Datenzentren: Grün, grüner, am grünsten

Norwegen als neuer Player im Wettbewerb um Datenlagerung/ Internet-Giganten fördern erneuerbare Energien

Im August dieses Jahres sollte im norwegischen Måløy das grünste und modernste Datenzentrum der Welt eröffnet werden. Nun verzögert sich der Bau um einige Monate. Nicht, weil die Norweger ein solches Projekt nicht stemmen können, sondern weil angesichts des enormen Bedarfs an Lagerkapazitäten für Daten entschieden wurde, die erste Bauphase von 25 auf 44 MW aufzustocken.

Måløy liegt am Ostufer der Insel Vagsoya am südlichen Ende des Ulvesunds. Die Gemeinde hat etwas über 6.000 Einwohner, die meisten leben vom Fischfang und der Fischverarbeitung. Zweimal täglich macht ein Hurtigruten-Schiff in Måløy Halt. Touristenattraktion ist die 1.224-Meter-lange-Maloybrücke. Kommt der Wind aus einer bestimmten Richtung, schwingt die Brücke und erzeugt dabei ein hohes C.

Das Höhlenlabyrinth der Lefdal-Mine. Sechs Etagen stehen zur Verfügung, jede Etage ist 18 Meter hoch. Die Freiheitsstatue von New York sieht dagegen klein aus.©Lefdal Mine Datacenter
Das Höhlenlabyrinth der Lefdal-Mine. Sechs Etagen stehen zur Verfügung, jede Etage ist 18 Meter hoch. Die Freiheitsstatue von New York sieht dagegen klein aus.©Lefdal Mine Datacenter

25 Kilometer östlich dieser Idylle – an einem nicht minder beschaulichen Ort direkt am Fjord gelegen – entsteht gegenwärtig eines der modernsten und größten Datenzentren der Welt mit dem Qualitätsstandard Tier 3: Das Lefdal Mine Datacenter. Als natürliche Behausung nutzen die Norweger eine Mine, in der früher das Mineral Olivin abgebaut wurde. Der Vorteil dieser ungewöhnlichen Lagerstätte gegenüber einem Neubau aus Glas, Stahl und Beton: Es ist kalt in den Schächten unter der Erde, gerade 9°C beträgt die Temperatur. Zur zusätzlichen Kühlung kann das 8°C-kalte Wasser aus der Tiefe des Fjords genutzt werden. Die Energie für die Anlage – Datenzentren sind riesige Stromfresser – bezieht der Speicherplatz im Berg aus den Kraftwerken der Umgebung, die Strom zu einhundert Prozent aus erneuerbaren Energien produzieren, vorrangig aus Wasserkraft. Die notwendige IT-Infrastruktur mit einer Anbindung an die Glasfaserkabel in Europa ist vorhanden. Dementsprechend kostengünstig konnte das Zentrum entwickelt werden. Die Investitionen betrugen in der ersten Ausbaustufe bis 30 MW gerade 250 Millionen Norwegische Kronen, etwa 26,5 Millionen Euro.

Skandinavien und Island besonders geeignet

Finanziert wurde das Projekt mit Unterstützung der norwegischen Regierung. Norwegen, das seinen Wohlstand den fossilen Energieträgern Öl und Gas zu verdanken hat, sucht angesichts der Tatsache, dass diese Ressourcen endlich sind, nach neuen Industrien, die den Menschen langfristig den hohen Lebensstandard sichern. Im Bereich Datenzentren will das Land ein führender Player werden. Die Bedingungen dafür sind gut.

Entsprechend des Data Center Risk Index, den die amerikanische Immobiliengesellschaft Cushman & Wakefield einmal jährlich erstellt, lag Norwegen 2015 nach Island weltweit auf Platz zwei der sichersten Locations für Datenzentren, gefolgt von der Schweiz, Finnland und Schweden. In diese Bewertung fließen Energiekosten, der Ausbau der Internet-Bandbreite, das allgemeine Geschäftsklima, die Höhe der Unternehmenssteuern, die politische Stabilität, die Wahrscheinlichkeit von Naturkatastrophen, die Energiesicherheit, das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner und die Verfügbarkeit von Wasser ein. Dass die skandinavischen Länder dabei gut abschneiden, verwundert angesichts ihrer natürlichen Bedingungen und der sozialen und umweltschonenden Politik, die sich alle Regierungen gleichermaßen auf die Fahne geschrieben haben, nicht.

Trotzdem befinden sich die größten Datenzentren der Welt – betrieben von Google, Microsoft , Amazon und Facebook – in den USA. Microsoft schickt sich gerade an, in Iowa ein neues, riesiges Lager zu errichten. Die Investitionskosten betragen 1,5 bis 2 Milliarden US-Dollar.

Noch größer soll ein im Bau befindliches Datenzentrum mit einem Energiebedarf von 150 MW in der Wüste von Nevada werden. Ebay wird der größte Kunde sein.

Google als Großkunde von Windparks

Längst stehen die Internet-Giganten wegen des hohen Stromverbrauchs für die Lagerung der Daten in der öffentlichen Kritik. 2012 verbrauchte Google zum Beispiel nach eigenen Angaben 2,3 Millionen Megawattstunden Strom, 0,01 Prozent der weltweit verbrauchten Energie. 2013 war der Stromverbrauch bereits auf 3,7 Millionen Megawattstunden gewachsen. Dank der Investitionen in Energieeffizienz und Fortschritten der Hardware-Technik erreiche das Unternehmen heute aber mit der gleichen Menge an Energie die 3,5-fache Rechenleistung, sagte Urs Hölzle, Senior Vice President für technische Infrastruktur bei Google, Ende vergangenen Jahres in einem Interview.

