholt, liegt nicht mehr fern. 

Bei all den Exportstatistiken muss aber berücksichtigt werden, dass die norwegischen Exporte in den vergangenen Jahren wertmäßig in norwegischer Währung zwar annähernd stabil blieben, in Euro oder US-Dollar berechnet wegen der schwachen Krone jedoch zurückgegangen sind. 

Entwicklung norwegischer Exporte in Euro und US-Dollar©Menon Economics, SSB

Große Firmen dominieren Exportwirtschaft

Ein wichtiges Instrument zur Förderung von Exporten auf der ganzen Welt sind staatliche Exportgarantien. In Norwegen sind zwei Institutionen für Exportgarantien zuständig: GIEK und Exportkreditt, die demnächst zu einer Institution zusammengelegt werden. 85 Prozent der Exportkreditgarantien der GIEK wurde im vergangenen Jahr an große Unternehmen vergeben, nur 15 Prozent entfielen auf kleine und mittelständische Firmen. Die Öl- und Gasindustrie sowie der Schiffbau erhielten zusammen 64 Prozent der vergebenen Sicherheiten.

Exportgarantien der CIEK 2019 nach Branchen©GIEK-Jahresbericht 

Selbst wenn man Öl und Gas herausrechnet, werden nach Angaben der norwegischen Unternehmensberatung Menon Economics 70 Prozent der Exporte von nur einem Prozent der größten Unternehmen realisiert. Die fünf größten norwegischen Exporteure realisieren 40 Prozent der Festlandexporte. In der Gesundheitsbranche  sind 15 Firmen für 92 Prozent der Exporte verantwortlich. Festlandexporte werden also nicht auf mehrere Schultern verteilt, sondern sind abhängig von nur wenigen Unternehmen und damit anfällig für alle Widrigkeiten des Lebens.

Wenige große norwegische Firmen mit weltweiten Netzen

Eine wichtige Rolle bei Exporten spielen Tochterunternehmen im Ausland. Der deutsche Handel mit Ost- und Mitteleuropa beispielsweise spielt sich zum großen Teil zwischen den Müttern in Deutschland und den Töchtern deutscher Unternehmen im nahen Ausland ab. Autoteile rein, Autoteile raus – so heißt für nicht wenige Länder die Formel für den bilateralen Handel.

2018 hatten norwegische Unternehmen 4.331 Tochterfirmen weltweit, die meisten von ihnen in Europa. Das sind bis auf wenige Ausnahmen Dienstleistungsunternehmen. Sehr aktiv sind norwegische Immobilienfirmen im Ausland – wobei sie nicht immer von Norwegen aus agieren. 

Große Produktionsanlagen betreiben der norwegischen Aluminium-Konzern Hydro oder der Düngemittelhersteller Yara im Ausland. Mowi AS, eines der größten Fischunternehmen der Welt und der weltweit größte Produzent von Atlantischem Lachs, unterhält Fischfarmen in Norwegen, Schottland, Irland, auf Faroe Islands, in Kanada und in Chile. Fischverarbeitungswerke stehen in 28 Ländern. Die in diesen norwegischen Produktionsstätten hergestellten Produkte werden aber nicht durch die Welt geschickt, sondern in den Ländern oder Regionen, in denen sich die Anlagen befinden, vermarktet. In der Exportstatistik Norwegens tauchen die Einnahmen aus diesem Auslandsgeschäft somit nicht auf. 

