Elektromobilität: Deutschland und Norwegen im Wettbewerb

Dieser Tweet sorgte in den sozialen Medien für viel Kritik. Aber nicht nur die CDU, auch einige Zeitungen und Zeitschriften haben Probleme mit der exakten Begrifflichkeit bei der Auswertung von Statistiken zur E-Mobilität.©BPN

Berlin, 30. Juli 2019. Der “Electromobility Report 2018” des Center of Automotive Management, Bergisch-Gladbach, der Anfang Juli veröffentlicht wurde, hat in Deutschland ein breites Medienecho gefunden. Bei der Berichterstattung wurden allerdings Überschriften gewählt und Aussagen getätigt, die ein falsches Bild vom Stand der Elektromobilität in Norwegen und Deutschland erzeugen. 

Größtes Problem beim Umgang mit der Statistik: Reine Elektroautos, Plug-in-Hybrid und Hybrids werden in einen Topf geworfen, Neuzulassungen und Bestand werden verwechselt. So schreibt das Handelsblatt unter dem Titel “Deutschland überholt Norwegen bei E-Autos”: “Deutschland ist zum größten Markt für Elektroautos in Europa aufgestiegen und hat damit das seit Jahren führende Norwegen überholt. Von Januar bis Juni sind in der Bundesrepublik 48.000 E-Fahrzeuge zugelassen worden, in Norwegen waren es nur 44 000.”

Wenn von E-Fahrzeugen die Rede ist, rechnen einige Verbände und Institute die Plug-in-Hybrid und die emissionsfreien, nur mit Batterie betriebenen Pkw zusammen, so auch das Center of Automotive Management in seiner jüngsten Studie. Es wurden also in Deutschland im ersten Halbjahr 2019 nicht 48.000 reine Elektrofahrzeuge zugelassen, sondern nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes lediglich 31.059. In Norwegen dagegen erhielten von Januar bis Juni 2019  nach Angaben der norwegischen Straßenverkehrsinformationsbehörde OFV 35.200 reine Elektroautos eine Neuzulassung. 

In Norwegen beträgt der Anteil an den gesamten Neuzulassungen von reinen Elektroautos im ersten Halbjahr damit 45 Prozent, in Deutschland gerade 1,6 Prozent. 

Bei den Neuzulassungen von wiederaufladbaren Hybrid-Fahrzeugen hat in der Tat Deutschland die Nase vorn. Von Januar bis Juni 2019 wurden in Deutschland 16.525 Plug-in-Hybride zugelassen, in Norwegen dagegen nur 8.776. Der Rückgang der Neuverkäufe ist auf die Lieferprobleme der Autofirmen zurückzuführen. “In diesem Herbst wird sich die Situation ändern, und mit mehreren neuen wiederaufladbaren Hybriden auf dem Markt werden diese Autos sicherlich wieder einen Schub bekommen”, erklärt Øyvind Solberg Thorsen, Direktor der OFV. 

Anteil der Antriebsarten am Pkw-Gesamtbestand in Norwegen 2018©Elbil.no

Der Bestand an Elektroautos betrug um 1. Januar 2019 in Deutschland 83.175 Fahrzeuge, in Norwegen waren es 200.192. Auch beim Bestand von Plug-in-Hybrids liegt Norwegen mit 96.022 Einheiten vor Deutschland mit 66.997.

In Norwegen fahren damit 7,17 Prozent aller Pkw rein elektrisch. 3,53 Prozent der Fahrzeuge auf Norwegens Straßen sind Plug-in-Hybrids, 3,4 Prozent Hybrid-Fahrzeuge. Den größten Anteil am Fahrzeugbestand haben dennoch Dieselfahrzeuge mit 46,4 Prozent und Benziner mit 39,48 Prozent. Mit Wasserstoff sowie mit Gas betriebene Pkw bringen es gerade auf einen Anteil von jeweils 0,01 Prozent.

In Deutschland waren zum 1. Januar 2019 65,9 Prozent aller Pkw Benziner, 32,2 Prozent wurden mit Diesel betrieben. Erhebliche Steigerungen gab es bei den alternativen Antriebsarten, der Anteil am Gesamtbestand aller Pkw ist jedoch im Vergleich zu Norwegen gering. Gerade 0,17 Prozent aller Pkw in Deutschland sind reine Elektroautos, 0,14 Prozent Plug-in-Hybridfahrzeuge. Mit Flüssiggas werden 0,8 Prozent und mit Erdgas 0,2 Prozent der Pkw angetrieben.

Obwohl Norwegen weltweit die führende Position beim Anteil der Elektroautos am Gesamtbestand einnimmt, ist die Aussage, die die CDU kürzlich twitterte “Norwegen ist führend in der E-Mobilität. Nirgendwo fahren so viele Autos elektrisch” falsch. Die meisten Elektroautos gibt es in China und in den USA. Chinas verfügte 2018 über einen Bestand an Elektrofahrzeugen (Batteriefahrzeuge und Plug-in-Hybrid), von 2,6 Millionen Einheiten vor den USA von 1,1 Million. Norwegen liegt mit 298.210 Einheiten auf Platz 3 vor Großbritannien, den Niederlanden, Frankreich, Deutschland mit 142.000 Einheiten und Japan. Allerdings erfasst diese Statistik des Zentrum für Solarenergie und Wasserstoffforschung Baden-Württemberg“ (ZSW), die auch von chinesischen Automobilverbänden genutzt wird, reine Elektroautos und Plug-In-Hybride gemeinsam.

Statistiken über reine Elektroautos weltweit sind schwer zu finden. Die meisten Institute fassten die rein batteriebetriebenen Fahrzeuge mit den Hybrids und Plug-in-Hybrids zusammen. So schreibt auch die Internationale Energieagentur IEA in ihrem „Global EV Outlook 2019„: Im Jahr 2018 überstieg die weltweite Elektroautoflotte 5,1 Millionen, ein Plus von zwei Millionen gegenüber dem Vorjahr, und verdoppelte damit nahezu die Zahl der Neuverkäufe von Elektroautos. Die Volksrepublik China bleibt der weltweit größte Markt für Elektroautos, gefolgt von Europa und den USA. Norwegen ist weltweit führend in Bezug auf den Marktanteil von Elektroautos.” Eine Definition des Begrifft “electric cars” gibt die INA leider nicht. 

Das chinesische Statistik unterscheidet zwischen New Energy Vehicles (NEV) und reinen Elektroautos. Das chinesische Amt für Öffentliche Sicherheit gibt für Ende 2018 einen Bestand von 2,61 Millionen NEV an, davon 2,11 Millionen reine Elektroautos. NEV’s machten damit 1,09 Prozent aller registrierten Fahrzeuge aus. Ende Juni 2019 waren nach Angaben des Amtes für Öffentliche Sicherheit 3,4 Millionen NEV’s und 340 Millionen Fahrzeuge mit herkömmlichen Antrieben registriert.

Wie auch immer – Fakt ist: Norwegen ist weltweit führend in Bezug auf den Anteil von reinen Elektroautos am gesamten Fahrzeugbestand sowie auf den Anteil der Elektrofahrzeuge an den Neuzulassungen. Nicht mehr und nicht weniger. Bleibt im Sinne eines wirklichen Wettbewerbs (nicht der Worte, sondern der Taten) zur Erreichung der Klimaziele zu hoffen, dass sich dies bald ändert und Länder mit einem wesentlich größeren Fahrzeugbestand die Norweger in diesen Kategorien vom Thron stoßen – sehr zum Nutzen aller. Jutta Falkner

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