Hannover Messe: Norwegen in einer Stunde

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Hannover, 24. April 2018. Es ist nicht schwer, alle norwegischen Unternehmen auf der Hannover Messe zu besuchen. Gerade zehn Unternehmen nehmen an der weltweit größten Industrieschau teil, neun davon stellen auf dem Gemeinschaftsstand “Hydrogen, Fuel Cells, Batteries” in Halle 27 aus. Gleich in der Nachbarschaft, auf dem Gemeinschaftsstand des DIHK in Halle 27, findet man auch die Deutsch-Norwegische Handelskammer. Noch ein Abstecher in Halle 9 zu Prediktor AS – und schon hat man alles, was Norwegen der Welt zeigen will, gesehen. Man braucht dafür nicht länger als eine Stunde. 

Die bescheidene Präsenz der Norweger in Hannover verwundert. Schließlich hat sich die Regierung schon vor einiger Zeit die Diversifizierung der Wirtschaft auf die Fahnen geschrieben. Der Erhöhung der Exporte im industriellen Bereich gehört dazu. Im Januar 2017 hat Ministerpräsidentin Erna Solberg auf der Jahreskonferenz des norwegischen Unternehmerverbandes NHO eine Initiative zur Steigerung der Ausfuhren von smarten norwegischen Klima- und Umweltlösungen verkündet.  „Wir sind für Öl und Gas, Fjorde und Berge bekannt. Aber ich hoffe, wir können für grüne Technologie ebenso berühmt werden“, sagte Solberg.  Und der damalige Klima- und Umweltminister Vidar Helgesen ergänzte: „Auf internationaler Ebene sehen wir eine rasante technologische Entwicklung im Bereich emissionsarme Technologien. Norwegen ist gut aufgestellt, an diesem wachsenden Markt zu partizipieren.”

Große Auftritte nicht nur für den Export

Auf der Weltleitmesse der Industrie ist davon allerdings nicht viel zu spüren. Wo sind all die innovativen norwegischen Unternehmen und wissenschaftlichen Institute, die Hochschulen und Universitäten, die mit dazu beitragen, dass Norwegen Neuheiten wie schwebende Windparks, umweltfreundliche Aluminiumproduktionen, autonom fahrende Schiffe oder Batterielösungen zu bieten hat?

Zweifellos nutzen norwegische Firmen eher die internationalen Fachmessen zur Präsentation – allen voran die Energiemesse ONS Offshore Northern Seas in Stavanger oder die internationale Leitmesse der maritimen Wirtschaft, die SMM, in Hamburg. An der Seafood Expo Global und Seafood Processing Global 2018 in Brüssel nahmen 78 norwegische Aussteller teil, und selbst zur Grünen Woche in Berlin tummelten sich in diesem Jahr 95 Aussteller im Tross des Ministers für Ernährungswirtschaft. Nur wenige davon waren am Export interessiert. Norwegen nutzt große Auftritte im Ausland auch gern zu internen Branchentreffen. Da verwundert es nicht, dass der Minister zur Eröffnung des norwegischen Gemeinschaftsstandes in Berlin norwegisch spricht, statt auch das für Gäste und potenzielle Kunden verständliche Englisch zu nutzen.

Hier wird mit riesigen Ständen geklotzt, nicht gekleckert. Aber in Hannover? Zehn.

Wenig Erfahrung mit internationalen Messen

“Norwegische Unternehmen haben wenig Erfahrung mit internationalen Messen”, sagt Bjørn Simonsen, Vice President, Market Development, des Unternehmens NEL ASA. “Nur wenige norwegische Firmen wissen, wie praktisch die Industriemesse in Hannover ist, um potenzielle Kunden, Partner und die anderen Player der Branche zu treffen.”

Aussteller auf dem Hydrogen-Stand. 2.v.r.: Brön Simonsen©BPN
Aussteller auf dem Hydrogen-Stand. 2.v.r.:Bjørn Simonsen©BPN

NEL Hydrogen ist ein weltweit führendes Unternehmen zur Herstellung von Elektrolyse-Geräten und Betankungsanlagen sowie Anbieter von Lösungen zur Lagerung und Distribution von Hydrogen aus erneuerbaren Energien. Seit sieben Jahren stellt das Unternehmen in Hannover aus. In diesem Jahr präsentierte NEL ASA als Neuheit den Metalhydrid-Kompessor HYMEHC-04 mit einzigartigem Kühler- und Kontrollsystem. Der Kompressor, nach Aussagen von Simonsen verlässlich und flexibel wie kein anderer auf der Welt, wurde im Unternehmen Hystorsys entwickelt, 5.000 Stunden getestet und findet nun in Hannover die Aufmerksamkeit der Kunden.

