Am 20. September wird Petter Ølberg, neuer Botschafter des Königreiches Norwegen in Deutschland, sein Beglaubigungsschreiben übergeben. BusinessPortal Norwegen sprach mit ihm über die deutsch-norwegischen Beziehungen, aktuelle Projekte und Vorhaben für die Zukunft sowie über die Schwerpunkte seiner Arbeit als Botschafter.
Herr Botschafter, Sie haben als Kind in Deutschland gelebt, sind in einen deutschen Kindergarten und in eine deutsche Schule gegangen und haben 1999 bis 2004 als Gesandter an der norwegischen Botschaft in Berlin gearbeitet. Was für ein Gefühl ist es, jetzt als Botschafter nach Deutschland zurückzukehren?
Es ist ein bisschen das Gefühl: Ich komme nach Hause. Ich freue mich sehr, wieder in Deutschland zu sein. Ich kenne das Land gut, aber vieles hat sich natürlich verändert.
Was hat sich bei den deutsch-norwegischen Beziehungen verändert, wie schätzen Sie den Stand heute ein?
Die deutsch-norwegischen Beziehungen sind ausgezeichnet, sie waren nie besser. Das hat sich auch darin gezeigt, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel Norwegen 2017 als Gastland bei G20 eingeladen hat. Diese Einladung war eine Anerkennung für unsere enge Verbundenheit.
Deutschland ist für Norwegen das wichtigste Land in Europa und einer unserer wichtigsten Wirtschaftspartner sowohl im Handel als auch bei den Investitionen. Der norwegische Ölfonds ist der größte Investor an der Börse in Frankfurt/Main. Sein Dax-Anteil beläuft sich auf respektable vier Prozent.
Es gibt im wirtschaftlichen Bereich sehr viele Projekte, die schon jetzt gut laufen und hervorragende Kooperationsmöglichkeiten für die Zukunft bieten. Auch im kulturellen Bereich ist viel los.
Welche Projekte sind das?
Anfang dieses Jahres wurde ein Abkommen über die U-Boot-Kooperation unterzeichnet. Norwegen kauft zusammen mit Deutschland U-Boote – Norwegen vier und Deutschland zwei. Und weil das ein Riesen-Vertrag mit einem Volumen von fast vier Milliarden Euro ist, hat diese Kooperation für die nächsten Jahrzehnte Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen. Es werden Arbeitsplätze in den Bereichen Waffensysteme oder Informationstechnologie in Schleswig-Holstein und wahrscheinlich in ganz Deutschland geschaffen, aber auch in Norwegen.
Zweitens möchte ich die Partnerschaft im Bereich Energie nennen. Anfang September feierten unsere Länder ein gemeinsames Jubiläum: 40 Jahre norwegische Gaslieferungen nach Deutschland. Das heißt, seit 40 Jahren ist Norwegen ein zuverlässiger Gaslieferant und wird es noch lange bleiben.
Gegenwärtig wird zwischen unseren Ländern das Stromkabel NordLink verlegt, das sauberen Strom aus Wasser nach Deutschland liefern kann und sauberen Strom aus Wind und Sonne nach Norwegen. Auch dieses Vorhaben ist auf Langfristigkeit angelegt. Das Stromkabel geht 2019 in Betrieb. Das ist aber erst der Anfang – nicht das Endziel.
Bei den erneuerbaren Energien, vor allem bei der Windkraft, gibt es viel Möglichkeiten. Der norwegische Energiekonzern Statoil beteiligt sich zum Beispiel am Windpark Arkona vor der Küste der Insel Rügen.
Auch das Thema Elektromobilität hat Norwegen auf die Agenda gesetzt. Norwegen ist hier ein Vorreiter, und Deutschland kann bei der kommenden Energiewende, die ja auch Veränderungen im Verkehrsbereich erfordert, vieles von Norwegen lernen.
Schließlich steht 2019 ein besonderes Jahr bevor. Norwegen wird Gastland der Frankfurter Buchmesse. Wir nutzen die Gelegenheit für eine norwegische Kulturoffensive in Deutschland.
