Elektrisch, autonom und zukunftssicher

Hamburg, September 2018. Zwei Schiffe prägten auf der diesjährigen internationalen Schiffbaumesse SMM Anfang September in Hamburg das Geschehen unter den norwegischen Ausstellern: die „Future of the Fjord” und die “Yara Birkeland”. Diese norwegischen Entwicklungen – elektrisch die eine, autonom und elektrisch die andere – zeigten, wohin die Reise dank Digitalisierung bei der maritimen Industrie geht. Die meisten der norwegischen Aussteller – einige davon in den Bau der beiden Überflieger-Schiffe involviert – strotzten vor Optimismus. Kein Wunder, denn wenn es um Innovationen in der Schifffahrt geht, geben die Norweger den Takt vor.

Eine Brücke für ein Schiff, das keine Brücke braucht

Am Stand des norwegischen Technologieunternehmens Kongsberg in Halle B drängeln sich die Besucher. Auch gestandene Manager möchten gern einmal Kapitän spielen. Kongsberg hat am Stand 323 eine kleine Brücke nachgebaut, um ein Schiff auf Kurs zu halten, das gar keine Brücke hat. Besucher können sich hier das Prinzip des autonomen Fahrens erklären lassen. “Yara Brikeland” wird im Auftrag des Düngemittelherstellers Yara auf der Werft gebaut. Der Bau ist inzwischen weit fortgeschritten, ein Modell ist bereits auf dem Oslofjord unterwegs. Das Containerschiff wird Produkte aus dem Werk in Porsgrunn zu den Häfen Brevik und Larvik  transportieren – 2019 mit einer kleinen Mannschaft an Bord, ab 2020 dann allein.

Der Stand der Kongsberg Maritime AS widmete sich vollständig der autonomen Schifffahrt.©BPN
Der Stand der Kongsberg Maritime AS widmete sich vollständig der autonomen Schifffahrt.©BPN

Der Weg zum autonomen Fahren erfordert umfangreiche Forschungen und erhebliche Investitionen. Yara investiert 400 Millionen  NOK in die Entwicklung und den Bau des Schiffes. Vom Staat kommt über die Agentur Enova ein Zuschuss in Höhe von 133 Millionen NOK.

Für die Mammut-Aufgaben, die zu lösen ist, bündeln die Norweger ihre Kräfte. Im April dieses Jahres haben die norwegische Reederei Wilhelmsen und der Technologiekonzern Kongsberg in Lysaker das Gemeinschaftsunternehmen Massterly gegründet, das eine komplette Wertschöfpungskette für autonome Schiffe anbieten wird. Das Forschungsinstitut SINTEF Ocean, das ebenfalls auf der SMM vertreten war, leistet einen großen Anteil zur Entwicklung dieser Technologie.

DNV-GL bietet Richtlinie für autonomes Fahren

Um den Aufbau einer Sicherheitskultur rund um diese neuen Technologien zu unterstützen, hat das norwegische Klassifizierungs- und Zertifizierungsunternehmen DNV GL, traditionell einer der größten Aussteller auf der Schiffbaumesse, eine neue Klassenrichtlinie herausgegeben, die autonome und ferngesteuerte Schiffe abdeckt. Auf der Messe wurde sie präsentiert. „Eine neue Reihe von Sensor-, Konnektivitäts-, Analyse- und Steuerungsfunktionen in maritimen Technologien schafft die Grundlage für entfernte und autonome Abläufe in der Schifffahrt“, sagt Knut Ørbeck-Nilssen, CEO von DNV GL-Maritime. „Eine verstärkte Automatisierung, sei es in Form von Entscheidungsunterstützung, Remote-Betrieb oder Autonomie, hat das Potenzial, die Sicherheit, Effizienz und Umweltleistung der Schifffahrt zu verbessern. Um dieses Potenzial zu erreichen, benötigt die Branche robuste Standards, die es neuen Systemen ermöglichen, den Markt zu erreichen und sicherzustellen, dass diese Technologien sicher implementiert werden.“

Illustration von ReVolt3, des autonomen, elektrischen Container-Feeder-Schiffes©DNV GL
Illustration des ReVolt3-Modells, des autonomen, elektrischen Container-Feeder-Schiffes©DNV GL

Technologie zur Reduzierung der NOx-Werte

Dass das erste autonome Schiff auch elektrisch sein wird – die Welt erwartet es. Aber auch ein noch so bedeutender und großer Konzern wie Yara kann nicht alle Schiffe von heute auf morgen auf umweltfreundliche Antriebe umstellen. Auf der SMM präsentierte Yara Marine Technologies AS eine Technologie zur Reduzierung der NOx-Werte – durch internationale Regelungen gegenwärtig eines der wichtigsten Themen für die Schiffsindustrie.

