Änderungen im norwegischen Wirtschaftsrecht 2017

Oslo, Dezember 2016. Das norwegische Recht unterliegt – wie alle anderen Rechtsordnungen – ständigen Veränderungen. Dies gilt auch für das norwegische Wirtschaftsrecht. Zum 1. Januar 2017 wurden daher das Vergaberecht und das Steuerrecht geändert. Außerdem werden für das Jahr 2017 weitere Reformen des Gesellschaftsrechts erwartet.

 

  1. VERGABERECHT

Mit Wirkung zum 1. Januar 2017 sind neue Verordnungen im norwegischen Vergaberecht in Kraft getreten, die verschiedene europäische Richtlinien (2014/24/EU (Vergabeverordnung), 2014/25/EU (Sektorenverordnung) und 2014/23/EU Konzessionsverordnung)) in norwegisches Recht umsetzen. Demgegenüber wurde die Vergabeverordnung für den Bereich der Verteidigung und Sicherheit nicht geändert.

 

1.1 Neue Verordnungen

1.1.1 Vergabeverordnung 

Die neue Vergabeverordnung gilt für die Vergabe aller öffentlichen Aufträge mit Ausnahme der Vergabe von Aufträgen im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und der Konzessionsvergabe und mit Ausnahme von Aufträgen im Bereich der Verteidigung und Sicherheit.

Im Rahmen der Vergabeverordnung wird zwischen Aufträgen mit einem Auftragswert unter den EWR-Schwellenwerten (Teil II der Vergabeverordnung) und Aufträgen mit einem Auftragswert über den EWR-Schwellenwerten (Teil III der Vergabeverordnung) unterschieden.

Im Falle von Aufträgen mit einem Auftragswert unter den EWR-Schwellenwerten erfolgt eine öffentliche Bekanntmachung auf Doffin (www.doffin.no) nunmehr erst ab einem Auftragswert von NOK 1.100.000. Die frühere Grenze von NOK 500.000 wurde also auf NOK 1.100.000 angehoben. Des Weiteren wurde ein neues Vergabeverfahren, das sogenannte Angebotsverfahren, für Aufträge mit einem Auftragswert von über NOK 500.000 eingeführt. Das Angebotsverfahren eröffnet die Möglichkeit für Verhandlungen und andere Gespräche mit Unternehmen auch vor Erreichung der EWR-Schwellenwerte.

Für den Fall von Aufträgen mit einem Auftragswert über den EWR-Schwellenwerten ist zu beachten, dass auch die neue Vergabeverordnung für verschiedene Aufträge unterschiedliche EWR-Schwellenwerte kennt. Diese betragen nunmehr für Aufträge über Waren und Dienstleistungen des Staats NOK 1.100.000, für Aufträge über Waren und Dienstleistungen anderer Auftraggeber NOK 1.750.000, für Aufträge über Gesundheits- und soziale Dienstleistungen NOK 6.300.000 und für Aufträge über Bauleistungen NOK 44.000.000.

Für Aufträge über den EWR-Schwellenwerten wurde zunächst der Zugang zum Verhandlungsverfahren als Alternative zum offenen und zum nicht-offenen Verfahren erleichtert. Das Verhandlungsverfahren steht insbesondere dann zur Verfügung, wenn besondere Auftragsanforderungen bestehen oder die mit dem Auftrag verbundenen Risiken für Verhandlungen sprechen. Für die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens kann die Einheitliche Europäische Eigenerklärung vorgelegt werden.

Außerdem führt die Vergabeverordnung die sogenannte Innovationspartnerschaft als neues Vergabeverfahren ein. Dabei geht es darum, dass – unter der Erreichung bestimmter festgelegter Milestones – innovative Produkte entwickelt und anschließend erworben werden können.

 

1.1.2 Sektorenverordnung

Für Aufträge im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste gilt die neue Sektorenverordnung. Der wesentliche Unterschied zur früheren Vergabeverordnung für den Versorgungsbereich besteht vor allem darin, dass jetzt auch der Staat, die Regionen und die Gemeinden ein Vergabeverfahren im Rahmen der Sektorenverordnung führen können, während sie gemäß dem früheren Recht ausdrücklich auf die vergleichsweise weniger flexible Vergabeverordnung verwiesen wurden.

