Hamburg/Oslo, 31. Mai 2018. Im Beisein hochrangiger Gäste präsentierte Innovation Norway, die staatliche Entwicklungsagentur Norwegens, am 31. Mai im Rathaussaal in Oslo zum ersten Mal die Marke Norwegen, „Brand Norway“. BusinessPortal Norwegen sprach mit Manuel Kliese, dem Director D-A-CH von Innovation Norway, über das Branding Norwegens und das Land als Investitionsstandort.
Herr Kliese, was macht die Marke Norwegen aus?
Nachhaltigkeit, eine hohe Glaubwürdigkeit und etwas Klares. Natur und Umwelt spielen eine große Rolle. Was aus Norwegen kommt, hat einen Naturbezug und besitzt klare Linien. Und das Land ist ein Pionier. Nehmen Sie nur die rasante Entwicklung der Elektromobilität. Die Norweger zaudern nicht, sondern probieren aus.
Warum entdeckt man erst jetzt das Potenzial einer nationalen Marke?
Es stimmt, aktive, koordinierte nationale Markenarbeit hat es bisher aus Norwegen nicht gegeben. Wir haben die Marke eher zufällig wachsen lassen. Als Folge ist die norwegische Fahne an vielen Stellen als Brand bei Produkten aufgetaucht, die die Flagge „sexy“ und hilfreich fanden, aber gar nicht aus Norwegen stammen. Es ist aber wichtig, dass die Erwartungen, die man mit der Marke Norwegen verbindet, auch erfüllt werden. Dahinter steckt ein Versprechen. Insofern haben wir nicht nur einen Kommunikationsjob nach außen, sondern auch die Konsequenz der Markenarbeit nach innen.
Zur neuen Markenpräsentation gehört übrigens ein neues Internetportal zum Thema “Grüne und nachhaltige Lösungen aus Norwegen”, das Unternehmen über das Potenzial Norwegens in diesem Bereich praxisnah informiert.
Wie kommunizieren Sie diese Inhalte in Deutschland?
Die Marke ist von zentraler Bedeutung bei den Bemühungen, die Exporte grüner Lösungen zu steigern. Wir wollen mit diesem Branding erreichen, dass man Norwegen als attraktives Land für Kooperationen und Investitionen sieht. Wir werden Themen und Inhalte in den klassischen und in den sozialen Medien streuen und uns noch stärker mit der Wirtschaft vernetzen. Als Deutschlandbüro von Innovation Norway spielen wir hier in enger Zusammenarbeit mit unserer Botschaft eine sehr wichtige Rolle.
Bisher hat man das Hamburger Büro eher als Tourismusagentur gesehen.
In der Tat umfassen wir auch den Tourismuszweig von Innovation Norway, Visit Norway. Allerdings haben wir uns schon immer auch um wirtschaftliche Themen gekümmert, nur nicht so sichtbar und durch eine aktive Kommunikation begleitet. Als neue Aufgabe werden wir uns künftig verstärkt der Investitionsakquise widmen. Vor allem wollen wir zeigen, wie günstig die energieintensive Industrie in Norwegen produzieren kann. Diese Frage ist in Deutschland hoch aktuell. Der Handel mit CO2-Zertifikaten ist ein Kostenfaktor – vor allem für Unternehmen, die viel Energie brauchen. Wir können mit preiswerter Energie und Industriekompetenz punkten. Sowohl in der Fertigungsindustrie als auch in der Öl- und Gasindustrie verfügt Norwegen über hochqualifiziertes Personal und ist ein Hightech-Standort.
Im September eröffnen wir ein neues Büro in München. Dann kommen weitere Themen hinzu. Die Liste der Dinge, zwischen denen wir navigieren müssen, ist lang. Sie reicht von smarten Lösungen über den Energieexport, die Bioökonomie, Nahrungsmittelexporte über Rüstungsindustrikooperation bis hin zum Tourismus und Kulturexport. Glücklicherweise ist die Wirtschaftsbeziehung zu Deutschland sehr diversifiziert, belastbar und von großem Vertrauen geprägt – wir wollen sie auf diesem hohen Niveau weiter ausbauen.
Aber nach wie vor dominieren Gasexporte und Rohstofflieferungen die deutsch-norwegischen Wirtschaftsbeziehungen. Wie steht es denn um die Diversifizierung?
Tatsächlich liefert Norwegen Waren im Wert von etwa 131 Milliarden Kronen nach Deutschland, davon für 100 Milliarden Kronen Öl und Gas. Aber man kann es auch anders sehen: Immerhin liefert Norwegen für 31 Milliarden NOK Waren und Dienstleistungen außerhalb des Energiesektors nach Deutschland – zuzüglich der Ausgaben der Touristen, die auch als Export zählen. Und hier sieht man bei einigen Einzelposten ein starkes Wachstum. Die Diversifizierung hat noch nicht genug Volumen, aber sie schreitet voran.
Auch, wenn die Preise für Öl und Gas jetzt wieder steigen und der Druck zur Diversifizierung entsprechend geringer wird?