Wenig Dynamik bei den Festlandexporten nach Deutschland

Der deutsch-norwegische Handel unterscheidet sich nicht von der Handelsstruktur Norwegens insgesamt. 56 Prozent der norwegischen Zulieferungen sind nach Angaben des Statistikamtes SSB Gas und 18 Prozent Öl und Ölprodukte, fünf Prozent Metalle, drei Prozent Transportmittel und drei Prozent Fisch und Meeresfrüchte. Diese Exportstruktur entspricht auch in etwa der Exportstruktur Russlands nach Deutschland (ohne Fisch und Meeresfrüchte). Deutschland liefert auch an Norwegen das, was es am besten kann: Autos, Autoteile und Maschinen. 2019 importierte Norwegen 42.000 Pkw aus Deutschland, das sind 23 Prozent aller Pkw-Lieferung. Insofern ist der Handel zwischen beiden Ländern sehr unausgeglichen und entspricht nicht der Struktur des Warenaustausches entwickelter Industrienationen. Deutschland steht mit einem Anteil von 10,8 Prozent hinter Schweden mit 11,8 Prozent auf dem zweiten Platz der Lieferländer, knapp gefolgt von China mit 10,2 Prozent, und ebenfalls auf Platz 2 hinter Großbritannien und vor den Niederlanden bei den Abnehmerländer. Alle drei Länder beziehen vor allem Erdgas. Trotz der Tatsache, dass Norwegen der zweitgrößte Gaslieferant Deutschland ist, schafft es das Land im Ranking der wichtigsten Handelspartner gerade auf Platz 22 als Lieferant und auf Platz 30 als Abnehmer deutscher Waren.

Deutsch-norwegischer Handel:Gesamtexporte, Importe und Festlandexporte©SSB

Nun definiert sich die Partnerschaft zwischen Norwegen und Deutschland aber nicht nur über den Handel. Norwegische Unternehmen bauen in Deutschland die Infrastruktur für Elektroautos auf, handeln mit Strom aus erneuerbaren Energien, produzieren Komponenten für die Automobilindustrie und Düngemittel in Deutschland, investieren gemeinsam in Windenergie, kooperieren eng mit deutschen Forschungsinstituten und engagieren sich gemeinsam mit deutschen Firmen in den Bereichen maritime Wirtschaft, Digitalisierung oder Meeresforschung.  

2019 hat die norwegische Regierung eine Deutschland-Strategie verabschiedet, die zahlreiche Bereiche benennt, in denen beide Länder eng zusammenarbeiten oder zusammenarbeiten wollen. Ganz oben auf der Agenda, sozusagen als Leuchtturmprojekte, bietet sich Norwegen als Partner für die Energiewende in Deutschland (und den European Green Deal in Europa) an. Ein Stromkabel wurde zwischen Deutschland und Norwegen verlegt, das ab 2021 sauberen Strom zwischen beiden Ländern transportiert. Im September 2018 haben Deutschland und Norwegen eine umfassende Vereinbarung über die industrielle Zusammenarbeit beim U-Boot-Bau vereinbart. Alle Vorhaben laufen – allerdings nicht wie am Schnürchen. Die Wasserstoff-Strategie der deutschen Regierung sieht nur die Förderung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien vor – obwohl Norwegen umweltfreundliche Technologie zur Herstellung von Wasserstoff aus Erdgas anbieten kann. Die Stromleitung NordLink, die gegenwärtig getestet wird, darf mit Inbetriebnahme am 1. Januar 2021 vorerst nur 11,7 Prozent ihrer Kapazität nutzen, weil das deutsche Stromnetz die volle Leistung nicht abnehmen kann. Norwegen wartet noch immer auf klare Signale aus Deutschland bezüglich der Teilnahme an dem Projekt zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid unter dem Meeresboden. Das CCS-Projekt ist inzwischen gestartet. Ohne  finanzielle Unterstützung aus Europa, unter anderem aus Deutschland, werde das Vorhaben schwer umzusetzen sein, betonte Norwegens Ministerpräsidentin Erna Solberg.

Deutsch-norwegischer Handel©Statistisches Bundesamt Destatis

Die Verträge zwischen Norwegen und Deutschland über den Bau identischer U-Boote sind noch immer nicht unterzeichnet. Eigentlich sollten sie im ersten Halbjahr 2020 vorliegen. 

Technologieführerschaft und engagierte private Unternehmen

Was also wird Norwegen Wohlstand bescheren, wenn Öl und Gas die Kassen nicht mehr auffüllen?

