Norweger schätzen ‚Made in Austria’

f-zimburga_7337_16Herr Dr. Zimburg, der Ölpreisverfall hat Norwegen in diesem Jahr stark zugesetzt, vor allem die Investitionen in die Öl- und Gasindustrie sind zurückgegangen. Wie hat sich das auf den Handel zwischen Österreich und Norwegen ausgewirkt?

Die hervorragenden Exportergebnisse früherer Jahre konnten 2015 leider nicht mehr ganz erreicht werden. Ein Trost ist für uns, dass Österreich einmal mehr einen deutlichen Handelsbilanzüberschuss erwirtschaften konnte und mit 166 Millionen Euro neuerlich ein respektables Ergebnis vorweisen kann. Immerhin konnte der Exportrückgang – 2014 noch im zweistelligen Bereich – auf  minus 9,38 Prozent heruntergebremst werden. Gleichzeitig nahmen Österreichs Importe aus Norwegen 2015 mit fast fünf Prozent wieder deutlich zu.

In den ersten neun Monaten 2016 lieferten Österreichs Exporteure Waren im Wert von 272 Millionen Euro nach Norwegen, was ein Minus im Höhe von drei Prozent bedeutet.

Norwegens erreichte 2015 einen beachtlichen Exportzuwachs von 4,6 Prozent, allerdings von einem niedrigen Niveau, 260 Millionen Euro, ausgehend. Bis September 2016 exportierte das Königreich waren im Wert von 190 Millionen Euro und musste damit neuerlich einen Rückschlag um fast fünf Prozent hinnehmen.

 

Welche österreichischen Erzeugnisse werden in Norwegen nachgefragt und was liefern die Norweger hauptsächlich nach Österreich?

Die volumenmäßig traditionell stärksten Positionen nehmen Österreichs Lieferanten von Kesseln, mechanischen Maschinen und Apparaten ein. Besonders hervorzuheben sind in dieser Gruppe Wasserturbinen und -räder samt Regler, deren Lieferungen sich zuletzt verdoppelt haben und Norwegens umweltfreundlichen Investitionsfokus belegen.

Österreichs zeitwichtigste Warengruppe sind elektrische Maschinen, Apparate und elektrotechnische Waren. Die drittstärkste Gruppe besteht aus Zugmaschinen und Kraftfahrzeuge, darunter den norwegischen Verhältnissen gut entsprechende Traktoren sowie Motorräder. Die Lieferung von Pkw’s ging zurück, was mit dem Auslaufen von speziellen, in Österreich gefertigten Modellen zu tun hat. Gleichzeitig gab es erfreuliche Zuwächse bei Lkw’s und den populären Offroad-Motorrädern.

Mit fast einem Viertel des Gesamtvolumens dominierten Aluminium und Waren daraus den Warenmix aus Norwegen. Dies verdeutlicht einmal mehr die Vorteile von Norwegens ausgezeichneter Versorgung mit preiswertem Strom aus Wasserkraft.

Die zeitwichtigste Lieferposition Norwegens umfasst Mineralien, konkret Magnesite, die beachtliche Zuwächse aufweisen.

Wertmäßig deutlich abgeschlagen liegen Meeresfrüchte auf dem dritten Platz, wobei frisch gekühlte Fische dominieren. Es verwundert dabei, dass veredelte Fischprodukte einen relativ geringen Anteil haben.

 

Norwegen hat sehr ambitionierte Ziele im Bereich Klimaschutz, zu deren Umsetzung die Wirtschaft mit innovativen Technologien beitragen soll. Außerdem nimmt Norwegen für den Ausbau der Infrastruktur viel Geld in die Hand. Ein Augenmerk wird auf die Diversifizierung der norwegischen Wirtschaft gelegt. Spielen diese für Norwegen wichtigen Themen in der norwegisch-österreichischen Kooperation eine Rolle?

Ja, absolut. Im Bereich Klimaschutz, das heißt bei der umweltfreundlichen Energiegewinnung, gibt es global führende Spezialisten in Österreich, die auch bereits in Norwegen erfolgreich sind.

Vor allem die umfangreichen Infrastrukturinvestitionen Norwegens bieten beachtliches Potenzial für österreichische Unternehmen, die bislang in Norwegen noch nicht beziehungsweise wenig tätig waren. Gleichzeitig ist Norwegen proaktiv bemüht, ausländische Akteure anzuziehen, um eine Überhitzung des Marktes zu vermeiden. Ebenso ist Norwegen an Knowhow aus Österreich interessiert, zumal die Topographie beider Länder durchaus große Ähnlichkeiten aufweist und österreichische Unternehmen gerade im Infrastruktursektor sowohl bei Errichtung als auch Betrieb beachtliches Wissen und Erfahrungen anbieten können.

Mein Büro unterstützt dies auch aktiv über zahlreiche Veranstaltungen und Foren, bei denen wir norwegische und österreichische Akteure zusammenführen.

