Nordic Tech Week: Gründer aus dem Norden auf Partnersuche in Berlin

Cathrine Karlson vom norwegische Start-up No Isolation präsentierte in Berlin den Avatar A1©BPN
Cathrine Karlson vom norwegische Start-up No Isolation präsentierte in Berlin den Avatar A1©BPN

Berlin, 29./30. Oktober 2018. Nordeuropa will für Start-ups und Wachstumsunternehmen weltweit ein führender Standort sein. Während der Nordische Rat in Oslo dieses Ziel auf seiner 70. Tagung am 30. und 31. Oktober auf der Ebene der Ministerpräsidenten der nordischen Länder diskutierte, zeigten Start-ups aus Norwegen, Schweden und  Dänemark bei der ersten Nordic Tech Week am 29. und 30. Oktober in den Nordischen Botschaften in Berlin, was es mit der Gründerszene im Norden auf sich hat.

Start-ups können selten zeigen, womit sie sich beschäftigen, sondern lediglich erklären, an welchen weltverändernden Prozessen sie gerade arbeiten. So war es nicht verwunderlich, dass der Roboterkopf Avatar A1, den Cathrine Karlson vom norwegischen Start-up No Isolation zum Panel zu Gesundheitsfragen der ersten Nordic Tech Week nach Berlin mitgebracht hatte, die Konferenzteilnehmer besonders interessierte. Der weiße Roboterkopf ist Auge, Ohr und Stimme von Kindern, die wegen langwieriger Krankheiten von ihrer Umwelt isoliert sind. Vor allem soll AV1 den Kindern und Jugendlichen helfen, in der Schule den Anschluss nicht zu verlieren. Ein ähnliches Produkt hat No Isolation für Senioren entwickelt, um alleinstehende alte Menschen in die Außenwelt einzubeziehen.

Über 600 Avatare hat No Islolation im Norden bereits verkauft, 13 kleine freundliche Robotergesichter nehmen in deutschen Schulen die Plätze von kranken Kindern ein. “Natürlich gibt es eine Menge Fragen, die vor dem Einsatz dieser Technik beantwortet werden müssen”, erklärt Cathrine Karlson. Da wären zum Beispiel der Datenschutz, die Verfügbarkeit des Internets oder die Kostenübernahme – essenzielle Faktoren für die Entwicklung von Start-ups.

Nordeuropa als Geburtsstätte europäischer Unicorns

Nordeuropa ist bereits jetzt ein bedeutendes Zentrum für Gründer. Pro Einwohner verzeichnet die Region nach einem Bericht der Consultingfirma KPMG zum nordischen Start-up- und Investorenmarkt die meisten Unicorns. 50 Prozent aller europäischen Unicorns, also Unternehmen, die innerhalb kurzer Zeit einen Marktwert von über eine Milliarden US-Dollar erreicht haben, kommen aus dem Norden. Der finnische Spieleentwickler Supercell, der Musik-Streaming-Dienst Spotify und die Video Messaging App Skype aus Schweden sind die bekanntesten.

Teilnehmer des Panels FinTech in den Nordischen Botschaften©BPN

Im Norden Europas finden jährlich 1.500 Nordic Tech Events statt, das weltweit größte Treffen der Branche, SLUSH, in Helsinki bringt es auf 17.500 Besucher. Nordische Accelerators und Inkubatoren gehören zu den Top 25 der Welt. Es gibt mehr als 2.000 Business Angels, die 2016 beispielsweise mehr als 300 Millionen Euro investierten. Und: Die Länder haben die smartesten Bedingungen für die Entwicklung von Start-ups.

Nordische Technologien brauchen europäischen Markt

“Nordeuropa bietet für Start-ups eine gutes Umfeld”, sagt Fredrik Syversen, Director of Business Development in IKT Norwegen. “Aber es fehlt natürlich ein großer Markt.”

Dieser europäische Markt soll über Deutschland stärker erschlossen werden – unter anderem mit der Nordic Tech Week in Berlin. “Europa wird für Skandinavien und speziell auch für Norwegen immer wichtiger”, so Syversen. Man könne sich hervorragend ergänzen. Besonders in der Entwicklung von Technologien für die Erhaltung und Bewirtschaftung der Meere sowie im Bereich FinTech sei die Szene im NOrden weit fortgeschritten.