Ein goldener Schiffspropeller

Die Servogear AS aus Rubbestadneset hat an ihrem Stand im norwegischen Pavillon einen goldenen Propeller stehen – vor dem Foto der Elektrofähre “Future of the Fjords”. “Servogear propelled Future of The Fjords”, schreibt das Unternehmen stolz auf seiner Website. “Wir haben uns beim Bau unserer Propellersysteme schon frühzeitig auf die neuen Antriebssysteme, sowohl Elektro als auch Hybrid, umgestellt”, sagt Verkaufsmanager Martijn Bemelen.” Dabei arbeiten wir natürlich sehr eng mit den Entwicklern der Batteriesysteme zusammen.” Die Batteriekapazitäten würden immer besser, erklärt Bemelen, und das bedeutet für das Unternehmen mehr Kunden. Schon hat Servogear den nächsten Auftrag in der Tasche, der große Beachtung finden wird. Das Unternehmen rüstet das Hybrid-Schiff “Brim Explorer” mit der neuen Hybrid-Gearbox HDE220 aus. Mit dem Schiff können Touristen ab August kommenden Jahres entlang der norwegischen Küste in der Arktis Wale beobachten – zehn Stunden am Stück mit sauberer Energie, denn so lange halten die Schiffsbatterien.
Einen vergoldeten Schiffspropeller präsentierte die Firma Servogear©BPN

Für Bemelen sind die Regulierungen der norwegischen Regierung zur Umstellung der Schifffahrt auf saubere Energie ein Geschenk. Ab 2026 sollen nach dem Willen des norwegischen Parlaments in die Fjorde, die zum UNESCO-Kulturerbe gehören, nur noch emissionsfreie Schiffe fahren. Die öffentliche Hand berücksichtigt schon jetzt bei Ausschreibungen für Fähren nur Angebote mit sauberen Antriebstechnologien. Servogear hat seine Technologien bereits umgestellt, die Kunden werden es zu schätzen wissen.

Aluminium statt Stahl

Bei Hydro konnte man testen: Welcher Werkstoff ist leichter?©BPN
Bei Hydro konnte man testen: Welcher Werkstoff ist leichter?©BPN

Aber Innovationen made in Norway rankten sich bei der diesjährigen SMM nicht nur um autonomes Fahren und umweltfreundliche Antriebe – wenngleich alles natürlich irgendwie miteinander verbunden ist. Hydro, einer der größten Aluminiumhersteller der Welt, geht davon aus, dass Schiffe, die elektrisch fahren, immer leichter werden müssen. Aluminium also soll künftig Stahl ersetzen. “Wir konzentrieren uns seit drei Jahren verstärkt auf die maritime Wirtschaft”, sagt Chris Moyle, Market Manager Marine Offshore bei Hydro. In diesem Bereich sei das Unternehmen in den vergangenen Jahren jährlich um etwa 30 Prozent gewachsen. Die Wohnungen für die Ölarbeiter der Johann-Sverdrup-Plattform wurden mit Aluminium gebaut. Kreuzfahrtschiffe werden mit Aluminium-Balkons ausgestattet. Zur SMM stellt das Unternehmen das Aluminium 5083 mit den besten Eigenschaften für den Schiffbau vor. Wer nicht glaubt, um wie vieles leichter und besser der Werkstoff ist als Stahl, konnte es selbst mit einer digitalen Waage testen.

