Wir brauchen mehr Länder, die uns folgen

Norwegen feierte im vergangenen Dezember das 100.000. zugelassene Elektroauto. Damit ist Norwegen das Land mit dem höchsten Anteil an E-Cars pro Einwohner bei den Neuzulassungen. BusinessPortal Norwegen sprach mit Christina Bu, Geschäftsführerin des Norwegischen Verbandes der Elektrofahrzeuge, über die Hintergründe der Success-Story und die internationale Zusammenarbeit im Bereich E-Mobilität.

 

Warum ist Norwegen im Bereich Elektromobilität so erfolgreich?

Darauf gibt es eine einfache Antwort: Die norwegische Politik im Bereich Elektroautos führt dazu, dass die neue Null-Emissionstechnologie, die bei E-Autos verwendet wird, wettbewerbsfähig gegenüber Autos mit herkömmlichen Kraftstoff ist. Das norwegische Kfz-Steuersystem basiert auf den Verursacherprinzip von Umweltverschmutzung. Wir haben in Norwegen hohe Steuern auf Kraftfahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß und keinerlei Steuern auf Kraftfahrzeuge mit Null-Emission. Das macht die Elektroautos für die Norweger wirtschaftlich attraktiv. Darüber hinaus gibt es jede Menge Anreize, um beispielsweise die geringe Reichweite, die Ladeprobleme und andere Unwägbarkeiten zu kompensieren, die eine neue Technologie so mit sich bringen kann.

Norwegen hat vorausschaubare und vorteilhafte politische Rahmenbedingungen für Elektromobilität geschaffen. Aber jetzt gibt es Debatten, ob all die Präferenzen, die bisher gewährt werden, fortgesetzt werden können und sollen. Was erwarten Sie für dieses Jahr?

Die Politik im Bereich Elektromobilität wird in der Tat nicht von allen Parteien im Parlament langfristig unterstützt. Die entscheidenden Steuervorteile sind aber bis mindestens 2020 garantiert. Andere Präferenzen wie freies Parken, Nutzung von Fähren und die Befreiung von der Maut entscheiden die lokalen Behörden. Ihnen ist hier aber ein Limit gesetzt: Die Raten für Elektroautos müssen um mindestens 50 Prozent geringer sein als die für Benzin- oder Dieselautos. Gleichzeitig wird es mehr Restriktionen für Autos mit herkömmlichen Kraftstoffen geben. Jüngstes Beispiel ist das Fahrverbot für Dieselautos in Oslo Mitte Januar aufgrund hoher Umweltverschmutzung.

Norwegen hat 650 Schnellladestationen. In den kommenden Jahren müssen hunderte dieser Powerstationen neu gebaut werden.©BPN
Norwegen hat 650 Schnellladestationen. In den kommenden Jahren müssen hunderte dieser Powerstationen neu gebaut werden.©BPN

Was genau sind die Ziele Norwegens im Bereich der E-Mobilität und worin bestehen die größten Herausforderungen, diese zu erreichen?

Das Parlament hat entschieden, dass ab 2025 nur noch Fahrzuge mit Null-Emission zugelassen werden. Das ist ein sehr ambitioniertes Ziel, aber wir denken, das ist mit der Fortführung der Anreizpakete und mit neuen Modellen von Elektroautos mit einer längeren Reichweite ein durchaus realistisches Vorhaben. Unser Verband hat das mittelfristige Ziel, dass bis 2020 etwa 400.000 Autos mit Null-Emission auf norwegischen Straßen fahren.

 

Was können andere Länder von Norwegen lernen?

Wir hören oft, dass Norwegen die Politik im Bereich der Elektromobilität durch die Öleinnahmen finanziert. Tatsächlich aber können alle Länder Autos mit hohen Abgaswerten so besteuern, um Präferenzen für Autos mit Null-Emissionen zu finanzieren. Das muss nicht auf Kosten der Staatskasse geschehen.

Der Fall Norwegen zeigt auch, dass Eigentümer von Elektroautos ihre Fahrzeuge lieben und nicht mehr auf die altmodischen Benziner zurückgehen werden. Mehr und mehr Norweger kaufen auch außerhalb der großen Städte E-Cars. Das zeigt uns, dass diese Fahrzeuge nicht länger ausschließlich als Stadtautos genutzt werden.