Im Rahmen der Sektorenverordnung wird ebenfalls zwischen Aufträgen mit einem Auftragswert unter den EWR-Schwellenwerten (Teil I der Sektorenverordnung) und Aufträgen mit einem Auftragswert über den EWR-Schwellenwerten (Teil II der Sektorenverordnung) unterschieden.  

Für den Fall von Aufträgen mit einem Auftragswert unter den EWR-Schwellenwerten besteht die wesentliche Neuerung darin, dass keine öffentliche Bekanntmachung mehr erfolgt.

Auch die Sektorenverordnung kennt für verschiedene Aufträge unterschiedliche EWR-Schwellenwerte. Diese betragen nunmehr für Aufträge über Waren und Dienstleistungen NOK 3.500.000, für Aufträge über Gesundheits- und soziale Dienstleistungen NOK 8.400.000 und für Aufträge über Bauleistungen NOK 44.000.000. Für den Fall, dass ein Auftrag über dem EWR-Schwellenwert liegt, gilt für Rahmenvereinbarungen eine neue zeitliche Höchstgrenze, die nunmehr ausdrücklich auf acht Jahre festgeschrieben ist.

 

1.1.3 Konzessionsverordnung

Auf die Konzessionsvergabe, für die früher keine eigenen kodifizierten Regelungen bestanden, kommt künftig die neue Konzessionsverordnung zur Anwendung.

Auch im Rahmen der Konzessionsverordnung wird zwischen Aufträgen mit einem Auftragswert unter einem EWR-Schwellenwert (Teil I der Konzessionsverordnung) und Aufträgen mit einem Auftragswert über einem EWR-Schwellenwert (Teil II der Konzessionsverordnung) unterschieden. Der EWR-Schwellenwert beträgt NOK 44.000.000.

Soweit der Auftragswert unter dem EWR-Schwellenwert liegt, gelten keine besonderen Regeln, sondern nur die allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätze. Für Aufträge mit einem Auftragswert über dem EWR-Schwellenwert wurde hingegen ausdrücklich festgelegt, dass diese öffentlich bekannt zu machen sind. Außerdem dürfen solche Aufträge, die für einen Zeitraum von mehr als fünf Jahre vergeben werden, nur so lange vergeben werden, wie dies zum Ausgleich der getätigten Investitionen und zur Erzielung eines angemessenen Gewinns erforderlich ist.

 

1.2 KOFA

Abschließend wurde die norwegische Kammer zur Nachprüfung der Vergabe öffentlicher Aufträge (Klagenemnd for offentlige anskaffelser – KOFA) wieder aufgewertet. Frühere Änderungen an ihrer Zuständigkeit wurden nämlich wieder rückgängig gemacht. Danach kann KOFA wieder Geldbußen im Falle der Verletzung bestimmter vergaberechtlicher Regeln, beispielsweise im Falle fehlerhafter öffentlicher Bekanntmachung, erlassen. Die Geldbuße kann bis zu 15 % des Auftragswerts betragen.

 

  1. STEUERRECHT

Auch in Norwegen sind – wie in Deutschland – Bankdienstleistungen von der Umsatzsteuer befreit. Daran soll sich in Norwegen nichts ändern. Stattdessen wurde Norwegen zum 1. Januar 2017 eine neue Finanzsteuer einführen, die bei Banken, Pensionskassen und Versicherungen erhoben wird und aus zwei Komponenten besteht.

 

2.1  Körperschaftsteuer

Zum einen wird der Körperschaftsteuersatz für Banken, Pensionskassen und Versicherungen – anders als für alle anderen Unternehmen – nicht von 25 % (2016) auf 24 % (2017) abgesenkt. Damit werden Banken, Pensionskassen und Versicherungen also auch im Jahr 2017 dem Körperschaftsteuersatz von 25 % unterliegen, während der Körperschaftsteuersatz für alle anderen Unternehmen ab dem Jahr 2017 nur 24 % beträgt.