NEL ASA ist seit seiner Gründung im Jahr 1927 auf Wachstumskurs – im vergangenen Jahr stieg der Umsatz um 30 Prozent. Großaufträge aus Frankreich, Japan und den USA wurden und werden realisiert, die Übernahme des US-Unternehmens ProtonOnsite (Proton) brachte zusätzliche Kapazitäten.

Flüssigwasserstoff – Norwegens nächster Exportartikel?

Im Wettbewerb um den Treibstoff der Zukunft spielt Flüssigwasserstoff eine große Rolle. Norwegen hat hier gute Karten – das Land erzeugt viel Wasser- und Windkraft. Ein Teil dieser erneuerbaren Energie kann zur Erzeugung von Wasserstoff aus Wasser, das sich durch Elektrolyse spaltet, verwendet werden. Darüber hinaus lässt sich ein Teil der norwegischen Erdgasressourcen durch die Reformierung in Verbindung mit der Abscheidung und dauerhaften Speicherung von CO2 in sauberen Wasserstoff umwandeln.

“Öl, Lachs und …. Flüssigwasserstoff – Norwegens nächster großer Exportartikel?”, fragt das norwegische Forschungsinstitut SINTEF, das sich intensiv mit dem Thema Flüssigwasserstoff als Treibstoff befasst,  am 25. April in einem Blogartikel und erläutert, wie weit das Institut mit seinen Forschungen auf diesem Gebiet gekommen ist. SINTEF hat seinen Sitz in Trondheim – in Hannover ist das Institut nicht vertreten.

Im Wettbewerb um die besten Lösungen für saubere Antriebssystems für Personenkraftwagen, Trucks und Schiffe hoffen die Hersteller von Wasserstoff auf einen baldigen Gamechanger. Während die Betankung von Schwerlastern und Bussen mit Wasserstoff heute schon große Verbreitung findet, fehle die Infrastruktur für die Betankung von Personenkraftwagen. Deutsche Unternehmen, so erklärt Simonson, würden gegenwärtig die Infrastruktur für Hydrogen-Fahrzeuge in Asien aufbauen.

Große Nachfrage nach Hydrogen-Lösungen bestehe in der maritimen Wirtschaft. Norwegen hat im vergangenen Jahr einen Wettbewerb um den Bau der ersten Hydrogen-Fähre gestartet. Sie soll 2021 über norwegische Fjorde schippern. Um den Einsatz von Wasserstoff als Treibstoff auch in Schiffen voranzutreiben, hat Nel ASA im vergangenen Jahr mit den Unternehmen Hexagon Composites ASA und PowerCell Sweden AB das Joint Venture HYON AS gegründet, das Lösungen für die gesamte Produktionskette von Hydrogen für die Schifffahrt anbietet. “Unsere Branche hat die Demonstrationsphase hinter sich und hat bewiesen, dass Wasserstoff als umweltfreundlicher Treibstoff in vielen Bereichen eingesetzt werden kann”, sagt Simonsen. “Jetzt brauchen wir einen funktionierenden Markt, ein Minimum an Infrastruktur.”  Gemeinsam mit den anderen internationalen Ausstellern auf dem Hydrogen-Stand beraten die Norweger in Hannover, wie dieser Markt geschaffen werden kann.

AHK Norwegen als Initiator des 4th Networking Event Oil and Gas Industry

Präsentation des Öl- und Gas-Clusters der deutschen Auslandshandelskammern©BPN
Norbert Pestka (l.) stellt die Kooperationsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen in der Öl- und Gasindustrie Norwegens vor.©BPN

Im Business Forum in Halle 27, nur wenige Schritte vom Hydrogen-Gemeinschaftsstand entfernt, präsentieren sich Länder und Institutionen, unter anderem der DIHK mit Vertretern der deutschen Auslandshandelskammern. Die Deutsch-Norwegische Handelskammer hatte am 24. April ihren großen Auftritt. Die AHK Norwegen ist Gründer und Koordinator des Öl- und Gas-Clusters – einem Netzwerk der deutschen Auslandshandelskammern, in dem Unternehmen zusammenfinden, die sich in den Erdöl- und Erdgasländern Aserbaidschan, Brasilien, Kasachstan, Mexiko,  Norwegen und Russland engagieren. Am 24. April hatte Norbert Pestka, Geschäftsführer der AHK Norwegen, zum 4th Networking Event Oil and Gas Industry, Digital Oil and Gas eingeladen. Nach der Vorstellung der Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Firmen in der Öl- und Gasindustrie der Länder sprachen Experten über die Digitalisierung der Branche.