Es gibt weltweit einen Wandel hin zu grünen Technologien. Auch wenn die Öl- und Gaspreise aufgrund politischer Unsicherheiten jetzt wieder steigen – langfristig kann und will sich Norwegen nicht auf den Export von Rohstoffen verlassen, denn langfristig gehen die Reserven irgendwann zu Ende. Insofern: Ja, der ganz große Druck zum Umbau der Wirtschaft ist erst einmal raus, aber trotzdem lehnt sich niemand zurück.
Welche Rolle können deutsche Unternehmen in diesem Prozess der Diversifizierung spielen?
Deutsche Unternehmen interessieren sich natürlich für die grünen Technologien. Siemens ist mit dem Aufbau einer Fabrik zur Produktion von Batteriesystemen in Trondheim das Paradebeispiel.
Die Batterieproduktion insgesamt wird eine Innovation erfahren. Für die EU ist das ein großes Thema. Gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut arbeiten auch norwegische Forschungsinstitute und Unternehmen gegenwärtig an neuen technischen Lösungen.
Aber wir können nicht bei den Entwicklungen stehen bleiben. Es geht bei der Diversifizierung in erster Linie um die Schaffung norwegischer Arbeitsplätze. Insofern wollen wir im Bereich Batterieproduktion in der ersten Liga spielen und mit einem größeren Projekt als Zulieferer an der europäischen Batterieproduktion teilhaben.
Es gibt aber auch große, zum Teil gemeinsame Investitionen aus Deutschland und Norwegen in die Windenergie. Insgesamt engagiert sich die deutsche Wirtschaft eher in großen Dimensionen, sie ist mehr an den großen Lösungen interessiert. Hier kommt unsere Agentur ins Spiel. Unsere Aufgabe ist es, das Interesse auch kleiner und mittelständischer norwegischer Unternehmen an einer Zusammenarbeit mit Deutschland zu fördern und umgekehrt und sie bei der Partnersuche zu unterstützen. Aktuell geht es beispielsweise auch um die Einbeziehung norwegischer Unternehmen in die Vereinbarung zwischen Deutschland und Norwegen zum gemeinsamen Bau von U-Booten.
Wie ist der aktuelle Stand der Zusammenarbeit beim U-Boot-Bau?
Die Suche nach geeigneten norwegischen Firmen, die als Zulieferer für thyssenkrupp Marine Systems GmbH infrage kommen, ist abgeschlossen. Jetzt geht es in die Angebotsphase. Wir unterstützen die kleinen und mittelständischen norwegischen Firmen beispielsweise mit Finanzierungen oder beim Kompetenzaufbau, wenn es darum geht, sie lieferfähig zu machen. Immerhin geht es hier um große Volumina.
Industriekooperationen im Rüstungsbereich haben eine ganz große Implikation für kleine und mittelständische Betriebe. Es geht nicht nur um den U-Boot-Bau, sondern um Entwicklungen in fünf oder sechs anderen sicherheitsrelevanten Bereichen, die zudem oft auch noch für zivile Anwendungen eine große Rolle spielen können.
Die Vermarktung norwegischer KMU im Bereich Rüstung als auch der Export von Lösungen zur smarten Mobilität als ein anderes großes Thema läuft – gemeinsam mit unserem Büro in New York – über das Wachstumsprogramm “Global Growth”. Hiermit bringen wir zu einem Thema hochrelevante KMUs gleich im Dutzend zusammen in den Markt und setzen strategisch auf Wachstum, anstatt die Entwicklung im „Kleinklein“ eher den Zufälligkeiten zu überlassen.
In ihrer heutigen Innovationsrede wies Ihre CEO Anita Krohn Traaseth noch einmal auf die große Bedeutung von Exporten im Bereich Greentech hin. Wie schiebt man solche Exporte, beispielsweise nach Deutschland, an?
Indem man die Förderinstrumente der Außenwirtschaft in ihrer ganzen Breite anwendet. Wir schaffen Plattformen und beraten und begleiten die Unternehmen individuell. Dabei geht es um Firmen, die Lösungen entwickeln, die vielfach außerhalb Norwegens relevant sind. Das ist vor allem in der maritimen Wirtschaft der Fall. Wir sind eine Meeresnation und haben hier über Jahrzehnte Kompetenzen aufgebaut. In der maritimen Industrie ist Norwegen eine der global führenden Nationen.
Spannend ist auch die Nahrungsmittelindustrie aus dem Meer. Norwegen produziert ja nicht nur Lachs, sondern entwickelt ganz neue Möglichkeiten für die Ernährungswirtschaft. Beispielsweise forschen wir intensiv zum Einsatz von Algen in der Lebensmittelbranche.
Im nächsten Jahr werden wir Partnerland der “Green Tech Awards”. Dabei geht es nicht darum, einmal auf der Bühne zu stehen, sondern in der Vor- und Nachbearbeitung dieser renommierten Auszeichnung einmal mehr eine Verbindung zur deutschen Wirtschaft inklusive zu Kapitalgebern aufzubauen.