Allerdings infizieren Banken, Pensionskassen und Versicherungen, die Teil eines Konzerns sind, nicht die anderen Konzerngesellschaften. Daher lassen sich Einkommen aus Banken, Pensionskassen und Versicherungen im Wege des sogenannten Konzernbeitrags in andere – branchenfremde – Konzerngesellschaften verschieben, wo sie künftig nur mit dem Körperschaftsteuersatz von 24 % belastet werden.

 

2.2 Finanzsteuer

Zum anderen wird eine neue Steuer, die eigentliche Finanzsteuer, in Höhe von 5 % erhoben, die auf der Grundlage der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte der Arbeitnehmer der Banken, Pensionskassen und Versicherungen berechnet wird. In technischer Hinsicht wird sie wie die Arbeitgeberabgabe zu der Sozialversicherung abgeführt. Im Ergebnis wird also die Arbeitgeberabgabe, die Banken, Pensionskassen und Versicherungen für ihre Arbeitnehmer zu zahlen haben, entsprechend erhöht.

 

  1. GESELLSCHAFTSRECHT

Die meisten norwegischen Gesellschaften sind als Aksjeselskap (AS), die sich mit der deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) vergleichen lässt, organisiert. Die AS wurde in den vergangenen Jahren verschiedenen Reformen unterzogen. Im Herbst des vergangenen Jahres wurden neue Reformvorschläge durch eine von der norwegischen Regierung eingesetzten Kommission vorgelegt, die in diesem Jahr weiter behandelt werden sollen.

 

3.1 Mindeststammkapital

Zunächst wird ein neues Mindeststammkapital von NOK 1 – anstelle von heute NOK 30.000 – vorgeschlagen. Der Vorschlag orientiert sich dabei an den Gründungsvorschriften anderer europäischer Länder. So ist beispielsweise im deutschen Recht seit einigen Jahren die Gründung der GmbH (als Unternehmergesellschaft – UG) mit einem Stammkapital von nur EUR 1 möglich.

Im Rahmen der früheren Reformen der AS wurde eine Herabsenkung des Mindeststammkapitals auf nur NOK 1 noch abgelehnt. Begründet wurde dies damit, dass man eine gewisse Grenze beibehalten wollte, um den Gläubigern der AS ein bestimmtes Haftungskapital zu sichern und gleichzeitig unseriösen Unternehmern die Gründung der AS zu erschweren oder sie von der Gründung ganz auszuschließen. Die Kommission schloss sich dieser Auffassung ausdrücklich nicht an. Inzwischen haben aber verschiedene Seiten erhebliche Kritik an dem neuen Vorschlag geäußert.

 

3.2  Genehmigung von Verträgen

Als weitere wesentliche Änderung wird die Abschaffung des Genehmigungserfordernisses für bestimmte Verträge zwischen der AS einerseits und insbesondere ihren Gesellschaftern, den Mitgliedern ihres Verwaltungsrats und ihrem Geschäftsleiter andererseits vorgeschlagen.

Nach heutigem Recht müssen solche Verträge grundsätzlich durch die Gesellschafterversammlung genehmigt werden. Im Falle der Nichtgenehmigung sind die Verträge ungültig und müssen rückabgewickelt werden. Außerdem muss der Verwaltungsrat einen Werthaltigkeitsbericht über die vertraglichen Leistungen ausarbeiten, der durch einen Wirtschaftsprüfer zu bestätigen, der Einladung zur Gesellschafterversammlung beizufügen und beim Handelsregister einzureichen ist. In der Praxis haben diese Regelungen zu erheblichen Problemen und zu jährlichen Kosten von ca. NOK 90 Mio. geführt.

Daher sollen die heutigen Regelungen durch eine bloße Informationspflicht ersetzt werden. Danach sollen alle Gesellschafter über den Abschluss solcher Verträge unverzüglich benachrichtigt werden. Die Benachrichtigung soll aber keine Voraussetzung für die Gültigkeit der Verträge sein, so dass die Verträge auch dann nicht ungültig werden, wenn die Informationspflicht nicht vollständig oder erst verspätet erfüllt wird.

 

Der Autor:
Dr. Roland Mörsdorf ist Partner, Rechtsanwalt/Advokat bei Advokatfirmaet Grette DA, Oslo.
Kontakt:
Grette DA
Tel.: +47 22 34 00 00
romo@grette.no

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