 

Was kann Norwegen von anderen Ländern lernen?
Wir müssen von den fortschrittlichsten E-Car-Märkten profitieren, um Industrie und neue grüne Jobs zu schaffen. Heute ist der größte Anbieter für Schnellladestationen die finnische Energiefirma Fortum. Wir bekommen viele Besuche aus der Industrie, der Politik und von den Medien aus allen Ländern der Welt, die von der norwegischen Success-Story lernen wollen. Aber norwegische Firmen haben bisher das Potenzial des anstehenden Paradigmenwechsels im Bereich Transport und Energie noch nicht ganz erkannt. Zum Glück tut sich auf diesem Gebiet aber inzwischen einiges. Es gibt gute Beispiele, da sowohl Newcomers als auch etablierte Unternehmen innovativ im Bereich Elektromobilität arbeiten und neue Jobs schaffen.

 

Sie haben es schon angedeutet: Norwegen ist ein interessanter Markt für E-Cars. Aber: Es gibt – abgesehen von kleinen Postautos – keine eigene Produktion in Norwegen. Das Land ist auch nicht berühmt für neue Technologien auf diesem Gebiet. Abgesehen von einer sauberen Umwelt – worin besteht für Norwegen der Profit im Geschäft mit der E-Mobilität?

Norwegen ist ein schneller Anwender neuer Technologien und hat eine hoch qualifizierte Bevölkerung. Bei der Industrie für Elektromobilität geht es ja um sehr viel mehr als nur um das Auto. Mit den Erfahrungen, die die Anwender in diesem Bereich machen, sehen wir die Potenziale für die Entwicklung besserer Lademöglichkeiten, smarter Netze, selbstfahrender Autos und mehr. Da wir unseren Strom zu fast einhundert Prozent aus Wasserkraft produzieren, können wir auch Autoteile für Elektroautos herstellen wie beispielsweise Akkus, um die Emission auch im Bereich der Produktion zu reduzieren.

 

Wo sehen Sie interessante Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen im Bereich Elektromobilität in Norwegen?

Die deutsche Industrie lernt bereits von den Erfahrungen der meist entwickelten Märkte in der Welt. Im vergangenen Jahr besuchte fast der gesamte Volkswagen-Vorstand Oslo, um Input für neue Business-Strategien für Elektroautos zu bekommen. Ein Teil der Ladetechnologien wird bereits von deutschen Unternehmen geliefert – und ich denke, dass sie ihre Technologien kontinuierlich verbessern, nachdem sie diese in Norwegen getestet haben – dem einzigen Land in der Welt, in dem schon in einem frühen Stadium ein Massenmarkt existiert. Eine engere Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Norwegen sowohl in der Politik als auch in der Industrie kann grüne Jobs schaffen und gegenseitige Vorteile für beide Länder bringen. Deutschland hat die Autoproduzenten und jede Menge Technologie, wir haben den Markt und kauflustige Konsumenten.

Der norwegische Verband der Elektrofahrzeuge repräsentiert gegenwärtig mehr als 40.000 Besitzer von Elektroautos – und ich kann Ihnen versichern – das sind sehr anspruchsvolle Konsumenten. Unternehmen, die sich nicht vollständig auf die Kunden einlassen, werden nicht durchhalten, weil unser Markt hoch entwickelt ist. Mehr und mehr ausländische Firmen kommen, um hier zu lernen.

 

Am 7. und 8. Februar trifft sich die E-Mobilitätsbranche in Drammen. Was erwarten Sie vom Nordic EV-Summit?

Dieser zweitägige Kongress in der Hauptstadt der Elektromobilität in Norwegen wird die bedeutendsten Akteure der Branche im Norden zusammenführen. Darüber hinaus werden zahlreiche internationale Referenten und Unternehmen kommen. Wir erwarten, dass sich die Teilnehmer inspirieren lassen vom größten Markt für Elektromobilität, dass sie Input geben und neue Geschäftspartner treffen. Der norwegische Markt ist zu klein, um einen schnellen Umbruch hin zu Null-Emissionen in der Transportbranche weltweit zu ermöglichen. Wir brauchen mehr Länder, die uns folgen. Der Nordic EV-Summit ist schon fast ausgebucht – aber noch ist eine Teilnahme möglich.

 

Kontakt:

Am 7. und 8. Februar findet in Drammen der Kongress der nordischen Elektrofahrzeuge statt. Zu den Referenten zählen unter anderen Vertreter von Tesla Motors, BMW, Volkswagen, General Motors, Uber, E.ON, Schneider Electric sowie Verbandsrepräsentanten.

Informationen zum Nordic EV-Summit erhalten Sie unter nordicevs.no

Norsk elbilforening
Tel.: +47 90 70 45 45
elbil@elbil.no
http://elbil.no

 

 

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