Cloud-Lösungen aus Norwegen in Halle 9

Steinar Jacobsen l.) mit Kollegen am Stand von Prediktor AS©BPNPräsentation des Öl- und Gas-Clusters der deutschen Auslandshandelskammern©BPN
Steinar Jacobsen (l.) mit Kollegen am Stand von Prediktor AS©BPN

In Halle 9 stellt die Prediktor AS aus Fredrikstad am Gemeinschaftsstand OPC-Foundation aus. Das Unternehmen bietet Cloud-Lösungen für die Industrie. Unter anderem nutzt Norwegens größter Energiekonzern Statoil Apis-Software von Prediktor bei der Erschließung des Johan-Sverdrup-Feldes. Das Unternehmen ist zum vierten Mal in Hannover dabei. In China hat Prediktor ein Tochterunternehmen, in Deutschland würde die Firma gern ein Joint Venture gründen. “Wir sind mit Partnern im Gespräch, aber bisher hat es noch nicht geklappt”, sagt Sales Manager Steinar Jacobsen. Anderen norwegischen Unternehmen empfiehlt er unbedingt eine Präsenz auf der Hannover Messe. “Norwegische Unternehmen haben im Industrie- und IT-Bereich kaum Zugang zu internationalen Messen im Ausland”, erklärt er. “Sie zeigen sich eher bei den großen Ausstellungen in Norwegen. Das sollte sich ändern.”

Norwegische Firmen undercover

Das IROC-Team um John Johannessen Mitte)©BPN
Das IROC-Team um John Johannessen Mitte)©BPN

Eigentlich sollte der Rundgang auf der Suche nach norwegischen Unternehmen bei Prediktor beendet sein. Doch an einem Stand in Halle 9, der nicht als norwegische Ausstellungen in der Datenbank der Hannover Messe auftaucht, hängen zwei norwegische Fähnchen. Hier residiert das norwegisch-schwedische Gemeinschaftsunternehmen IROC (Industrial Radio Operal Control). Die Datek Løfteteknikk AS aus Hagan hält 50 Prozent an dem Joint Venture. IROC entwickelt und vertreibt Funksender und -empfänger für mobile und industrielle Anwendungen für den europäischen Markt. Vor allem für die Fischereiindustrie ist das Produkt interessant, denn die Steuerung ist wasserdicht. “Wir exportieren nach Deutschland, Israel und Frankreich und suchen natürlich immer neue Märkte”, sagt John Johannessen. “Dafür eignet sich eine Messeteilnahme bestens.” 

Ebenfalls undercover präsentiert sich die Viking Heat Engines Germany GmbH (VHEG). Das Unternehmen aus Remscheid wurde 2015 als Tochter der Viking Heat Engines AS (VHEN) aus Norwegen gegründet. Es entwickelt und vertreibt Anlagen zur Restwärme-Aufbereitung. Am deutschen Standort in Remscheid beschäftigen die Norweger 20 Mitarbeiter. Der Fokus ihrer Tätigkeit liegt in der weltweiten Vermarktung der eigens entwickelten Produkte HeatBooster und CraftEngine. Dass man dafür internationale Messen wie die Hannover Messe gut nutzen kann, wissen die modernen Wikinger von Viking Heat Engines AS. Es sollten alle norwegischen Unternehmen wissen.

“Wir werden den Export von grünen und nachhaltigen Lösungen steigern, mehr ausländische Investitionen in Norwegen tätigen, Talente und Wissen anziehen und mehr ‚richtige‘ Besucher nach Norwegen holen”, verspricht Innovation Norway in der Ankündigung der diesjährigen Innovationsansprache von CEO Anita Krohn Traaseth am 31. Mai in Oslo. Die Entwicklungsagentur soll  im Auftrag der Regierung Maßnahmen implementieren, um Exporte im Bereich Klima- und Umweltschutz zu erhöhen, die Kommunikation zu verbessern und Norwegen zu einem attraktiveren Standort für ausländische Investitionen zu machen. Man darf gespannt sein, ob die Präsentation norwegischer Unternehmen auf weltweit bedeutenden Industriemessen in der Innovationsrede eine Rolle spielt. Immerhin hat die AHK Norwegen schon angekündigt, auf der HANNOVER MESSE 2019 gemeinsam mit Innovation Norway Germany & The Netherland einen norwegischen Gemeinschaftsstand zu organisieren – mit hoffentlich mehr als zehn Unternehmen.
Jutta Falkner

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