
Kirkenes/Nikel, 26. November 2019. Die Kola-MMC-Schmelze im russischen Nikel in der Region Pechenga liegt nur acht Kilometer von der norwegischen Grenze entfernt nahe Kirkenes in Nordnorwegen. Die veraltete Kupferschmelze gegenüber dem norwegischen Pasviktal (Sør-Varanger) wird von Nornickel betrieben, dem weltweit größten Produzenten von Palladium und hochwertigem Nickel und bedeutender Produzent von Platin und Kupfer. Präsident und Hauptaktionär ist Vladimir Potanin, einer der reichsten Oligarchen Russlands. Die Landschaft um Nikel ist ein ökologisches Katastrophengebiet. Die norwegischen Behörden haben sich über Jahrzehnte vergeblich bemüht, die Emissionen durch politischen Druck und finanzielle Unterstützung für die Einführung von Reinigungstechnologien zu verringern. Jetzt scheint das Aus für die Schmelze gekommen.
Das Schmelzwerk ist seit Jahrzehnten der größte Umweltverschmutzer Norwegens, denn der Großteil der jährlichen Emissionen von 70.000 Tonnen Schwefeldioxid fällt in die norwegische Natur und vergiftet auch die Beziehungen zwischen Norwegen und Russland.

Bis 2023 will Potanin das Umweltproblem seines Unternehmens vollständig gelöst haben Bei einem Treffen mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin im Januar 2017 erklärte er, dass die Schließung des Nickelwerkes in Norilsk 2016 nur der erste Schritt gewesen sei. Der Entwicklungsbericht 2016 bis 2023 des Unternehmens sehe vor, die geplante Reduzierung der Schadstoffemissionen in die Atmosphäre bis 2023 um 75 Prozent zu senken und Nornickel zu einem der Technologie- und Umweltführer der Bergbaubranche zu machen. Putin und Potanin sprachen bereits darüber, was bezüglich der Umsiedlung und Weiterbeschäftigung des freigelassenen Personals passieren soll. Im Nachhaltigkeitsbericht 2018 des Konzerns, der im Juni 2019 veröffentlicht wurde, ist das Ziel genannt, die Schwefeldioxidemissionen in Norilsk bis 2023 um das Vierfache zu senken, bis Ende 2019 sollen die SO2 -Emissionen in Nikel halbiert werden.
Am 17. Oktober dieses Jahres unterzeichneten Potanin und der Gouverneur der Region Murmansk, Andrei Chibis, ein Kooperationsabkommen, das auf die Entwicklung der Region abzielt und deren Investitionstätigkeit und touristische Attraktivität erhöhen soll. Bis 2023 sollen rund 140 Milliarden Rubel in die Wirtschaft der Region investiert werden. Ziel des Projekts ist es, nicht nur die Lebensqualität in den Städten von Norilsk Nickel in der Region zu verbessern, sondern auch Erträge aus sozialen Projekten und Programmen für die Bewohner der gesamten Region Murmansk zu erzielen. Von der Schließung der Schmelze ist darin nicht die Rede.

So kam die definitive Ankündigung der Betriebseinstellung des Werkes in Monchegorsk im Oktober überraschend. Allerdings nicht die Umweltprobleme waren der Antrieb. „Monchegorsk ist ein veraltetes und ineffizient Werk, Modernisierung ist unmöglich“, sagte Sergey Dubovitsk, Vizepräsident für strategische Planung, zum Annual Capital Markt Day am 18. November 2019 in London gegenüber TV21 in Murmansk. Das Unternehmen plant den Aufbau einer modernen Fabrik zur Kupferschmelze am selben Standort. Laut Dubovitsky ist es möglich, das derzeitige Werk in Monchegorsk zu schließen und die Produktion für eine Zwischenzeit in das metallurgische Kupferwerk Nadezhda in Norilsk auf der Halbinsel Taimyr zu verlagern.
Nur einen Monat nach der Ankündigung der Geschäftsführung von Nornickel folgte die erste konkrete Maßnahme. Im November wurde der ersten Ofens stillgelegt. Alleine dieser Schritt bedeutet eine Reduzierung der Umweltverschmutzung um 33 Prozent oder 23.000 Tonnen Schwefeldioxid. Die Abschaltung der drei Öfen der alten Fabrik soll nach Informationen der russischen Zeitung Lenta.ru schrittweise bis Ende 2020 erfolgen. Die empfindliche arktische Natur wird für die Erholung viele Jahre brauchen.

Was mit den Mitarbeitern passiert, ist momentan noch unklar. Eine Idee für das alte Werk hat der Gouverneur von Murmansk, Andrei Chibis, bereits: „Die geschlossene Schmelze kann zu einem Element des Industrietourismus werden. In der Nähe befindet sich der berühmte Kola Superdeep Brunnen (das tiefste Bohrloch der Welt, d.Red.), über den es viele Legenden gibt. Dies wird auch ein Anziehungspunkt für Touristen aus Russland und Norwegen sein“, sagte Andrei Chibis.
Bis 1944 befand sich das Schmelzwerk auf dem finnischen Territorium der Region Petsamo, welche bis an das Arktische Meer reichte. Auf Grund des Militärbündnisses mit Deutschland lieferte das Werk über 80 Prozent des Nickelbedarfs der deutschen Kriegsindustrie. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges fiel das Gebiet von Finnland an die Sowjetunion.
War Nickel einst für die Rüstungsindustrie von Bedeutung, ist das chemische Element heute besonders für die Batterieherstellung gefragt.
Jürg Streuli, Fachjournalist
juerg.streuli@swissonline.ch