Um die Umweltbelastung zu reduzieren, bemühen sich die Konzerne verstärkt um die Nutzung von erneuerbaren Energien. Für das neue Datenzentrum in der Wüste von Nevada beispielsweise soll der Großteil der notwendigen Energie aus Solarstrom gewonnen werden.

Google betreibt in Irland und Finnland Datenzentren außerhalb der USA. Im Bild: Das Google-Team in Hamina beim Eisangeln.©Google
Google betreibt in Irland und Finnland Datenzentren außerhalb der USA. Im Bild: Das Google-Team in Hamina beim Eisangeln.©Google

Google hat sich Mitte Juni die gesamte Produktion des Windparks Tellenes, der gegenwärtig in Norwegen gebaut wird, über zwölf Jahre für seine Datenzentren in Europa gesichert sowie die gesamte Produktion eines Windparks in Schweden, der 2018 in Betrieb geht. „Google ist seit 2007 klimaneutral. Wir haben uns verpflichtet, einhundert Prozent unserer Aktivitäten aus erneuerbaren Energien zu speisen“, sagte Marc Oman, Energiechef des Konzerns für Europa und globale Infrastruktur. Insgesamt hat Google damit sieben Vereinbarungen in Europa über die Abnahme von 500 MW Windenergie und 18 globale Deals im Umfang von 2,5 Gigawatt geschlossen.

Mit diesen langfristigen Verträgen sind Internet-Firmen ein wichtiger Baustein bei der Finanzierung von Projekten im Bereich erneuerbare Energien.

Deutsches Familienunternehmen als Miteigentümer

Die Bedeutung, die die Branchen der sauberen Energie beimisst, lenkt den internationalen Standortwettbewerb um die Investoren in eine Richtung: Grün, grüner, am grünsten. Hier hat Norwegen hervorragende Karten. Allerdings wuchern auch die skandinavischen Nachbarn genau mit diesem Pfründen: dem hervorragenden Image als Umweltpioniere. Die Schweden haben Facebook 2013 nach Luleå geholt, in Finnland hat Google bereits 2009 in Hamina eine alte Mühle gekauft und sie zum Rechenzentrum umgebaut und die Dänen überzeugten Apple vom Standort Viborg. Die Anlagen in Dänemark, so der Konzern in einer Pressemitteilung, „werden die bisher geringsten Auswirkungen aller Rechenzentren von Apple auf die Umwelt aufweisen“.

Für das Lefdal Mine Datacenter haben die Norweger nun IBM als größten Kunden und Partner beim Aufbau der Infrastruktur gewonnen. Daneben werden FLG, InnovoCloud und LocalHost ihre Gigabytes in der Mine am Fjord deponieren.

„Zusätzlich zu Unternehmen aus dem öffentlichen Sektor in Norwegen und privaten Firmen aus anderen skandinavischen Ländern sehen wir großes Interesse von Kunden aus dicht besiedelten Gebieten und Firmen aus dem Bereich Datensicherheit. Auch große amerikanische Unternehmen betrachten Europa als Zielmarkt für kosteneffiziente, sichere und grüne Datenzentren“, sagt Mat Andersson, Marketingchef des Datenzentrums am Fjord. Partner beim Aufbau der Infrastruktur ist neben IBM die Friedhelm Loh Group aus Deutschland, mit einem Anteil von 33,3 Prozent auch Miteigentümer des unterirdischen Lagers. Das Tochterunternehmen Rittal, Hersteller von Schaltschränken, liefert einen großen Teil der IT-Infrastruktur in Containern zu.

Wie groß auch immer der Bedarf an Fläche sein wird – Platz für Speicheranlagen jeder Art ist zur Genüge vorhanden. 120.000 Quadratmeter stehen derzeit auf drei Etagen zur Verfügung, weitere drei Etage können bei Bedarf in Betrieb genommen werden.

Auch die Konkurrenz im Lande, das norwegische Unternehmen Green Mountain AS, wirbt damit, das grünste Datenzentrum zu betreiben, das jemals gebaut wurde. Es ist viel kleiner als die Lefdal Mine, befindet sich aber ebenfalls in einem Berg, einem ehemaligen Waffenlager der NATO in der Nähe von Stavanger. Der internationale Technologiekonzern Schneider Electric engagiert sich hier beim Aufbau der Infrastruktur. Ein zweites Zentrum befindet sich in Rjukan, betrieben zu einhundert Prozent mit Energie aus den umliegenden Wasserkraftwerken.

Wenige Kilometer südlich des Polarkreises, in Mo i Rana, bietet die Arctic Circle Data Center AS Flächen und Dienstleistungen für die Datenverwalter dieser Welt – selbstverständlich umweltverträglich und preiswert.

Ob die grüne Karte genug zieht, um das riesige Areal des Lefdal Mine Datacenter und all die kleineren Lager in Norwegen mit Computerschränken zu füllen, bleibt abzuwarten. Die norwegische Regierung reduzierte jüngst als zusätzlichen Anreiz für nationale und internationale Kunden die Stromsteuer für Datenzentren mit einem Stromverbrauch von mehr als 5 MW auf den niedrigsten Stand aller nordischen Länder. Sicher wird auch die Selbstdarstellung der Norweger seitens der Regierung überdacht. Bisher vermarkten die Norweger ihr Land international überwiegend als Touristendestination. Nunmehr muss die Welt auch erfahren, dass das Land mehr zu bieten hat als Fjorde, Berge und ein hohes C einer Brücke.                                                                                                               Jutta Falkner

Informationen für potenzielle Investoren in Datenzentren in Norwegen.
Eine Studie der Energy Norway, präsentiert von der Regierung im März 2016

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