Lösungen statt Produkte

Das Elpro-Team in Hamburg©NBP
Das Elpro-Messeteam in Hamburg©NBP

Das Unternehmen Elpro aus Trondheim bietet komplexe elektrotechnische Lösungen für die maritime Industrie. Zur diesjährigen Messe war der Geschäftsbereich Elpro Solutions vertreten, der unter anderem Elektrolösungen für verschiedene Varianten von Brückenkonsolen vorstellte. Elpro verfügt über mehr als drei Jahrzehnte Erfahrung in Industrie und Meer. “Wir sind eigentlich bei jeder SMM dabei”, sagt Sales & Marketing Manager Ola Staverløkk. “Wir wollen hier natürlich Kunden finden, sind aber auch auf der Suche nach geeigneten Zulieferern.”

Wenn ein Kunde eine Brückenkonsole bestellt, bekomme er nicht nur die technisch fortschrittlichsten elektrische Lösung geliefert, sondern kann auch über das Design bestimmen. Übrigens wollen die Kunden meist Konsolen aus Stahl.

Siri Moldestad Sanna, Marc Giesselink un Mark Fuhrmann am Stand von Jotun©NBP
Siri Moldestad Sanna, Marc Giesselink un Mark Fuhrmann am Stand von Jotun©NBP

Das Unternehmen Jotun hält Schiffe instand. Es hat norwegische Wurzeln, ist heute aber ein global aufgestellter Konzern mit 10.000 Mitarbeitern in einhundert Ländern. Im Logo führt das Unternehmen einen Pinguin – soll heißen: Wir gehören alle zu einer Familie.

Als ein führender Lacklieferant präsentiert sich Jotun heute aber eher als Anbieter von Leistungen rund um den Korrosions- und Feuerschutz von Schiffen und Plattformen. “In der neuen Welt kauft man keine Produkte mehr, sondern Lösungen”, erklärt Siri Moldestad Sanna, Global Customer Engagement Managerin.

Nach Hamburg hat das Unternehmen eine neue Technologie zur Behandlung und Wartung von Tanks mitgebracht: Tankguard Flexline. Das ist eine neue Lösung für Forderungen, die die Besitzer von Tankschiffen haben. “Sie erlaubt eine größere Flexibilität und bietet lange Lebenszeiten”, sagt Marc Giesselink, Global Director, Tank Coating. Die Kosten ließen sich damit stark reduzieren.

Spielt der norwegische Ursprung heute für das Unternehmen noch eine Rolle? “Ja”, sagt Siri Moldestad Sanna. “Norwegen hat einen hohen Qualitätsstandard. Davon profitieren wir auch.”

Eine neue Zielgruppe für neue Leinenwerfer

Brandneu ist auch der pneumatische Leinenwerfer PLT® Solas, den das Unternehmen Restech Norway in Hamburg ausstellte. Das System bietet dem Benutzer eine Vielzahl von hochpräzisen Projektilen und hat kein Verfallsdatum.

Espen Marthinussen, COO von Restech Norway©NBP
Espen Marthinussen, COO von Restech Norway©NBP

Die Restec-Wurfsysteme haben gegenüber herkömmlichen, also pyrotechnischen Systemen, die als Signalgeber eingesetzt werden, vor allem drei Vorteile: von ihnen geht keine Brandgefahr aus, sie können wiederverwendet werden und sie sind unendlich haltbar. Pyrotechnische Raketen müssen nach drei Jahren ausgewechselt werden. “Eigentlich sind Unternehmen der Öl- und Gasindustrie unsere wichtigsten Kunden”, sagt Espen Marhinussen, COO des Unternehmens. Aber in der Zeit, da der Ölpreis im Keller war und die Unternehmen wenig investierten, haben wir uns verstärkt auf die kommerzielle Schifffahrt konzentriert. Container und Tanker sind jetzt unsere wichtigste Zielgruppe.” Wenn sich nun auch der Ölpreis wieder erholt und die Energieunternehmen neue Ausrüstungen kaufen, hat Restec, wie die meisten der norwegischen Aussteller in Hamburg, allen Grund, optimistisch in die Zukunft zu schauen.

Kontakt
Norwegian Maritime Exporters, Oslo
Erlend Prytz, CEO
Tel.:  +47 90 19 04 40
http://nmexporters.no/

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