
Oslo, 4. Januar 2020. Norwegen hat im vergangenen Jahr mehr Strom verbraucht als produziert. Wie das norwegische Wasser- und Energiedirektorat Norges Vassdrags- og Energidirektorat NVE mitteilt, war Norwegen erstmals seit 2010 wieder ein Stromimporteur. Die norwegische Stromerzeugung betrug im Jahr 2019 133,4 TWh und der Verbrauch 133,5 TWh. Im Sommer wurde viel Strom über die existierenden Stromkabel in die nordischen Länder und die Niederlande exportiert, im Winter mehr Strom importiert.
Seit 1960 gibt es immer wieder Jahre, in denen die norwegische Stromproduktion nicht ausreicht, um den Verbrauch im Land zu decken. Die Besonderheit in diesem Jahr bestehe darin, dass neben Strom aus Wasserkraft viel Windkraft erzeugt wurde. Ohne diese Windenergie müsste noch mehr Strom importiert werden, schreibt das Fachportal enerWE.
Insgesamt wurden in Norwegen nach Angaben der Statistikbehörde SBB im November 2019 12.867 GWh Strom produziert – 93,8 Prozent aus Wasserkraft, 2,1 Prozent aus Wärmekraft und 4,0 Prozent aus Windkraft. Während die Stromproduktion insgesamt gegenüber dem Vorjahresmonat um 5,5 Prozent zurückging, legte die Windproduktion um 15,9 Prozent zu.
Nach Angaben von SSB lag der durchschnittliche Strompreis in Norwegen im dritten Quartal bei 42,5 Øre/kwh, ein Rückgang um 23,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Haushalte hatten inklusive Steuern und Übertragungskosten 108,8 Øre/kwh zu zahlen, 11,8 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Etwa 70 Prozent des norwegischen Stroms wird zum Heizen verwendet.

Norwegen will in den nächsten Jahren die Gesellschaft vollständig elektrifizieren: Öl- und Gasplattformen sollen mit Strom versorgt werden, Fähren elektrisch fahren, Inlandsflüge mit E-Flugzeugen absolviert, Baustellen elektrifiziert werden und ab 2025 sollen nur noch emissionsfreie Pkw, hauptsächlich Elektroautos, zugelassen werden. Diese großen Elektrifizierungsprojekte werden einen zunehmenden Stromverbrauch zur Folge haben.
In diesem Zusammenhang gibt es in Norwegen umfassende Diskussion um den Bau eines Stromkabels NorthConnect nach Schottland. NVE hat im Auftrag des norwegischen Ministeriums für Erdöl und Energie die Auswirkungen des Kabels NorthConnect zwischen Norwegen und dem Vereinigten Königreich untersucht und jetzt einen entsprechenden Bericht veröffentlicht. Eine Genehmigung wurde noch nicht erteilt. NorthConnect ist ein 1400-MW-Gleichstromkabel, das zwischen Sima im Herzen des Hardangerfjords und Peterhead in Schottland geplant ist.
Die Realisierung von NorthConnect werde zu einem veränderten Stromfluss im norwegischen Stromnetz führen, aber keinen direkten Bedarf an neuen großen Netzinvestitionen auslösen. NorthConnect werde nur begrenzte Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in Norwegen haben, heißt es in dem Bericht.
Insgesamt gehen die Analysten von NVE davon aus, dass NorthConnect ein sozial tragfähiges Projekt ist. NorthConnect werde über seine 40-jährige Lebensdauer einen sozioökonomischen Überschuss von rund 8,5 Milliarden NOK erwirtschaften. Die Analyse basiert auf der langfristigen Strommarktanalyse von NVE für den Zeitraum 2019-2040.
Ein Stromkabel NordLink nach Deutschland befindet sich Bau und soll in diesem Jahr den ersten Strom liefern. 2021 geht das Kabel vollständig in Betrieb.
Lesen Sie hier einen Beitrag von Tor Arne Pedersen, Geschäftsführer des Unternehmens Scanergy, zur Notwendigkeit des Baus von Stromkabeln in das Ausland und des Ausbaus der Windenergie in Norwegen auf enerwe.no.
Finden Sie hier den Beitrag „Wir haben genug Strom ohne Windkraft und neue Kabel“ des Auors Hogne Hongset als Antwort auf den Artikel von Tor Arne Pedersen. Hongset hat viele Jahre in der Ölindustrie gearbeitet, darunter zehn Jahre als Informationschef bei Statoil. Vor seiner Pensionierung war er zehn Jahre lang als Sonderberater des Verbandes Industri Energi in der Industriepolitik tätig.