“Wir sind hier nach Berlin gekommen, um Erfahrungen auszutauschen und vom jeweils anderen zu lernen”, sagte Syversen. Die Kontakte zu deutschen Unternehmen und Verbänden sei gut, beispielsweise zu Bitkom. Aber das Potenzial sei noch längst nich ausgeschöpft. Insbesondere die deutsche Automobilindustrie und die Finanzbranche könnten von den Gründern im Norden stärker profitieren.

Chancen im Finanzbereich nach dem Brexit

Liv Freihow, Direktorin für Geschäftspolitik des norwegischen ITK-Verbandes, sieht vor allem im Brexit große Chancen für den Norden und für Deutschland, sich in der Finanzwirtschaft neu zu positionieren. “Deutschland und die Nordics werden nach dem Brexit die globalen Zentren der Finanzwirtschaft sein”, sagte Freihow. Deutschland hätte die Finanzinstitute und die nordischen Länder hätten die Fintech-Unternehmen, die die Finanzinstitute auf dem Weg in die digitale Gesellschaft brauchen.

So richteten sich im Panel “FinTechs in the Nordics” auch zahlreiche Fragen an Julian Grigo, Head of Digital Banking & Financial Services des Digitalverbands Bitkom: Wie identifiziert man in Deutschland Banken als Kunden? Welche Mechanismen sind erlaubt? Wie fortgeschritten ist Deutschland im Bereich E-Government?

Grigo sieht die nordischen Länder als absolute Front Runner im Bereich digitale Dienstleistungen für die Finanzwirtschaft. “Die Länder sind uns, gerade was den digitalen Zahlungsverkehr angeht, etwa fünf Jahre voraus”, so der FinTech-Experte.

Bitkom steht in engem Kontakt zu den nordischen Ländern, sagte Grigo. So sei der Verband beispielsweise stark auf der Nordic Tech Week vertreten gewesen. Bei der Smart Country Convention vom 20. bis 22. November, die Bitkom zusammen mit der Messe Berlin organisiert, wird Dänemark Partnerland sein. Auch zu den nordischen Botschaften gebe es enge Kontakte.

Skandinavien sei auch eines der Target-Märkte der Berliner Wirtschaftsförderung, so dass schon jetzt ein gutes Netz der Zusammenarbeit bestehe.

Strategische Partnerschaften als beste Kooperationsform

Im Panel “Invest in the high North” erläuterte Martin Hahn von FASE – Financing Agency for Social Entrepreneurship, mögliche Kooperationsmodelle zwischen Deutschland und den Start-ups im Norden. Deutschland sei nicht das Mutterland des Venture Capitals, so Hahn. Die Fonds seien eher klein, so dass eine strategische Partnerschaft mit Industrieunternehmen, Forschungsinstitute oder öffentliche Einrichtungen mehr Sinn mache als die Suche nach einem finanziellen Investor.

Besonders interessiert waren die etwa 150 Teilnehmer der Nordic Tech Week an den Rahmenbedingungen für Start-ups in den jeweils anderen Ländern. Dass eine Harmonisierung notwendig ist, um Risikokapital anzuziehen und Gründern gute Entwicklungsmöglichkeiten zu geben – darin waren sich alle Teilnehmer in Berlin einig.

Auch der Nordische Rat in Oslo sieht in der Harmonisierung der Rahmenbedingungen den Schlüssel zu einer erfolgreichen Entwicklung von kleinen, innovativen Unternehmen. Im vorgelegten Bericht „An integrated and effective Nordic ecosystem for green growth“ sind 16 Vorschläge enthalten, wie die nordische Region für Investitionen in Start-up- und Wachstumsunternehmen attraktiver werden kann.

Im nächsten Jahr will sich die nordische Gründerszene auf alle Fälle wieder in Berlin treffen. Dann wird man sehen, wie und wo sich Rahmenbedingungen verbessert haben.

Die Konferenz wurde von dem norwegischen Verband ITK Norge, dem schwedischen IT&Telekom­företagen, der dänischen Danish ICT Industry Association und The Nordics  organisiert.

Aus Norwegen nahmen die Startups Monner, No Isolation, Oslo EdTech, Angel Challenge, Anzyz und Clean Sea Solution  an der Konferenz teil.

Kontakt:
Frederik Syversen, Direktor für Geschäftsentwicklung
fs@ikt-norge.no
Tel.: +47 92032470
https://www.ikt-norge.no/

 

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