Zur Unterstützung von Exporten spielen natürlich auch Messen und Ausstellungen eine große Rolle. In Deutschland findet eine Vielzahl globaler Leitmessen statt, es ist unbestrittener Messestandort Nr. 1 weltweit. Wir wollen diese künftig intensiver nutzen, um Norwegen stärker global zu verkaufen. Im kommenden Jahr zum Beispiel werden wir gemeinsam mit der Deutsch-Norwegischen Handelskammer erstmals einen nationalen Gemeinschaftsstand auf der Hannover Messe organisieren. Auf der ANUGA haben wir dieses Kooperationsmodell mit der AHK in 2017 schon sehr erfolgreich testen können.
Kommen wir zu Ihrem angestammten Bereich, dem Tourismus. Auch hier gibt es ja neue Entwicklungen. Insbesondere stehen die riesigen Kreuzfahrtschiffe mit hohem Schadstoffausstoß in der Kritik.
Die hohe Umweltbelastung durch die Kreuzfahrtindustrie ist vor allem lokal unumstritten. Hier wird sich einiges ändern. Den Anfang machte ein Parlamentsbeschluss Anfang Mai, wonach die zum UNESCO-Welterbe gehörenden Fjorde ab 2026 nur noch von Null-Emissions-Schiffen befahren werden sollen. Weitere Vorschläge liegen auf dem Tisch, der Innovationsdruck steigt hier schnell an. Wir erleben im Dialog mit der Kreuzfahrtindustrie aber durchaus auch eine Innovationsoffenheit. Das Beispiel des Schutzes unserer Fjorde wird Schule machen und man will sicher diese so attraktiven Destinationen nicht im Angebotsportfolio verlieren.
Was verändert sich bezüglich der Vermarktung Norwegens als Tourismusdestination?
Wir wollen die ganze Story. Bisher kamen die Leute im Sommer, um die einmalige Natur zu genießen. Seit einiger Zeit aber setzen wir ganz stark auf Ganzjahrestourismus und zeigen, dass Norwegen mehr zu bieten hat als Fjorde und hohe Berge. Wir locken die Leute mit interessanten Städten und Kultur. Das bringt eine völlig neue Zielgruppe. Wir bieten Landschaftsrouten abseits der Haupttrassen und Bahnreisen an. Vor allem außerhalb der Sommersaison locken wir mit Aktivitätstourismus oder Walsafari ohne Sturm.
Auch norwegische Spezialitäten, die kleine Bauernhöfe in höchster Qualität produzieren, sind ein Argument, Norwegen zu besuchen.
Wie funktioniert diese Strategie bisher?
Beispielsweise ist mit diesem Ansatz Norwegen das beliebteste Auslandsreiseziel der Schweizer geworden. Das hat zumindest die Neue Züricher Zeitung kürzlich festgestellt. Wir bearbeiten die Schweiz seit drei Jahren intensiv – und das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Ja, der Ansatz funktioniert. Wir haben die größten Zuwächse außerhalb der Sommersaison. Norwegen wird auch für ausländische Skifahrer zunehmend interessant. Für dieses Jahr rechnen wir mit einem leichten Zuwachs der Touristen insgesamt und mit einem zweistelligen Wachstum im Winter.
Deutsche Touristen sind mit ungefähr einem Viertel der Auslandsübernachtungen und stattlichen Reiseausgaben in der absoluten Mehrzahl und bieten die höchste totale Wertschöpfung eines einzelnen Marktes. Zudem ist Deutschland laut der aktuellen Sommerprognose zusammen mit den USA der Wachstumstreiber. Norwegen ist hoch attraktiv und wir fangen an, unsere Potenziale ordentlich zu nutzen und den Markt mit der neuen Strategie sehr gut zu erreichen
Im kommenden Jahr wird Norwegen Partnerland der Frankfurter Buchmesse. Worin besteht Ihr Part bei dieser Präsentation?
Zunächst einmal bietet die Messe Norwegen mit der dazugehörigen Medienkommunikation 2019 eine noch breitere Fläche, in Deutschland aufgefasst zu werden. In dem Fahrwasser wird das „Team Norway“ im Schulterschluss mit der Botschaft die Möglichkeiten nutzen, um Norwegens attraktive Seiten noch stärker nach Deutschland zu spiegeln.
Innovation Norway wird einen nationalen Stand in der Halle zu EdTech betreuen, um unsere innovativen Lösungen und Technologien für den Bildungsbereich vorzustellen. Gemeinsam mit der Literaturagentur NORLA legen wir bereits in diesem Jahr ein eigenes Exportprogramm für den Literatursektor auf. Es geht vor allem darum, mehr norwegische Agenten zu entwickeln, die die norwegische Literatur international vertreiben. Somit bleibt künftig noch mehr Wertschöpfung im Land. Und natürlich wird auch unsere Tourismumarke eine große Rolle spielen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Jutta Falkner.
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