DAS INTERVIEW: Gekommen, um zu bleiben

Bernd Schrimpf, Managing Director Wintershall Norge©Wintershall
Bernd Schrimpf, Managing Director Wintershall Norge©Wintershall

Wintershall Norge feierte Anfang Oktober sein zehnjähriges Jubiläum. BusinessPortal Norwegen sprach aus diesem Anlass mit Bernd Schrimpf über die Bedeutung Norwegens für das Unternehmen Wintershall, die aktuellen Herausforderungen, die der niedrige Ölpreis mit sich bringt, und die Perspektiven des fossilen Rohstoffs Erdgas im künftigen Energiemix. 

 

Wie hat sich Ihr Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren entwickelt?

In einem Jahrzehnt hat sich das ehemals kleine Explorationsunternehmen Wintershall Norge zu einem bedeutenden Akteur auf dem norwegischen Kontinentalschelf entwickelt. Es macht mich stolz sagen zu können, dass Wintershall 2016 hier in Norwegen zu den festen Größen im Öl- und Gasgeschäft gehört. Von unseren bescheidenen Anfängen in Oslo haben wir uns zu einem wichtigen Betriebsführer entwickelt, der täglich über 80.000 Barrel Öläquivalent produziert.

Am 10. Oktober hat das Unternehmen mit der Eröffnung des neuen Bürogebäudes im Hinna Park in Stavanger einen weiteren Meilenstein erreicht. Die Zahl der Beschäftigten bei Wintershall Norge liegt inzwischen bei rund 500 Mitarbeitern, da war es an der Zeit, die Unterbringung der Mitarbeiter durch den Neubau eines Bürogebäudes mit ausreichender Kapazität zu verbessern.

Wintershall ist ein international tätiger Konzern mit Engagements auf verschiedenen Kontinenten. Welchen Stellenwert hat Norwegen für Ihr Unternehmen?

Versorgungssicherheit heißt Diversifizierung. Und hier spielt Norwegen eine wesentliche Rolle: Nicht nur Russland, sondern auch Norwegen ist – und bleibt – für eine sichere Energieversorgung Europas gesetzt. Allein durch die Geologie.

In der Nordsee und ihren Anrainerstaaten werden heute etwa 50 Prozent der Erdgasmengen gefördert, die für die Versorgung der EU und ihrer rund 500 Millionen Einwohner nötig sind. Die Nordsee ist unsere größte Energiequelle und kann dies noch für viele Jahre bleiben.

Neben Russland ist Norwegen der wichtigste Erdöl- und Erdgaslieferant für Europa. Das Land ist einer der entscheidenden Energiepartner der Europäischen Union. Auf dem norwegischen Kontinentalschelf erkunden und fördern die EU-Mitgliedstaaten und ihre E&P-Unternehmen die fossilen Rohstoffe, die unsere Gesellschaften und Wirtschaftsstandorte heute und in Zukunft benötigen. Mit rund 60 Lizenzen ist Wintershall einer der größten Lizenzinhaber in Norwegen; bei mehr als der Hälfte sind wir Betriebsführer.

Langfristig, so die Forderung einiger europäischer Politiker, soll Erdgas als fossiler Rohstoff durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Wie realistisch ist dieses Szenario und wie geht ein Öl- und Gasproduzent wie Wintershall damit um?

Die Weltgemeinschaft hat sich in Paris auf eine verbindliche Vision für den gemeinsamen Klimaschutz (COP21) geeinigt und dieses Signal ist richtig und wichtig. Doch stellt sich nach der Euphorie vielerorts die Frage, wie die Vision in Praxis und Realität überführt werden kann. Paris bedeutet, Energieversorgung verantwortlich zu gestalten. Was wir in Europa jetzt brauchen sind Pragmatismus und verantwortliches Handeln.

Fossile Rohstoffe werden noch für lange Zeit die Grundlage unserer Energieversorgung sein. Ohne Öl und Gas fehlen unserer Gesellschaft Energie und wichtige Rohstoffe. Wir brauchen Rohöl für unsere Mobilität sowie für unzählige Alltagsprodukte – ob Kunststoffe, Reinigungsmittel, Lacke und Farben oder auch Arzneien. Erdgas ist sicher, ausreichend verfügbar, flexibel und klimaschonend. Es ist der ideale Partner der erneuerbaren Energien. Denn so wichtig die Erneuerbaren auch sind: Erdöl und Erdgas werden bis mindestens 2040 noch 50 Prozent des globalen Energiemixes ausmachen.

Gegenwärtig steht die Öl- und Gasindustrie mit dem Rückgang der Preise für Öl und Gas weltweit vor großen Herausforderungen. Wie spüren Sie momentan den Druck?