Norwegen hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Technologieführer in mehreren Bereichen entwickelt. Unternehmen des Landes bauen schwimmende Windparks vor den Küsten Norwegens, Japans, Südkoreas, Großbritanniens und der USA, elektrische Fähren und Schiffe mit Hybridantrieb, liefern per Kabel sauberen Strom nach Großbritannien, in die Niederlande, nach Dänemark und nach Deutschland. Sie beherrschen die CCS-Technologie und verfügen über langjährige Erfahrungen mit der Speicherung von Kohlendioxid unter dem Meeresboden. Sie arbeiten an der Herstellung von grünem, grauen, blauen und türkisen Wasserstoff und sind in Sachen Digitalisierung dem Rest der Welt davongerannt. Sie bieten attraktive Bedingungen für Rechenzentren, stellen so sauberes Aluminium her wie nirgends sonst auf der Welt und investieren in Batteriefabriken. Norwegische Unternehmen installieren Solarparks auf dem Meer, bauen Hochhäuser aus Holz, verarbeiten Algen als Nahrungsmittelergänzung, entwerfen spektakuläre Gebäude und erhalten internationale Preise für den besten Käse der Welt. 

Reichen diese Assets, um Norwegen weiterhin den gewohnten Wohlstand zu sichern? Können Technologie- oder Stromexporte, Meeresfrüchte oder Aluminium die Einnahmen erzielen, die bisher Öl und Gas erbrachten? Können sie genügend Arbeitsplätze sichern?

©BPN, The Explorer, Lefdal Mine Datacenter, NordLink, Mjøstårne, Siemens, Equinor, Mongstad Testzentrum

Der von der norwegischen Regierung im Oktober 2020 vorgestellte “Exportaktionsplan” gibt darauf keine Antwort. Letztlich sollte man von einer Regierung auch nicht erwarten, dass sie die Unternehmen zum Jagen trägt. Regierungen erobern keine Märkte, sie können nur Hilfestellung bei der Erschließung geben. Als vor 30 Jahren der Eiserne Vorhang fiel, sind vor allem deutsche und österreichische Unternehmen nach Ost- und Mitteleuropa geströmt. Deutschland steckte mitten in einer Krise, und da kamen die neuen Märkte im Osten als ein Zuwachs an Möglichkeiten gerade recht. Auf die Politik konnten sie dabei nicht bauen, denn die war vor allem mit Ostdeutschland beschäftigt.

Auch norwegische Unternehmen werden sich umorientieren, wenn die Lage ernst wird. Nicht die Exportwirtschaft  – das Unternehmertum allgemein muss stark sein. Hidden Champion werden gebraucht, engagierte, private Unternehmen, die Lust auf Expansion haben. 

Ein Füllhorn für die Zukunft

Allerdings kann Norwegen die notwendige Umstrukturierung im Vergleich zu anderen Öl- und Gasländern gelassen angehen, denn schließlich besitzt das Land für die Zeit nach Öl und Gas noch den bereits erwähnten Ölfonds – ein Füllhorn, das den Wohlstand der Norweger noch für weitere Generationen sichern kann. Jahr für Jahr entnimmt die Regierung Gelder aus dem Government Pension Fund Global, dem Ölfond, um das ansonsten zu erwartende Defizit im Staatshaushalt auszugleichen. Seit einigen Jahren ist diese Entnahme auf drei Prozent des Volumens des Staatsfonds zu Anfang des Jahres begrenzt (Ausnahmen wie die Corona-Krise erlauben höhere Entnahmen). Im Schnitt machen die Zuwendungen etwa 25 Prozent der Einnahmen des Staatshaushaltes aus. Im kommenden Jahr beispielsweise schießt der Ölfonds 313,4 Milliarden NOK zum Budget zu. Damit können schon einmal die Altersrenten der Norweger bezahlt werden.  

Das Summen aus dem Fonds, die die Regierung jährlich entnimmt, schmälern aber nicht das Volumen des Fonds, denn es handelt sich dabei um Beträge, die geringer sind als die Rendite, die der Fonds mit einer klugen, zukunftsgerichteten  Anlagenstrategie abwirft. Die durchschnittliche jährliche Rendite beträgt seit der Gründung des Government Pension Fund Global 5,8 Prozent. Im vergangenen Jahr konnte der Fonds sogar eine Rekord-Rendite von 19 Prozent vermelden, das waren 1.692 Milliarden NOK. Der Fonds selbst wird durch die Entnahmen also nicht angetastet und kann dem norwegischen Staatshaushalt noch viele Jahre als Lückenfüller dienen.  

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