Deutschland ist für norwegische Künstler die wichtigste Station auf dem Weg ins Ausland, sozusagen das Tor zur Welt. Das war schon vor einhundert Jahren so und ist es jetzt wieder. Man denke nur an den Erfolg norwegischer Schriftsteller. Der Roman „Die Geschichte der Bienen“ von Maja Lunde, eine in Deutschland bisher unbekannte Autorin, steht plötzlich an der Spitze der Bestseller-Listen. Ich weiß nicht, woran das liegt, aber es ist eine Tatsache.
Welche Projekte liegen Ihnen als Botschafter besonders am Herzen, welche Bereiche der Zusammenarbeit wollen Sie besonders fördern?
Das größte Feld unserer Zusammenarbeit ist zweifellos die Kooperation beim Bau und beim späteren Betrieb der U-Boote. Wir werden uns als Botschaft bemühen, dass sich viele norwegische Firmen engagieren und Aufträge erhalten. Dafür wollen wir deutsche und norwegische Firmen zusammenbringen. Bis 2019 müssen die Verträge unterzeichnet sein, das heißt, die norwegischen Unternehmen haben ein Fenster von zwei Jahren. Das Interesse ist zwar sehr groß, aber das Projekt ist kein Selbstläufer, das ist harte Arbeit.
Das gemeinsame Unterseekabel, das unsere Länder verbindet, wird eine Menge Strom transportieren können. Es kann zweifellos weiter ausgebaut werden und Norwegen könnte sich zur Batterie Europas entwickeln. Aber momentan sind die Möglichkeiten begrenzt. Es fehlt eine Stromtrasse vom Norden Deutschlands in den Süden. Aber das ist eine Frage für die Zukunft. Was jetzt nicht funktioniert, funktioniert vielleicht später.
Und natürlich wird die norwegische Kulturoffensive 2019 meine Zeit in Berlin mit prägen.
Warum funktioniert die Zusammenarbeit so gut?
Da gibt es viele Gründe. Wir sind uns in der Mentalität sehr ähnlich. Unsere Interessen stimmen in hohem Maße überein. Es existieren nur ganz wenige Bereiche, in denen Deutschland und Norwegen nicht in die gleiche Richtung denken.
Sie erwähnten die Elektromobilität. Die Fahrzeuge selbst kommen aus den USA, Deutschland oder Frankreich, die Batterien aus China und die Ladestationen aus Dänemark. Wie profitiert Norwegen – abgesehen von der Umwelt – vom Boom der Elektroautos?
Norwegen hat keine Tradition im Autobau. Aber unser Land fungiert als Labor, und das macht Sinn. Die Energie, mit der die Autos fahren, stammt aus Wasserkraft und ist komplett sauber. Die Umwelt wird geschont. Aus den Erfahrungen mit der E-Mobilität inklusive des Aufbaus der dazugehörigen Infrastruktur können sich neue Erkenntnisse und Anreize für die Politik entwickeln und neue Kooperationsfelder erschlossen werden wie die digitale Verkehrsüberwachung oder der Bau von Teststrecken.
Norwegen ist ein technologisch hochentwickeltes Land. Die Exportstruktur aber ähnelt der Russlands: Über 70 Prozent der Lieferungen nach Deutschland sind Erdgas, obwohl eine Diversifizierung schon längst auf der Tagesordnung steht.
Das ist korrekt. Gaslieferungen sind das eine. Aber man muss fragen: Wie wird das Gas gefördert? Wie bekommt man das Gas aus dem Meeresboden? Hier ist Norwegen nämlich weltweit führend. Unser Knowhow in der Öl- und Gasproduktion können wir auch für andere Bereiche nutzen.
Deutschland ist zum Beispiel sehr an einer Zusammenarbeit im Tiefseebergbau interessiert, weil Deutschland im Pazifik bereits Minerale im Meeresboden erkundet. Wir sind hier nicht aktiv – aber wir haben das Knowhow aus der Öl- und Gasindustrie, das sich auf neue Felder übertragen lässt. Das ist ein Zukunftsbereich. Am 27. September findet hierzu im Bundeswirtschaftsministerium ein Seminar statt, zu dem sowohl Industrievertreter als auch Vertreter der Wissenschaft kommen werden.
