
Norwegen ist das Land der Elektromobilität. 100.000 E-Cars fahren auf Norwegens Straßen. Normalerweise könnte man erwarten, dass in einem Ölland wie Norwegen Benzin der begehrteste Kraftstoff ist. Aber das ist nicht der Fall. Die Norweger steigen um.
Zwölf von 15 neuen Autos waren im November vergangenen Jahres Elektroautos oder Fahrzeuge mit Hybridantrieb. Der Markt ist bei den internationalen Autoherstellern hart umkämpft. Zur Zerokonferenz Ende vergangenen Jahres stellte Karl-Thomas Neumann, CEO der Opel-Group, erstmals das neue Modell Ampera-e vor. Noch bevor er zu den Händlern in Europa kommt, fährt das Elektroauto schon auf Norwegens Straßen. Das neue Gefährt, das längere Distanzen mit einer Batterieladung bewältigen kann als alle Mitbewerber seiner Klasse, wird der Gewinner des Jahres 1017 sein.
Elektroautos sind heute die Sieger in Norwegen. Wie kam es dazu? 1989 importierte die kleine radikale Umweltorganisation Bellona ein in der Schweiz handgefertigtes Elektroauto nach Norwegen, einen Larel. Es war ein kleiner Fiat Panda, ausgehöhlt und mit einer 600-Kilogramm–Batterie ausgerüstet. Bellona fuhr mit diesem Auto in Oslo herum – am Steuer saß der Popstar Morten Harket von Aha.
Das politische Interesse an E-Mobilität wuchs, und mit der Zeit auch der politische Druck, Elektroautos alle möglichen Präferenzen zu gewähren. Heute, 25 Jahre später, wächst der Bestand an Elektroautos unaufhörlich.
Norwegen hat keine eigene Fahrzeugindustrie – aber das Land hat Öl und Wasser. Es besitzt so viel Strom, der aus Wasserkraft produziert wird, dass das Land gar nicht weiß, wohin damit. Norwegen steht an der Spitze der Liste der Stromkonsumenten in der Welt. Alle Haushalte heizen mit Strom – sowohl ihre Häuser als auch ihre Hütten. Wenn Norwegen in einigen Jahren tatsächlich sämtliche Pkw der 5,5 Millionen Einwohner mit Strom tanken lässt, dann bleibt immer noch ein riesiger Überschuss an Energie.
Preiswerter Strom für energieintensives Business
Einiges bekommen sie sogar umsonst – diese glücklichen Norweger: Durch die Klimaveränderung wird es auch in Norwegen immer wärmer und feuchter. So wird weniger Strom zum Heizen gebraucht – und der viele Regen füllt die Dämme der Wasserkraftwerke. Während andere Länder Anlagen für die Produktion erneuerbarer Energie erst aufbauen müssen, sind die Wasserkraftwerke in Norwegen seit Jahrzehnten vorhanden und werden immer effizienter.
Deutsche Unternehmen haben bereits registriert, dass die grüne Transformation, die sich Norwegen auf die Fahne geschrieben hat, interessante Geschäftsmöglichkeiten in sich birgt. Norwegen ist der beste Platz der Welt für Geschäfte, die preiswerte Elektrizität erfordern.
Verschiedene deutsche Unternehmen schauen gegenwärtig nach Norwegen, um hier Metallschmelzen oder andere energieintensive Industrien aufzubauen.
Seltene Erden aus Norwegen statt aus China
Zu den weiteren Naturressourcen, über die Norwegen in den Bergen neben Wasser verfügt, zählen auch Seltene Erden – das größte Vorkommen in Europa. Diese Gruppe von Metallen wird in Mobiltelefonen, Elektroautos, Windanlagen, Computern und bei den wichtigsten Ausrüstungen der Verteidigungsindustrie verwendet.
Kürzlich startete eine norwegische Firma mit der Produktion Seltener Erden – selbstverständlich mit einer neuen mit grünen und emissionsfreien Technologie. Das 2014 gegründete Unternehmen REEtec will in Europa eine Wertschöpfungskette für Seltene Erden aufbauen, sowohl mit Unterstützung der norwegischen Regierung als auch der Europäischen Kommission und verschiedener deutscher Unternehmen. Norwegen wird das Rohmaterial zuliefern – die Wertschöpfung wird in Deutschland stattfinden. Typisch für diese Industrie: 90 Prozent und mehr des Wertes wird am Ende der Kette geschaffen. Deutschland dominiert diesen Bereich in Europa. Global dominiert China die Zulieferungen und setzt diese auch schon einmal als politisches Mittel ein. Die Produktion Seltener Erden in China verursacht Emission in großem Umfang und ist eine große Herausforderung für die Umwelt.