 

Welches sind die wichtigsten Themen, die österreichische Firmen momentan im Zusammenhang mit Norwegen interessieren?

Infrastruktur – sprich Tiefbau, urbane Entwicklung – mit Fokus auf Planung und neue Materialtechnologien, der umweltfreundliche (!) Energiesektor sowie Dienstleistungen. Im Dienstleistungssektor erzielt vor allem die Transportbranche beachtliche Zuwächse in der Relation Norwegen. Darüber hinaus ist der Fremdenverkehr eine Erfolgsgeschichte.

 

Wie entwickeln sich die Investitionen österreichischer Firmen in Norwegen?

Österreichische Unternehmen haben ihre Investitionen 2015 um rund zehn Prozent in die Höhe geschraubt und sind mit insgesamt 39 Niederlassungen in Norwegen vertreten, sieben mit eigener Produktion. Prominenter Akteur ist unter anderem die OMV, welche 2014 einen Volltreffer landete und seitdem im Nordatlantik erfolgreich Erdöl- und Gas fördert. Eine weitere Erfolgsgeschichte ist Pipelife, die zu Norwegens größtem Exporteur von Kunststoffrohren angewachsen ist. Einen besonderen Erfolg konnte 2015 die zur Fried.v.Neuman Gruppe gehörende Raufoss Technology erzielen, welche Volvo nunmehr aus Norwegen mit Fahrwerkskomponenten beliefert – ein Produkt, das bislang aus China bezogen wurde. Wir freuen uns mit ihnen.

 

Sowohl Norwegen als auch Österreich sind attraktive Urlaubsländer. Welche Bedeutung hat der Tourismus in den Beziehungen beider Länder?

Wie schon erwähnt sind Touristen aus Norwegen eine wichtige Kundengruppe. Vor allem norwegische Skifahrer schätzen die hervorragende Infrastruktur in Österreich und die natürlicher Gemütlichkeit der österreichischen Destinationen. Schließlich ist auch noch die Preisstruktur in Österreich gerade aus norwegischer Sicht ein günstige.

Aus österreichischer Sicht ist Norwegen ein Land für Spezialisten, es genießt einen hervorragenden Ruf ob seiner faszinierenden Fjordlandschaften und Weite, allerdings fürchten viele potenzielle Reisende vermeintlich hohe Preise und die Unsicherheit beim Wetter. Es gibt aber nicht wenige Österreicher, die bereits auf eine Reise mit dem Postschiff verweisen können.

 

Welche Empfehlungen haben Sie für Firmen aus Österreich, die sich für den norwegischen Markt interessieren? Welche Branchen sind besonders attraktiv?

Zunächst muss man sagen: Bereiten Sie sich gut vor und nehmen Sie die Markterschließung ernst. Norweger sind in der Regel sehr offene, aber auch konsequente Verhandler, denen Basarmentalität völlig fremd ist.

Es gibt traditionell eine breite Palette von österreichischen Produkten, die aufgrund ihrer Qualität erfolgreich auf dem norwegischen Markt vertreten sind und sich auch weiterhin durchsetzen werden. Norweger schätzen einfach hochwertige Maschinen und Anlagen ‚Made in Austria’.

Wie ich schon habe durchblicken lassen, halte ich die Baubranche zur Zeit für besonders attraktiv. Außerdem ist es spannend zu sehen, wie Norwegen auf eine Zukunft mit deutlich weniger Offshore -Einnahmen reagiert und wie wir es dabei unterstützen beziehungsweise dieses Potenzial optimal nützen können.

Als Nischenbereich könnte man noch hochwertige Lebensmittel anführen, wobei zu hoffen bleibt, dass Norwegen seine restriktive Importpolitik für diesen Sektor zurückfahren wird.

 

Wie werden sich die norwegisch-österreichischen Wirtschaftsbeziehungen im kommenden Jahr entwickeln?

Meine Team und ich sind optimistisch, das heißt wir glauben, dass sich der bilaterale Handel wieder insgesamt positiv entwickeln wird, gerade weil wir sehen, wie schnell Norwegen eigentlich auf den Ölpreisverfall reagiert hat. Darüber hinaus ist das Potenzial im Dienstleistungssektor noch nicht annähernd ausgereizt und wir gehen gerade hier von beachtlichen Verbesserungen aus. Zu guter Letzt darf man die gewaltige Kaufkraft dieser kleinen Volkswirtschaft nicht übersehen, die Österreichs Exporteuren wesentlich mehr abkauft als ungleich größere Länder wie Taiwan, Thailand oder Argentinien.

Das Österreichisches AußenwirtschaftsCenter Stockholm betreut alle skandinavischen Staaten. Auf der Norwegen-Seite finden Sie verschiedene Publikationen und aktuelle Meldungen, unter anderem einen Update des Wirtschaftsberichtes Norwegen.

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