Kontinuität und Veränderung

Diskussion zu den deutsch-norwegischen Beziehungen: v.l. Martin Bachmann, Prof. Helge Høibraaten, Clemens Bomsdorf, Dr. Tobias Etzold@BPN

Berlin, 27. November 2017. Norwegen und Deutschland haben im Herbst 2017 gewählt. In Norwegen regiert die alte Regierung unter Erna Solberg als Minderheitsregierung weiter, in Deutschland sind die ersten Sondierungsgespräche gescheitert. In diesem Umfeld hat die Norwegisch-Deutsche Willy-Brandt-Stiftung zu einem Diskussionsabend in die Räumlichkeiten der Willy-Brandt-Stiftung Unter den Linden in Berlin eingeladen, um die Frage zu diskutieren: “Wie entwickeln sich die deutsch-norwegischen Beziehungen? Kontinuität oder Veränderung?”

Franz Thönnes, Co-Vorsitzender der Norwegisch-Deutschen Willy-Brandt-Stiftung@BNP
Franz Thönnes, Co-Vorsitzender der Norwegisch-Deutschen Willy-Brandt-Stiftung@BNP

Franz Thönnes, Co-Vorsitzender der Norwegisch-Deutschen Willy-Brandt-Stiftung und ehemaliges Mitglied des Bundestages, erläuterte in seiner Begrüßungsrede kurz die Herausforderung, vor der die Parteien in Deutschland und Norwegen gegenwärtig stehen. Erstmals seien sechs Parteien im Bundestag vertreten. In Norwegen dagegen gebe es bereits langjährige Erfahrung in der Zusammenarbeit zwischen den beiden großen Parteien und mehreren kleinen Parteien.

Petter Ølberg, Norwegischer Botschafter in Deutschland©Martin Hamre
Petter Ølberg, Norwegischer Botschafter in Deutschland©Martin Hamre

Für Petter Ølberg, Norwegens Botschafter in Deutschland, steht bei den deutsch-norwegischen Beziehungen nicht die Frage “Kontinuität oder Veränderung?”, sondern es gelte “Kontinuität und Veränderung.” In allen Bereichen gebe es viel Neues, sagte Ølberg in seiner Begrüßung. Nachdem Norwegen im vergangenen Jahr auf Einladung der Bundeskanzlerin Angela Merkel Gastland der G20 war, entwickelten beide Länder nun gemeinsame Themen der Zusammenarbeit in Drittländern. Konkret gebe es Vorhaben, in Afrika gemeinsam stärker aktiv zu sein.

Wintershall, Deutschlands größtes Erdöl- und Gasunternehmen, hat in den vergangenen Jahren zwei Milliarden Euro in die Exploration in Norwegen investiert. Dies tue ein Unternehmen in einem anderen Land nur, wenn es davon überzeugt ist, dass die Grundfesten der Beziehung erhalten bleiben, sagte Martin Bachmann, Mitglied des Vorstandes Wintershall. Zwischen Deutschland und Norwegen bestehe eine starke Partnerschaft. Daher sei es eigentlich nicht so relevant, wer regiert.

Erdöl und Erdgas spielten für die Erhaltung der Mobilität mittelfristig eine große Rolle. Allerdings werde auch in Norwegen versucht, sich ein Stück von den fossilen Brennstoffen abzusetzen. Die Empfehlung der norwegischen Zentralbank an den Staatsfonds des Landes, den Government Pension Fund Global, sich von seinen Aktienpaketen der Öl- und Gasindustrie zu trennen, sende eine gefährliche Botschaft.

In der Gesprächsrunde, die Prof. Helge Høibraaten von der Technischen Universität Trondheim leitete, waren sich die Teilnehmer Martin Bachmann, der Journalist Clemens Bomsdorf und Tobias Etzold von der Stiftung Politik und Wissenschaft einig, dass gute Beziehungen zwischen zwei Ländern keine Selbstverständlichkeit seien, sondern man immer daran arbeiten müsse. Die externen Rahmenbedingungen hätten sich in den vergangenen Jahren massiv verändert, sagte Etzold. Mit dem Brexit falle außerdem ein stabiler Partner Norwegens in der EU weg. Man brauche dementsprechend Anpassungsvermögen. 

Bachmann wies darauf hin, dass vor allem Großbritannien ein Fürsprecher der Industrie in der Europäischen Union gewesen sei, wenn es um Regulierungsfragen im Bereich Erdöl und Erdgas gegangen sei. Für Norwegen, aber auch für die deutsche Industrie, sei der Austritt der Briten aus der EU daher ein großer Verlust. Es stehe nun die Frage, ob Deutschland diesen Platz einnehmen könne.

Angesprochen auf die norwegisch-russischen Beziehungen erklärte Bachmann: Russland und Norwegen seien Wettbewerber auf dem internationalen Gasmarkt. Es mache aber keinen Sinn, sich gegeneinander auszuspielen. Vielmehr sollten beide Länder das Produkt Erdgas gemeinsam vermarkten. Es gebe zahlreiche Beispiele, da die norwegische-russische Zusammenarbeit trotz EU-Embargo, dem sich Norwegen angeschlossen hat, weiter gut funktionieren, vor allem an der russisch-norwegischen Grenze im Norden.

In seinen abschließenden Statement unterstrich Thönnes, dass man sich weder in Deutschland noch in Norwegen um die Demokratie sorgen müsse. Die Länder könnten weiter voneinander lernen, vor allem das Modell der Minderheitsregierung in Norwegen sei spannend, da das Parlament stärker in die Entscheidungsfindung der Regierung einbezogen werde. Wichtig sei es, dem anderen zuzuhören, um eine Gesellschaft auch in schwierigen Situationen zusammenzuhalten.

 

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