Eigentlich lebt Norwegen von den Dingen, die mit dem Meer zu tun haben: Von Öl und Gas unter dem Meeresboden, den Fischen im Meer und den Schiffen auf dem Meer. In all diesen drei Industriebereichen wird Hightech eingesetzt. Gegenwärtig entwickeln wir beispielsweise autonom fahrende Schiffe mit alternativen Antrieben.
Industrie 4.0 ist sowohl in Deutschland als auch in Norwegen die aktuelle Herausforderung für die Wirtschaft. Wie ist der Stand in Norwegen und welche Kooperationsmöglichkeiten ergeben sich in diesem Bereich zwischen unseren Ländern?
Wir sind im Bereich Digitalisierung ganz weit vorn, sowohl öffentlich als auch privat. Hier können wir vieles anbieten. Lassen Sie mich ein ganz kleines Bespiel nennen: Auf der Werft in Kiel, wo die U-Boote gebaut werden, werden die Rohre digital vermessen – mit Instrumenten aus Norwegen.
Norwegen hat sehr enge Beziehungen auch zu Großbritannien. Was bedeutet der Brexit für Ihr Land?
Der Brexit ist eine Herausforderung auch für uns – es verschiebt sich jetzt der Schwerpunkt. Großbritannien stand bei EU-Verhandlungen an der Seite Norwegens. Wir sind ja kein EU-Mitglied, aber über den Europäischen Wirtschaftsraum eng an die EU angebunden. Nun wird Großbritannien uns nicht mehr unterstützen können. Ich gehe davon aus, dass Deutschland diesbezüglich immer wichtiger werden wird.
Norwegen hat in Deutschland ein hervorragendes Image als Land mit hohem Sozialstandard, glücklichen Menschen, sauberer Umwelt und atemberaubender Natur. Sind Sie damit zufrieden? Als was für ein Land will Norwegen in Deutschland gesehen werden?
Nun, wir haben noch mehr, auf das wir stolz sein können. Ich finde es wichtig, dass andere Länder auch unser Gesellschaftsmodell ansehen, dass sie verstehen, wie wir uns als Land eingerichtet haben, wie wir die großen Fragen Wohlstand, Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Zusammenarbeit, Konfliktlösung im Land und friedliche Zusammenarbeit allgemein gemeinsam lösen. Es gibt in unserem Land, wie übrigens in anderen skandinavischen Ländern auch, ein sehr niedriges Konfliktniveau. Dieser Fakt sollte mehr nach außen getragen werden und sollte Teil unseres Images sein.
Und welche persönlichen Erfahrungen haben Sie im Umgang mit den Deutschen?
Es ist einfach, in Deutschland Norweger zu sein. Das erfreut einen neuen Botschafter natürlich besonders.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Jutta Falkner.
Zur Person
Petter Ølberg, 1960 in Oslo geboren, lebte als Kind in Deutschland und besuchte einen deutschen Kindergarten und eine deutsche Schule. Die Mutter war Deutsche. Der Vater Per Martin Ølberg war von 1963 bis 1966 an der Botschaft in Bonn tätig und wurde 1988 norwegischer Botschafter in Bonn.
Petter Ølberg studierte Sozialwissenschaften, unter anderem in Kiel. Er begann seine Karriere 1986 als Aspirant im norwegischen Außenministerium. 1999 bis 2004 arbeitete er als Gesandter bei der Königlich Norwegischen Botschaft in Berlin.
Im Jahr 2009 wurde Ølberg zum Botschafter in Jordanien ernannt. 2014 kehrte er als Generaldirektor der Abteilung für Wirtschaft und Entwicklung in das norwegische Außenministerium zurück. Seit Juni 2017 ist er designierter Botschafter in Berlin. Er wird am 20. September sein Beglaubigungsschreiben übergeben.
Kontakt:
Königlich Norwegische Botschaft
Rauchstraße 1
10787 Berlin
emb.berlin@mfa.no
Tel.: +49 30 50 50 58 600
https://www.norway.no/de/germany/norwegen-germany/die-botschaft/
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