Ich arbeite seit 1980 als Ingenieur in der Erdöl-und Erdgaindustrie und habe in dieser Zeit schon mehrere Ölpreiseinbrüche miterlebt. Keine Frage, in den letzten 18 Monaten gab es ein Überangebot an Öl und Gas auf dem Markt. Trotzdem teile ich die Meinung der Internationalen Energie Agentur (International Energy Agency), dass Angebot und Nachfrage am Ende des Jahres wieder in Balance kommen. Bei der Wintershall gestalten wir unsere Business Pläne nach den Prognosen unseres Mutterkonzerns, der BASF. Für 2016 rechnen wir mit einem durchschnittlichen Ölpreis von $40 pro Barrel (Brent) und wir erwarten, dass der Preis wieder steigt. Der Ölpreis pendelt sich immer wieder ein – das weiß ich aus Erfahrung.

Die Preisinstabilität zeigt jedoch, dass die Ölbranche weiterhin Wege finden muss, um in Zukunft noch robuster gegenüber Preisschocks aufgestellt zu sein.

Macht Ihr Unternehmen in Norwegen momentan Gewinne?

Wintershall ist nach Norwegen gekommen, um zu bleiben. Wir denken und investieren langfristig. Dennoch stellt sich Wintershall auf die geänderten Rahmenbedingungen ein. Wir überdenken kontinuierlich unsere Arbeitsweise; ein einfaches „Weiter so!“ gibt es für uns nicht.

Klar ist, wir investieren in Norwegen als Unternehmen betriebswirtschaftlich. Das heißt: Wir wollen und wir müssen in Norwegen Gewinne machen. Bei den aktuellen Preisen für Öl und Gas steht unser Engagement trotz effizientestem Projektmanagement derzeit vor wirtschaftlichen Herausforderungen.

Deshalb arbeiten wir und die anderen Unternehmen der Branche gezielt daran, unser Effizienz, unsere Performance und damit unsere Profitabilität zu steigern. Nur indem wir uns und unsere Arbeit kritisch hinterfragen, werden wir unsere Ziele auch bei einem niedrigeren Preisniveau langfristig sichern.

Muss Wintershall Norge Abstriche bei den notwendigen Investitionen machen?

Grundsätzlich basieren unsere Investitionsentscheidungen und Aktivitäten auf einer langfristigen Einschätzung des Ölpreises, da etwa zwischen der Entdeckung einer Lagerstätte und der Produktionsaufnahme gut zehn Jahre liegen können. Als Folge der Ölpreisentwicklung bewerten wir unsere Investitions- und Explorationsprojekte noch differenzierter. Operative Exzellenz ist hier der richtige Ansatz und immer unser Anspruch. Das bedeutet, dass wir immer besser, effizienter und profitabler werden wollen – auch in einem herausfordernden Umfeld. So sichern wir Investitionen.

Welche Rahmenbedingungen hat Ihre Branche in Norwegen, um die aktuellen Probleme meistern zu können? Gibt es Unterstützung seitens des Staates?

Die Regierungen der produzierenden Länder müssen die geeigneten Rahmenbedingungen schaffen und die Balance aktiv mitgestalten, damit Investitionen sich rechnen und gleichzeitig mehr Profitabilität erreicht wird. Dazu gehören auch steuerliche und regulatorische Rahmenbedingungen.

Das eigenoperierte Feld Maria bezeichnet Wintershall als ein Vorzeigeprojekt. Was ist so besonders an diesem Feld?

Beim Feld Maria zeigen wir, wie smartes und effizientes Projektmanagement auf dem Kontinentalschelf funktioniert. Hier setzen wir in der Norwegischen See eine überaus kreative und hocheffiziente Entwicklungslösung um. Maria ist der erste eigenoperierte Wintershall-Fund in Norwegen, der in die Produktion überführt wird. Im Sommer 2016 haben wir zwei Unterwasser-Templates auf dem Meeresgrund in 300 Metern Tiefe installiert. Damit verbinden wir Maria mit den nahegelegenen Plattformen Kristin, Heidrun und Åsgard B und nutzen somit die bereits vorhandene Infrastruktur. Durch diese kostensparende Lösung, die einen Plattformneubau überflüssig macht, ermöglichen wir die Entwicklung und Produktion aus diesem Feld, selbst unter herausfordernden Marktbedingungen.

Das Projekt ist eine unserer größten Einzelinvestitionen, die wir als Betriebsführer offshore bisher getätigt haben. Wir planen Ende 2018 das erste Öl zu fördern – mit geschätzten 180 Millionen Barrel Öläquivalent bietet Maria ein großes Potenzial.

Wo sieht sich Wintershall Norge beim 20-jährigen Jubiläum?

Auch in zehn Jahren werden Norwegen und Russland mit der Europäischen Union das Energiedreieck bilden, das die Energieflüsse für Europa ausbalanciert und die Versorgung sichert.

Vor diesem Hintergrund besteht unsere Ziel darin, in Norwegen einer der bedeutenden Betriebsführer zu sein, der sich durch seine Wertschöpfungskompetenz auszeichnet und branchenweit die besten Teams bildet.

Wir möchten mit unserer erfolgreichen Arbeit in Norwegen dazu beitragen, die ambitionierten Gesamtziele von Wintershall zu erreichen.

 

 

 

 

 

 

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