Ein großes Event für alle Green-Tech-Enthusiasten in Norwegen ist die Zero Conference. Hier treffen sich 1.200 Entscheidungsträger aus der Industrie und der Regierung – ein Zwei-Tages-Rausch der umweltschonende Technologien. Die Stiftung, die hinter der Konferenz steht, ist Zero Emission Resource Organisation – eine der wichtigsten grünen Lobbygruppen in Norwegen und ein starker Partner verschiedener deutscher Konzerne. Heidelberg Cement und Siemens gehören dazu und promoten gemeinsam mit ZERO ihre besten Umwelttechnologien.
Kollaps der Ölindustrie birgt neue Chancen
Aber die tatsächlich aufregenden Möglichkeiten der Transformation Norwegens sind eine Folge des Ölpreisverfalls, der Norwegen schwer getroffen hat. Der Kollaps der Ölindustrie hat in der Wirtschaft eine Schockwelle ausgelöst. Man ist sich einig: der Ölindustrie stehen schwierige Jahre bevor mit geringerer Profitabilität. Tausende von gut ausgebildeten Arbeitern und Ingenieuren haben bereits ihren Job verloren.
Aber gerade diese neue und ungewohnte Arbeitslosigkeit schafft auch neue Möglichkeiten. Leute, die jetzt die Ölindustrie verlassen, sind generell gut situiert – sie hatten über Jahre gut bezahlte Jobs, und sie sind es gewöhnt, hart zu arbeiten und Probleme zu lösen.
Ihnen steht ein Staat zur Seite, der zu den reichsten der Welt zählt. Über Jahre flossen die Einnahmen aus dem Export von Erdöl und Ergas in einen Fonds, der heute mit etwa 700 Milliarden Euro gut gefüllt ist und das Geld weltweit anlegt.
Diese Kombination aus gut ausgebildeten und erfahrenen Leuten, die auf Arbeitssuche sind, enormen finanzielle Kapazitäten und sehr preiswerten Strom bietet einen sehr potenten Mix: Entlang der norwegischen Küste wachsen täglich neue Unternehmen aus dem Boden, die sich mit den Probleme der Zukunft beschäftigen. Diese Welle von Start ups bekommt enorme Unterstützung seitens des Staates.
Für Deutschland, Ursprung solcher Wissenschaften wie Chemie und Geologie und Spitzenreiter im Maschinenbau, schafft dieser Mix interessante Kooperationsansätze. Dies sind aufregende Zeiten, denn Norwegen steht vor der schnellsten Transformation seiner Geschichte. Es gab auch schon Umwälzungen zuvor – eine schnelle Industrialisierung vor einhundert Jahren. Aber der gegenwärtige Umbau der Gesellschaft ist viel größer und wird die globale Entwicklung beeinflussen. Norwegen ist ein riesiges Testlabor für neue Technologien und wird die wichtigste treibende Kraft in den verschiedensten Bereichen.
Elektro-Autos würden heute nicht existieren, wenn Norwegen sich nicht entschieden hätte, diesen Bereich zu unterstützen. Sonnenenergie würde nicht so ein Erfolg sein, wenn Deutschland nicht ein so umfangreiches Förderprogramm aufgelegt hätte. Neue Dinge passieren, wenn engagierte Leute es wollen – und das geschieht momentan in Norwegen.
©Visit Norway
Der Autor:
Bård Bergfald ist seit 30 Jahren als Unternehmensberater im Umweltbereich tätig. Er vertritt sowohl deutsche Industrieunternehmen in Norwegen als auch norwegische Industriefirmen in Deutschland und ist Vorstandsmitglied verschiedener Unternehmen.
Kontakt:Bård Bergfald
BERGFALD Miljørådgivere, Oslo
Tel.: +47 23 00 05 90
bard@bergfald.no
www.bergfald.no